Als Schiedsrichter hat man sich in der Theorie – sprich: bei den schriftlichen Regeltests – stets mit allerlei Kuriositäten auseinanderzusetzen, von denen man mit einigem Recht annehmen darf, dass sie in der Praxis niemals vorkommen werden. Aber falls doch, muss man selbstredend gewappnet sein.

Legendär ist beispielsweise die Frage, was zu tun ist, wenn der Ball beim Torschuss platzt und dann auf der Torlatte liegen bleibt (Antwort: Schiedsrichter-Ball mit einem Ersatzspielgerät auf der Torraumlinie). Oder die, was geschieht, wenn der Schiri angeschossen wird und der Ball daraufhin ins Tor kullert (Antwort: Das Tor zählt).

Erst kürzlich wurde ich in meiner Eigenschaft als Aus- und Fortbilder der Kölner Referees bei einem Schlungsabend für Unparteiische mit einer anderen – vermeintlichen – Abwegigkeit konfrontiert. Ein Teilnehmer fragte mich, wie denn wohl zu entscheiden sei, wenn ein Spieler einen Abstoß direkt ins eigene Tor kickt. „Das wird kaum möglich sein“, antwortete ich, „denn der Ball ist ja erst im Spiel, wenn er den Strafraum verlassen hat. Und wie sollte er von außerhalb des Strafraums wieder zurück aufs Tor fliegen oder rollen können, ohne dass ihn ein weiterer Spieler berührt?“ Der Fragende entgegnete daraufhin: „Na, durch einen heftigen Windstoß beispielsweise.“

Solche Gedankenspiele machen mir eigentlich keinen Spaß, denn sie erscheinen mir doch gar zu unrealistisch. Aber ich muss nun tatsächlich Abbitte leisten, denn Xynthia hat das höchst Unwahrscheinliche tatsächlich eintreten lassen, wie die WELT berichtet, die auch das dazu gehörige Video präsentiert:

Ein kurioses Eigentor des Kreisligisten TSV Grunbach (Enzkreis) sorgt seit dem Wochenende für Diskussionen im Internet. Nachdem Abwehrspieler Oliver Wiedemann den Ball abgeschlagen hatte [korrekterweise müsste es hier „abgestoßen“ heißen, denn einen Abschlag kann nur der Torwart vornehmen], griff Sturmtief „Xynthia“ ins Spielgeschehen ein und beförderte das Leder wie einen Bumerang ins eigene Tor. Schiedsrichter Klaus Gall erkannte auf Tor; die Heimmannschaft TSV Wimsheim ging mit 1:0 in Führung (Endstand 2:1).

Und mit dieser Entscheidung lag der Kollege leider daneben:

Eugen Strigel, Schiedsrichter-Lehrwart beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), bezeichnete die Entscheidung in der „Pforzheimer Zeitung“ für falsch: Es hätte Eckball geben müssen, weil nur ein gegnerischer Abstoß zum Tor hätte führen können.

Begründung: Aus einem Vorteil darf kein Nachteil werden. Genauso verhält es sich, wenn ein Spieler einen Einwurf oder Freistoß direkt – das heißt ohne weitere Berührung durch einen Gegen- oder Mitspieler – in den eigenen Kasten befördert. Auch dann gibt es einen Eckstoß, quasi als Kompromiss.

Am besten sollte man ein Spiel aber gar nicht erst anpfeifen, wenn es derart stürmt. Macht doch keinen Spaß.

Zu den bisherigen Teilen dieser kleinen Serie: [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7]

Kommentare

11 Kommentare zu “Fußballregeln – die unbekannten Wesen (8)”

  1. xanos am 03.09.10 21:32

    Ich weiß das seit der A-Jugend. Unser Libero wollte den Flachabstoß quer durch den Strafraum spielen und blieb mit dem Fuß etwas im Boden stecken …

  2. Alex Feuerherdt am 03.09.10 21:36

    Und dann? Wie kam der Ball von außerhalb des Strafraums wieder zurück? Durch den Drall?

  3. SiamoNoi am 03.10.10 02:25

    Auch, wenn es nichts zur durchaus interessanten Sache tut, möchte ich doch anmerken, dass es in den Ohren und den Augen weht tut, dass irgendwer irgendwas “für falsch bezeichnet hat” – und zwar erst in dem Video, dann in dem Artikel und jetzt auch noch hier. Er kann die Entscheidung von mir aus für falsch halten oder als falsch bezeichnen, aber nicht “für falsch bezeichnen”. Ansonsten erkenne ich weder das eine noch das andere an und entscheide auf Wiederholung ohne Wind. 😉

  4. Alex Feuerherdt am 03.10.10 11:02

    Da stimme ich natürlich völlig zu – aber was hätte ich tun sollen? Es ist ja ein Zitat.

  5. xanos am 03.10.10 12:42

    Der Ball kam nicht zurück, tatsächlich schoß der Libero den Ball direkt an den äußeren Pfosten.
    Die Diskussion mit dem Schiri nach dem Spiel ergab dann, dass dieser Eckball entschieden hätte, wäre der Ball direkt ins Tor gegangen.

  6. Alex Feuerherdt am 03.10.10 12:47

    Das ist eigenartig. Wenn euer Libero beim Abstoß in den Boden tritt, der Ball deshalb an den Pfosten geht und von dort ins Tor oder ins Toraus, muss es eine Wiederholung des Abstoßes geben. Denn der Ball ist erst im Spiel, wenn er den Strafraum verlassen hat.

  7. J Connors am 03.16.10 19:41

    Teile 1-6 > 404 🙁

  8. Elke Wittich am 03.16.10 19:48

    @ Connors: Oh, danke, sie werden gleich wieder hergezaubert

  9. Alex Feuerherdt am 03.16.10 19:48

    @ J Connors: Danke für den Hinweis, der Fehler ist jetzt behoben.

  10. Elke Wittich am 03.16.10 19:50

    Mal funktionieren sie, mal funktionieren sie nicht, seltsam.
    Versuch mal den: http://www.sportswire.de/fusballregeln-die-unbekannten-wesen-1/

  11. Elke Wittich am 03.16.10 19:56

    @Alex: Schnell gezaubert, thnx 😀

blogoscoop