“Fair Games – Fair Play“ – das ist nicht der Name einer internationalen Schiedsrichter-Vereinigung gegen brutale Spieler, sondern eine von Gewerkschaftern im Jahre 2007 auf dem Weltsozialforum in Nairobi ins Leben gerufene Initiative. Ihr Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen auf den Stadionbaustellen in Südafrika zu verbessern. Gestartet wurde die Aktion von der Bau- und Holzarbeiter-Internationale. Unterstützer sind die südafrikanischen Baugewerkschaften NUM, BCAWU und SABAWO, die Schweizer Gewerkschaft Unia und das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH).
SportsWire sprach mit Joachim Merz, Kampagnenverantwortlicher beim SAH, über Hungerlöhne, wilde Streiks und die Rolle der FIFA.

Herr Merz, das Ziel der Aktion „Fair Games – Fair Play“ war und ist es, die Arbeitsbedingungen auf den Stadionbaustellen in Südafrika zu verbessern. Was genau kritisieren Sie?

Den Südafrikanern wird von ihrer Regierung – überspitzt gesagt – versprochen, dass ihre größten Probleme durch die Weltmeisterschaft 2010 gelöst werden. Es wird behauptet, dass diese WM für alle Bürger Gewinne abwerfen und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes voranbringen wird. Wir haben uns gesagt: Gut, dann nehmen wir mal alle beim Wort: die Regierung, aber auch den Weltfußballverband FIFA, der sich soziale Verantwortung auf seine Fahnen schreibt. Wir wollten erreichen, dass die versprochenen Entwicklungsimpulse auch für die Arbeiter zu spüren sind, denn die Situation auf den Baustellen war katastrophal. Die Arbeitssicherheit und der Arbeitsschutz waren stark verbesserungsbedürftig, es wurden den Arbeitern kaum Weiterbildungsangebote gemacht. Weitere Probleme bestanden darin, dass die Gewerkschaften keinen Zugang zu den Baustellen hatten und dass die Löhne extrem niedrig waren.

Wie stellte sich die Lohnsituation konkret dar?

Auf dem Bau in Südafrika gibt es eine gesetzliche Bestimmung, die Mindestlöhne vorschreibt, jedenfalls im Bauhauptgewerbe. Ein ungelernter Arbeiter verdient demnach knapp 2500 Rand im Monat, das sind ca. 230 Euro. Das ist auch unter Berücksichtigung des niedrigeren Preisniveaus zu wenig zum Leben. Schätzungen des Statistischen Amtes in Südafrika gehen davon aus, dass man 3000 Rand im Monat braucht, um eine Familie zu ernähren. Die Gewerkschaften haben ermittelt, dass die Untergrenze eher bei 4500 Rand für eine Familie liegt.

An die Gesetze halten sich die Unternehmen nicht?

Ein großes Problem sind vor allem viele Subunternehmen, die die gesetzlichen Vorgaben ignorieren. Während vom Gesetzgeber für ungelernte Arbeiter ein Stundenlohn von elf, zwölf Rand festlegt wurde, bekamen diese zum Beispiel auf der Baustelle in Durban von Subunternehmen nur sechs Rand pro Stunde bezahlt.

Wie sahen die ersten Schritte aus, die Sie zur Verbesserung der Lage der Bauarbeiter unternommen haben?

Nachdem die südafrikanischen Baugewerkschaften die Probleme identifiziert hatten, haben sie Forderungen formuliert. Das waren: Löhne, die zum Leben reichen, uneingeschränkter Zugang zu den Baustellen für die Gewerkschaften sowie Einhaltung der nationalen Arbeitsgesetzgebung, deutliche Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit, Schaffung von Arbeitsplätzen, zusätzliche Investitionen in die berufliche Aus- und Weiterbildung. Diese Forderungen wurden auch von der Bau- und Holzarbeiter-Internationale, dem globalen Dachverband, wie auch von europäischen Gewerkschaften und NGOs unterstützt.

Wie haben Sie versucht, diese Forderungen durchzusetzen?

Nach der Ausrufung der Kampagne wurde es zunächst still, da die Gewerkschaften sich erstmal intensiv mit dem Thema beschäftigen mussten. Sie haben Recherchen über die beteiligten Unternehmen angestellt, in Erfahrung gebracht, auf welchen Baustellen Gewerkschaftsmitglieder beschäftigt waren, welche Löhne dort gezahlt wurden. Die Verantwortlichen haben also Grundlagenforschung betrieben und darauf aufbauend mit der Öffentlichkeitsarbeit begonnen. Es erschienen Artikel in Zeitungen, Radiosendungen wurden produziert und vieles mehr.

Was genau war dabei die Aufgabe des Schweizerischen Arbeiterhilfswerks? Also Ihrer Organisation, die vermutlich keine besonders starke Verankerung in der südafrikanischen Arbeiterschaft hat?

Unsere Aufgabe ist sehr nahe liegend. Die Urheberin der Idee, die Bau- und Holzarbeiter-Internationale, hat uns zur Mitarbeit eingeladen, weil klar war, dass die Schweiz eine Kampagnenfront sein würde. Bekanntlich hat die FIFA ihren Sitz in Zürich. Wir alle wussten: Ohne Öffentlichkeitsarbeit, ohne Lobbyarbeit hier in Europa, ohne Druck auf die FIFA – der hauptsächlich über die Medien laufen muss – werden wir nichts erreichen.

Von Zeitungsartikeln, Radiobeiträgen und öffentlichen Erklärungen lassen sich südafrikanische Bauunternehmen aber vermutlich nicht so schnell beeindrucken.

Das stimmt. Richtig Fahrt aufgenommen hat die Kampagne, als es zu den ersten Streiks kam.

Wurden die von den Gewerkschaften organisiert?

Interessanterweise waren die ersten Streiks im Rahmen dieser Kampagne wilde Streiks. Es waren die Bauarbeiter in Kapstadt im Stadion Green Point, die im August 2007 den ersten Streik losgetreten haben.

Welche Forderungen wurden dort gestellt?

Die 1200 Arbeiter auf der Baustelle in Kapstadt wollten eine Transportentschädigung für den Weg von den Townships zur Baustelle bekommen. Gerade bei der prekären Lohnsituation fressen die Transportkosten einen großen Teil der Löhne wieder auf. Im Schnitt ging ein Drittel des Lohns für die Fahrkarten drauf. In diesem Streik haben die Gewerkschaften erst nachträglich die Führung übernommen und die Forderungen der Arbeiter gegenüber dem Management erfolgreich vertreten.

Gleich der erste Streik war also ein Erfolg.

Ein großer Erfolg sogar. Er war ein Signal für andere Kollegen in ganz Südafrika, die gesehen haben: Druck von unten bringt etwas. Und die Situation auf den anderen Baustellen war ja ähnlich. Durch die Kampfbereitschaft der Belegschaften konnte einiges erreicht werden. Dem Streik in Kapstadt folgten bis jetzt insgesamt 24 weitere. Darunter auch ganz harte Auseinandersetzungen, zum Beispiel in der Stadt Nelspruit. Einmal wurde dort die gesamte Belegschaft – damals 500 Leute – auf die Straße gesetzt, weil man sich in den Verhandlungen nicht einigen konnte. Da hat das Management dann einfach mal alle entlassen. Nur durch den Druck der örtlichen Gewerkschaften und durch Unterstützung von internationalen Schwester-Gewerkschaften konnten alle 500 nach zwei Wochen schwierigen Verhandelns wieder eingestellt werden.

Der zweite Teil des Interviews erscheint morgen.

Kommentare

1 Kommentar zu “Wilde Streiks vor der besten WM aller Zeiten / Teil 1”

  1. Wilde Streiks vor der besten WM aller Zeiten / Teil 2 : SportsWire am 06.12.09 06:01

    […] ihn nicht gelesen hat und das nachholen möchte: Hier geht es zum ersten Teil des […]

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