Der Trikottausch gehört zum Fußball wie Tore, Trainerentlassungen und verschossene Elfmeter.
Aber seit wann gehört er genau dazu? Wurden schon nach den ersten Fußballspielen Leibchen getauscht? Nein. Der Brauch ist verhältnismäßig neu, und geht zurück auf einen der ganz großen Stars.

Ist es nicht eigentlich furchtbar eklig, das klatschnasse, nach Schweiß stinkende Trikot eines Gegners in Empfang zu nehmen?

Fremdschweiß ist nicht fies

Fußballspieler wundert diese Frage sehr. Nach einem Match sei man emotional viel zu aufgewühlt und außerdem meist völlig fertig, da denke man ganz sicher nicht über so Belangloses wie Fremdschweiß nach. Außerdem stinke man ja selbst, und da mache das bisschen anderer Geruch den Kohl auch nicht fett. Zudem werde das Ding selbstverständlich zu Hause in die Waschmaschine geworfen, bevor es dann einen Ehrenplatz in der Kellerbar oder in einem speziellen Fach im Kleiderschrank erhalte.

Das sei eigentlich alles.

Trikottausch als erotischer Akt

Michael Hardin von der Bloomsburg University im US-amerikanischen Pennsylvania wies in seinem Aufsatz »Playing with Masculinity« darauf hin, dass der Trikottausch am Ende eines Spiels den Höhepunkt in der 90minütigen Präsentation darstelle. »Ein hoch erotischer Akt, den die Fifa nicht besonders gern sieht – als erkenne sie das homoerotische Potenzial zweier halbnackter Männer, die ihre mit Schweiß und Blut (also mit Körperflüssigkeiten) getränkte Kleidung tauschen.« Andererseits stehe das Fußballspiel in der öffentlichen Wahrnehmung seit jeher für heterosexuelle Maskulinität, an der auch ansonsten Männern verbotene Verhaltensweisen nichts ändern könnten. Den Spielern sei es auf dem Platz erlaubt, zu weinen, sich zu umarmen, einander am Hintern zu berühren – »was abseits des Stadions sicher den Verdacht der Homosexualität erregen würde«.

Alte Tradition

Das kümmert Fußballer jedoch nicht. Und keiner, aber auch wirklich keiner der befragten Kicker erklärte, es sei absolut widerlich, sich das kaltschweißige Trikot eines Menschen anzuziehen, den man eben auf dem Platz noch bekämpft hat. Es handele sich zudem um eine alte Tradition, mit der unter anderem der Respekt vor dem Gegner ausgedrückt werden solle.

Wie alt? Das wusste keiner, die meisten tippten darauf, dass vor so ungefähr 100 Jahren zwei britische Gentlemen nach einer ebenso hart wie fair geführten Partie einander voll gegenseitigem Respekt ihre Sportleibchen verehrten. Alle Umstehenden seien von dieser Geste zutiefst berührt gewesen und hätten anschließend dafür gesorgt, dass mittlerweile selbst auf dem hinterletzten Dorfacker nach dem Abpiff Jerseys auf fremder Leute Schultern landen.

Nix jersey exchange

Eine hübsche Vorstellung, die leider nicht den Tatsachen entspricht. Die Suche nach den Ursprüngen des Trikottauschs gestaltet sich dabei zunächst schwierig. Da solche wichtigen Themen in Deutschland anscheinend niemanden interessieren, müsste eigentlich auf englischsprachigen Webpages gesucht werden – wenn man denn wüsste, wie der Vorgang auf Englisch überhaupt heißt. Die meisten um Hilfe Gebetenen tippen auf »Jersey exchange«, worauf man selbst auch schon gekommen ist und was leider völlig falsch ist.

Erst ein verzweifeltes Mail an den Kollegen George Burns bringt die Lösung: »Trikottausch« heißt »to swap jerseys«. »We swapped jerseys after the game. Ronaldo swapped jerseys with Beckham«, antwortet er und kurz darauf steht auch schon fest, dass das Jersey-Swapping eine relativ neue Erfindung ist.

Keine alte Tradition

Der erste Fußballer, der jemals einem anderen sein Trikot schenkte, war Pele. Nach dem Vorrundenspiel gegen England bei der Fußballweltmeisterschaft 1970 bot er in einer spontanen Geste dem gegnerischen Kapitän Bobby Moore sein Hemd an. Moore verstand sofort, dass Pele ihm auf diese Weise seinen Respekt ausdrücken wollte und überreichte ihm im Gegenzug sein Trikot. Dieser Vorgang wurde von zig Millionen Menschen live im Fernsehen gesehen. Darunter waren zweifellos viele Fußballspieler, denn rasch wurde die Sache mit den geswappten Jerseys weltweit eingeführt.

Manchmal gegen den Willen der Funktionäre: In Deutschland sorgen besonders sparsame Kassenwarte immer mal wieder für Schlagzeilen, wenn sie ankündigen, dass Kicker die für teures Geld angeschafften und dann einfach verschenkten Trikots selbst bezahlen müssen.

Trikotauschverweigerung als feindlicher Akt

Zuvor hatte ein verweigerter Trikottausch schon einmal für die Vertiefung einer eh schon vorhandenen ausgiebigen Fanfeindschaft gesorgt. Das Verhältnis zwischen niederländischen und deutschen Supportern war schon in den Siebzigern ausgesprochen unentspannt gewesen. Als Gradmesser für den aktuellen Stand der gegenseitigen Abneigung hatte traditionell die nordrhein-westfälische Kleinstadt Herzogenrath gedient, die vor vielen Jahrhunderten zusammen mit der holländischen Nachbargemeinde Kerkrade das damals limburgische s’Hertogen Rode gebildet hatte. Kerkrade und Herzogenrath wurden nach dem Zerfall des Herzogtums durch eine richtig traditionelle Grenze geteilt, noch in den sechziger Jahren trennten Stacheldraht, bewaffnete Posten und scharfe Wachhunde die beiden Gemeinden. Dann jedoch geschah etwas für die damalige Zeit Sensationelles: Die jeweiligen Ratsherren entschlossen sich, statt der Grenze eine kniehohe Mauer zu installieren, die die Herzogenrather Neustraße von der Kerkrader Nieuwstraat trennen sollte.

Zahlreiche Geheimverhandlungen und diplomatischen Verwicklungen später war es dann tatsächlich soweit: Das Mäuerchen bzw. het muurtje wurde installiert. Was angesichts des Fußball-WM-Finales 1974 von manchen sicher heftig bedauert wurde, denn die Mevrouwen und Herren Grenzstädter nutzten das Endspiel ihrer beiden Teams, einander an dieser Mauer ebenso ausgiebig wie handgreiflich klarzumachen, was sie wirklich von einander hielten: Nix. Wer mit dem falschen KFZ-Kennzeichen auf der falschen Seite erwischt wurde, kam nicht ohne Beulen im Blech davon, vereinzelt wurden die Insassen gleich mitverprügelt.

Daran, dass 14 Jahre später alles noch viel schlimmer werden sollte, war ein Trikottausch schuld. EM-Halbfinale 1988: In einer von beiden Parteien hitzig geführten Partie – so werden im Sportjournalistendeutsch endlose Tretereien, Provozierereien und versteckte miese Fouls bezeichnet – kommt es zum Eklat. Ronald Coeman tauscht zunächst widerwillig sein Trikot mit Olaf Thon, wischt sich aber damit noch auf dem Spielfeld pantomimisch den Hintern ab.

Und die Situation war da. Die Rodaer Ausschreitungen stellten alles Bisherige in den Schatten, Plastiktüten mit zerstoßenen Glasscherben wurden in die Menge geworfen, mit Baseballschlägern Bewaffnete jagten alles, was ihrer Meinung nach den falschen Pass in der Tasche hatte.

Seither gilt es als noch unfeiner, den Trikottausch zu verweigern oder mit des Gegners Jersey unschöne Sachen zu veranstalten. Wer sich nicht daran hält, muss mit Ärger rechnen: Als Oliver Kahn, nach einem Testländerspiel gegen Spanien nicht mit seinem Torwartkollegen tauschen wollte, kam es zu einem Eklat, der in spanischen und deutschen Zeitungen tagelang für Schlagzeilen sorgte.

Dabei hatte Herr Kahn sich vielleicht ganz einfach nur vor dem schweißnassen Trikot geekelt.

Kommentare

4 Kommentare zu “Wer erfand eigentlich den Trikottausch?”

  1. Maik am 09.28.08 08:14

    Das mit dem ersten Trikottausch kann so nicht ganz stimmen. Pele hat für Brasilien gespielt, Bobby Moore für England. Diese beiden Teams haben bei der WM 1970 zwar in der Vorrunde gegeneinander gespielt, aber definitiv nicht im Endspiel.

  2. Elke Wittich am 09.28.08 11:55

    Du hast natürlich Recht.
    Vorrundenspiel, nicht Finale, immerhin: Die Jahreszahl stimmte 🙂

  3. Alex Feuerherdt am 09.29.08 14:31

    Was die Sache mit dem Schweiß betrifft: Nach meinem Eindruck ziehen sich seit einigen Jahren (?) manche Spieler das ertauschte Hemd auf links gedreht an…

  4. SchwulerKeeper am 05.07.09 19:10

    Das Trikot auf links gedreht anziehen hat aber nichts mit dem Schweiss des Gegners zu tun, sondern eher damit, dass der eigene Sponsor bzw. der des Teams es nicht so lustig findet, wenn dier Spieler mit fremder Werbung rumläuft.

blogoscoop