Man ist zuversichtlich. Wir haben eine gute Mannschaft beisammen. In der Abwehr hat sich wenig getan, aber das geht schon klar: Die vielgeschmähten Außenverteidiger Fritz und Boenisch sind immerhin entweder mal Stammspieler in der Nationalmannschaft gewesen bzw. gerade Europameister bei der U21 geworden. Das sind Gute, sie müssen es nur zeigen. Jungs, ich glaube an Euch. Innenverteidigung: Kein Thema, beide Weltklasse. Dahinter stehen Prödl und Pasanen, einmal großes Potential und einmal guter Überdurchschnitt.

Im Mittelfeld haben wir mit Özil schon die würdige Fortsetzung der Reihe, die meistens mit Micoud, bei mir aber mit Herzog beginnt: Herzog – Micoud – Diego – Özil. Viermal die gleiche Position, aber vier ganz unterschiedliche Spieler. Mit Özil geht es wieder ein bisschen Richtung Micoud, das Spiel wird schneller als mit Diego. Aber Özil ist selbst schneller und laufstärker als Micoud es war, er ist nicht darauf angewiesen, den Ball immer sofort wieder abzuspielen. Dafür fehlt ihm noch die Aura eines erfahrenen Spielers wie Micoud. Führungsstärke ist ein hässliches Wort, aber genau das wird Özil in Zukunft entwickeln müssen. Leider ist absehbar, dass er dann nicht mehr für uns spielen wird, weil sein Berater nächstes Jahr richtig Kasse machen will.
Ob das dann gut oder schlecht für Özil ist, wenn er schon dann zu Bayern wechselt, weiß ich nicht. Aber vermutlich ist er dann so gut, dass er in jeder Mannschaft der Welt Stammspieler wäre; das heimelige Gerede von der guten Entwicklung, die er in Bremen dann noch nehmen könnte, dürfte reines Wunschdenken sein.

Im Mittelfeld spielt auch immer noch Torsten Frings, der ganz stolz verkündet, dass er “fürs Land die Knochen hingehalten” hat, und daraus heute Ansprüche ableitet. Das widerspricht nur vordergründig dem üblichen Narrativ, nachdem ein Spiel in der Nationalmannschaft stets eine große Ehre sei, ein Geschenk für den Spieler. Für Frings ist es harte Arbeit und ein Opfer. Aber so ist das eben in nationalen Zirkeln: Alle reißen sich darum, sich zerreißen zu dürfen, und wer am meisten gelitten hat, bekommt die größte Anerkennung. Wer leidet und entbehrt, wird hier gern verehrt. Absichtlich gereimt, jepp.

Weil Torsten wegen all des Knochenhingehaltes nicht mehr richtig sprinten kann, darf er jetzt nicht mehr gegen Aserbaidschan kicken. Schade für ihn, aber mich macht es auch nicht glücklich, dass er jetzt so lahm ist. Neuerdings spielt er auch noch Fehlpässe, das gab es früher nicht so. Und was beim Lutscher nach viel Einsatz und Kampfgeist aussieht, sind meistens Verzweiflungsgrätschen, die im regelmäßigen Einen-Schritt-zu-spät-kommen begründet sind.
Aber ich mache mir keine Sorgen um unser Mittelfeld. Das liegt zum einen an Tim Borowski, dessen Verpflichtung ich mega gefeiert (!) habe, zum anderen daran, dass Torsten jetzt zu Hause ausgezogen ist. Er wird zu alter Stärke zurück finden und seine Frau auch.

Im Sturm haben wir unseren persönlichen Podolski endlich geholt, den Erlöser, den Sanogovertreiber, den peruanischen Prinzen – Klaus Bizarr. Ob das finanziell okay ist und ob er in drei Jahren noch Tore schießt, das ist mir ganz egal. Diese Saison hat er jedenfalls gerettet. Pizarro ist so ballgeil, so fußballverliebt, dass er das Klischee vom ausländischen Sportsöldner, der nur für das Geld hier ist und so wenig dafür tut wie eben nötig, auf dem Platz in jeder Minute widerlegt. Das macht mir große Freude. Neben ihm könnte Moreno mal spielen, aber der hat Thomas Schaaf anscheinend mal am Bart gezogen und darf jetzt ein paar Wochen lang gar nicht mehr ran. Dadurch, dass er meinen Blicken entzogen wird, ist Moreno jedenfalls interessanter geworden und in meiner Gunst sehr gestiegen, ich sage nun: Der ist ungefähr so gut wie Klasnic und sollte mehr spielen.

Zu Marin kein Wort, da bin ich misstrauisch: “Achtnhalb Mijonen?? Der soll ersma Leisdung zein!!” Ich werde das auch noch sagen, wenn er zehn sehr gute Spiele nacheinander gemacht hat. Aus Prinzip, und weil ich ein waschechter Fan bin.

Weil wir auch einen Torwart haben, wage ich einen weiteren Exkurs in die Nationalmannschaft. Enke mag ein guter Torwart sein, vielleicht auch besser als Jim Wiese, aber seine Beförderung zum Stammkeeper bedeutet trotzdem ein Problem für die Nationalmannschaft: Sie wird so noch langweiliger. Von Enke über Mertesacker zu Rolfes und Hitzlsperger bis zum ollen Miroslav Klose – wen soll denn das jetzt noch zu Emotionen hinreißen? “Poldi” steigt gerade in den Durchschnitt ab, “Schweini” ist da angekommen, im Tor steht der langweiligste Torwart vom langweiligsten Verein der Liga, auf der Bank sitzen gleich drei Langweiler als Trainer und dem Ballack darf man auch schon ins Gesicht schlagen, ohne dass es irgendeine Reaktion gibt. Aber vielleicht zeigt ja Peter Trochowski den Fans mal den Mittelfinger. Oder so.

Wo ich bei Torwärten bin, ärgere ich mich gerade wieder, dass ich nie den Text über Rensing geschrieben habe, den ich schreiben wollte. Denn jetzt ist es zu spät, jetzt habe ich schon recht behalten. Vor Bundesligastart schrieb ich in einer Mail:

Seine Ausstrahlung ist immer große Unsicherheit, vermischt mit einem trotzigen Unwillen, seine Schwächen einzusehen. Er wirkt, als habe er einen Rechtsanspruch auf den Platz im Tor und auf gute Leistungen erworben. Und dass das irgendwie nicht klappt, versteht er nicht. Der hat sich schon im Nationaltor gesehen, bevor er zehn Bundesligaspiele hatte.

Da freu ich mich natürlich, wenn er gleich im ersten Spiel wieder patzt. Am Ende wird er vielleicht mal eine der tragischen Figuren der Bundesliga, wenn diese Unsicherheit seine ganze Karriere scheitern lässt. Ich sehs kommen. Meister werdet ihr natürlich trotzdem.

Die Tragik ist kaum zu überbieten. Rensing hat noch nie etwas gewonnen und das alles trotzdem schon wieder verloren. Und wie soll er nochmal unbeschwert spielen, wenn er mit jedem Einsatz fürchten muss, wieder eine Stufe abzusteigen? Bald spielt er dann in Frankfurt oder Mainz oder Salzburg statt bei der WM in Südafrika. Das muss man erstmal verarbeiten. Das Beste wäre, wenn er als ganz offizieller Ersatztorwart bei Bayern bliebe.

Das ist alles. Dieser Beitrag kommt ohne Links aus. Alles, was ich bisher über das Leben gelernt habe, habe ich aus dem Kicker.

Kommentare

2 Kommentare zu “Was man wissen muss: Werder”

  1. Kalaster am 09.10.09 10:49

    Schöner Beitrag!
    Rensings Untergang hab ich auch so vorausgesehen. Naja, wenn man ehrlich ist: eigentlich gab’s nur zwei Möglichkeiten. Entweder totaler Hype und riesen Leistungen oder – einen Flop. Dass er sich so irgendwie durchwurstelt entbehrt jedem Realismus.
    Bzgl. des Werder Kaders: Ging mir in den meisten Fällen (Marin, Pizarro, Özil) genauso wie dir. Was die Verteidigung angeht… für mich gibt’s da keinen Hut für Werder zu gewinnen. Wenn’s den Mertesacker und Naldo (!) nicht gäbe würde ich ihnen jegliche internationale Chance absprechen. Prödl, Pasanen, Fritz (!). Da muss man doch den Kopf schütteln.

  2. Bonde am 09.10.09 11:17

    Danke für Deinen Kommentar!

    Aber die Abwehr muss ich nochmal verteidigen.

    Zunächst mal gibt es Mertesacker und Naldo aber, was ja nicht ganz unerheblich ist.

    Und wie gesagt ist Fritz eigentlich ein guter Spieler, das hat man in der vorletzten Saison noch gesehen, nur in der letzten eben nicht mehr.
    Prödl ist noch jung, hat aber auch schon eine EM und ein Uefa-Cup Finale hinter sich. Zuletzt mag er sehr schwach gewesen sein, da hatte er aber auch kaum trainiert und war immer noch angeschlagen. In der letzten Saison hat er sehr gute Spiele gemacht, unter anderem beim 5:2 gegen Bayern. Sinnlos, den jetzt wegen der schlechten Leistung gegen Frankfurt abzuqualifizieren.

    Pasanen ist ein zuverlässiger Verteidiger, der vielseitig einsetzbar ist, also genau das, was man hinter den Top-Leuten und neben dem Nachwuchs noch braucht.

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