Dopingverdächtigungen gegen Deutsche wegerklären, finanzielle Unregelmäßigkeiten im Verein nicht zur Kenntnis nehmen, dafür die Nähe zum Objekt der Berichterstattung genießen: So ungefähr begreift die Mehrzahl der deutschen Sportjournalisten ihren Job. Aus aktuellem Anlass: Bemerkungen über einen Berufsstand, der nicht einmal merkt, dass er ein Problem hat, wenn ihm dies anhand der Korruptionskriterien einer unabhängigen Anti-Korruptionsorganisation detailliert nachgewiesen wird.

Eine der Hauptfragen der im Dezember 2005 gestarteten Journalisteninitiative Sportnetzwerk lautete: »Sind Sportjournalisten eigentlich Journalisten oder doch nur Fans, die es über die Absperrung geschafft haben?«

Was Leser, Zuhörer und Zuschauer vielleicht gar nicht so schlimm finden, weil sie in der Mehrzahl selber Fans sind und die subjektiv gefärbte Berichterstattung im Zweifel als Bestätigung ihrer eigenen Empfindungen schätzen, kann jedoch durchaus zur Korruption im Sport beitragen und sie in manchen Fällen sogar begünstigen.

Das im Buch »ABC der Korruption im Sportjournalismus« aufgeführte zeigt, wie grenzwertig bereits die Vorgänge sind, die von vielen Sportjournalisten wahrscheinlich nicht nur als normal, sondern in ihrer Zweiteigenschaft als Fans sogar als Auszeichnung angesehen werden. Unter Verwendung von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International zusammengestellter Kriterien beginnt die Auflistung mit A wie Anfüttern.

Dass ein Vereinsvorsitzender einen Berichterstatter zum Essen in ein Restaurant einlädt, um ihm in aller Ruhe von seinen Plänen mit dem Club zu erzählen, mag zunächst kaum verwerflich sein. Spätestens dann aber, wenn dem Journalisten zum Beispiel angeboten wird, für die Vereinszeitung zu schreiben – eine Einladung, die in aller Regel freudig angenommen wird –, kann davon ausgegangen werden, dass sich hier jemand zum kritiklosen Sprachrohr macht.

Und dass er aus Angst vor dem Verlust von Privilegien wie der Teilnahme am großen Gala-Büffet vor dem gemeinsamen Abflug zu einem Spiel der Champions League oder vor dem Verlust einer sicheren Einnahmequelle bestimmte Vorgänge wie Transfer-Unregelmäßigkeiten nicht aufdecken wird.

Mangelnde Trennschärfe bewirkt auch die berüchtigte »Wir sitzen alle in einem Boot«-Mentalität, wie sie vor der Fußball-WM in Deutschland exemplarisch vom Präsidenten des Verbandes der deutschen Sportjournalisten (VDS), Erich Laaser, vorgeführt und von Hans Leyendecker in seinem Buchbeitrag beschrieben wurde. Der VDS-Chef entblödete sich nicht, die Mitglieder im verbandsinternen Magazin dazu aufzufordern, die WM-Organisatoren respektvoll zu behandeln, um »störungsfreie Spiele« zu erreichen.

Solche Kumpanei führt, wie bei der Tour de France vor einigen Jahren geschehen, bis zur versuchten Kaltstellung eines ausgewiesenen Dopingexperten in der ARD ausgerechnet durch jene Jan-Ullrich-Biografen, Moderatoren bei Team-Telekom-Veranstaltungen oder Tour-Berichterstatter, die ihre Pfründe durch den kritischen Kollegen gefährdet sahen.

Begünstigt werden solche korrupten Sport­journalisten dadurch, dass es in den wenigsten Sportredaktionen einen Code of Conduct gibt, der zum Beispiel die Annahme von Geschenken und Geldsummen regelt.
Dabei sind diese festgeschriebenen verbindlichen Verhaltensrichtlinien ein wichtiges Instrument im Kampf für eine objektive, kritische Berichterstattung, wie das Beispiel des Automobil-Jounalismus zeigt.

Noch vor einem Jahrzehnt galt dieses Genre als komplett korrupt, die Schreiber wurden von den Herstellern regelmäßig zu Modellpräsentationen an exotische Orte eingeladen und mit hochwertigen Geschenken überschüttet – mittlerweile gelten in allen großen Verlagen in diesen Punkten strenge Verhaltensrichtlinien, deren Nichteinhaltung mit dem Rausschmiss enden kann.

In vielen Sportredaktionen ist man dagegen sehr stolz auf die Kollegen, die durch ihre guten Kontakte über – in aller Regel harmlose – Insiderinformationen, zum Beispiel über Neuverpflichtungen, verfügen, und beneidet sie im Zweifel sogar um die Nähe zu den Stars. Was stört, wird dagegen ausgeblendet.

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