May
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Am letzten Spieltag war die Frankfurter Eintracht zu Gast im benachbarten Mainz zum Derby. Eine große Fangruppe machte sich auf den Weg und freute sich auf ein spannendes Spiel und leidenschaftliche Kurven. Der Nachmittag ging gut los. Im Stadion war erwartungsgemäß ordentlich Stimmung, die allerdings die angereiste Eintracht nicht zum Fußballspielen ermunterte. Frankfurt verlor mit 0:3 blamabel gegen die Lokalrivalen. Die angereisten Frankfurter*innen waren traurig, frustriert und einige auch verständlicherweise wütend.
Nach dem Spiel machten sich einige Frankfurter*innen direkt auf den Weg zum eigenen Stadion um die Mann*schaft zur Aussprache zu empfangen. Dort erwartete sie, wie die Ultras Frankfurt in einer ausführlichen Erklärung zu den Vorkommnissen am vergangenen Samstag schreiben, ein Großaufgebot der Polizei und offenbar zahlreiche nervöse Polizist*innen in zivil. Sämtliche Zugänge zum Stadion wurden von Einsatzhundertschaften blockiert. Die Bundesstraße wurde offenbar vorsorglich gesperrt. Der Rückstau blockierte Teile der Autobahn. Außerdem kreiste recht früh ein Polizeihubschrauber über den Fans. Die Situation eskalierte zusehends und führte aus der Gruppe als besonders aggressiv auffallender, mit Knüppeln bewaffneter Zivilpolizist*innen, wie sich später herausstellte, zu einem Schußwaffeneinsatz.
Die Polizei behauptete im nach hinein, daß die Fans versucht hätten zunächst den Mannschaftsbus der Frankfurter Eintracht anzugreifen und den Spieler*innentrakt zu stürmen. Die Ultras Frankfurt weisen diese Vorwürfe entschieden von sich. Es gab zu keinem Zeitpunkt Aktionen gegen den Mannschaftsbus oder Spieler*innen. Auch war durch die Fans die Verkehrssituation nie gefährdet worden. Vielmehr produzierten die Einsatzkräfte selbst die Gefährdung der Fans, von Passant*innen und Autofahrer*innen durch voreilige Absperrungen und ein äußerst aggressives Auftreten.
Die bürgerliche Presse kolportierte aber, wie immer in solchen Fällen, lediglich die Sicht der Polizei. Der Monopolist der Bundesligaberichterstattung Sport-Informations-Dienst (SID), der nur Hooligans und Chaoten kennt, flutete früh die Nachricht über Ausschreitungen von Frankfurter*innen in die Agenturen. Solch ein Spektakel, das bei den sportbegeisterten Bürger*innen und statistikgeilen Kicker-Leser*innen eine entzückte Gänsehaut und empörte Abwehrimpulse auslöste, konnten sich die Blätter nicht entgehen lassen.
Der SpOn, längst schon kein Medium mehr, daß eigenes produziert, sondern ein Leitorgan der wütenden Spießbürger*innen, daß lediglich Agentur-Meldungen spektakulär aufbläht, titelte „Aufstand der Wut Fans“ und machte mit der vermeintlichen Gewalt der Frankfurter Ultras auf. Auch der Tagesspiegel gab sich betont informiert und berichtete von Einschüchterung, „gewaltbereiten Ultras“, wütenden Fans und verzweifelten Vereinsoffiziellen. Der Kicker lag in seiner Berichterstattung ganz auf Linie der Manager*innen der DFL und des SID. Von differenzierter Berichterstattung oder der so oft von Journalist*innen hochgehaltenen Objektivität keine Spur – überall nur Hooligans, Gewalt und verängstigte Vereine. Lediglich die Frankfurter Rundschau nahm die Frankfurter Ultras ernst und berichtete über die Vorwürfe gegen die Polizei und die Richtigstellungen der Frankfurter*innen.
Was die bürgerliche “Wut”-Presse nicht erwähnte oder nur verharmlosend berichtete, war, daß ein Frankfurter Zivilpolizist während der Blockade des Stadions eine Waffe zog, diese auf eine circa 20 Menschen große Gruppe richtete, sich zu keinem Zeitpunkt als Beamter im Dienst zu erkennen gab und einen Warnschuß abfeuerte nachdem einige auf den mit der Pistole auf einzelne Menschen zielende Polizist zu ging und ihn zum schießen aufforderten. Diese Situation ist so krass, daß mensch die Worte ausbleiben. Es ist schlicht unerträglich, wie fahrlässig und lebensgefährlich die Sicherheitskräfte eine schon angespannte Situation weiter eskalierten. Richtig zum kotzen ist aber, wenn mensch daran denkt, was den an diesem Tag festgenommenen Ultras droht und wie dieser mit der Pistole rumfuchtelnde, schießwütige Spinner davon kommen wird.
Die Vereine und Fansozialarbeiter*innen kommen in den Polizei-Berichten, anders kann mensch die Artikel und Beiträge in den bürgerlichen Medien gar nicht nennen, entweder überhaupt nicht oder lediglich als Rechtfertigungspartner*innen für die Sicherheitskräfte und die Empörung der Bürger*innen vor. Die großen Fanbündnisse reagieren ebenfalls nicht. Bei solcherart Desinteresse und spektakulärer Überhöhung, die im Sicherheitsapparat lediglich die Repressionsspirale über Landesgrenzen hinweg anheizt, ist der erste „vergessene Tote“ (wie die von Sicherheitskräften ermordeten Fans in Italien genannt werden) womöglich nur noch eine Frage der Zeit. Bleibt zu hoffen, daß dies verhindert werden kann.
veröffentlicht auf dem Blog von Brigata Amaranto 25 Aprile
Kommentare
1 Kommentar zu “Fans, Ultras, “Hooligans” und ein Schuß”
Mensch*In muss ja selbst wissen was es tut, aber mir ist das lesen der Text*in so unerträglich.