Wenn am 8. März in Vancouver die Paralympics feierlich eröffnet werden, wird die blinde Biathletin und Langläuferin Verena Bentele zum vierten Mal bei dem Großereignis dabei sein. Im Interview spricht sie über ihre Goldchancen, Verletzungspech, die Nervosität vorm Start und auch darüber, wie wenig der Behindertensport abseits der großen Events wahrgenommen wird.

Vom 12. bis 21. März finden in Vancouver die Paralympics statt. Verena Bentele (28), blinde Biathletin und Langläuferin, geht dort als eine der größten deutschen Medaillenhoffnungen an den Start. Sieben paralympische Goldmedaillen befinden sich bereits in ihrer Sammlung. In Kanada hat sie fünf Chancen auf Edelmetall: im Biathlon über 12,5 Kilometer und in der Verfolgung, im Langlauf über 15 Kilometer Freistil und klassisch im Sprint und über 5 Kilometer. Trotz eines schweren Wettkampf-Unfalls im Januar 2009 kämpfte sie sich zurück und gewann in dieser Saison sowohl den Biathlon- als auch den Langlauf-Gesamtweltcup. Ein Gespräch mit Verena Bentele über ihre Ziele, ihre Vorbereitung und ihre Wünschen für den Behindertensport.

Sie haben in dieser Saison jeden Wettkampf gewonnen, an dem Sie teilgenommen haben. Heißt die Zielsetzung damit auch Gold in allen fünf Wettkämpfen?

Verena Bentele: „Nein, das wäre absolut vermessen. Aber ich fand es schon lässig von Magdalena Neuner, dass sie vor Olympia gesagt hat, dass sie Olympiasiegerin werden will und sie hat es ja auch geschafft.
Letztlich ist es bei mir das Gleiche. Ich will Paralympics-Siegerin werden und nach Möglichkeit in jedem Wettkampf eine Medaille holen. Besonders wichtig sind mir die 12,5 Kilometer Biathlon und die 15 Kilometer Langlauf im Freistil, weil ich diese beiden Wettbewerbe noch nie bei einem Großereignis gewonnen habe. Da wäre Gold absoluter Wahnsinn.“

Schauen Sie manchmal ein wenig neidisch auf die Kolleginnen bei Olympia, die doch sehr im Fokus stehen und durch ihren Sport auch ganz andere finanzielle Möglichkeiten haben?

Bentele: „Neid ist hier nicht angebracht, aber ich finde, dass der Behindertensport eine Menge von den Nichtbehinderten lernen kann. Wenn ich sehe, wie sich Biathlon und Langlauf in den vergangenen Jahren entwickelt haben, dann ist das bewundernswert. Es wäre schön, wenn sich auch der Behindertensport dieser Professionalität ein wenig anpassen könnte.
Ganz realistisch finden wir außerhalb der Paralympics in den Medien nicht statt, außer wir Sportler telefonieren die Ergebnisse selbst an Journalisten durch. Unsere Weltcups finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Ich meine, dass wir mehr Aufmerksamkeit verdient haben. Dadurch, dass wir wirklich nur alle vier Jahre wahrgenommen werden, ist der Leistungsdruck bei den Paralympics schon immens.“

Sie hatten im Januar vergangenen Jahres einen schweren Wettkampf-Unfall. Ein Kreuzbandriss, eine kaputte Niere und noch einige andere Verletzungen waren die Folge. Wie schwierig war es denn, sich nach diesen Verletzungen wieder in den Leistungssport zurückzukämpfen?

Bentele: „Mein Vorteil ist, dass ich einen extremen Willen besitze, den ich auch in meinen Motivationsseminaren vermitteln will. Der Sport hat mir immer geholfen, sowohl physisch und auch psychisch, deshalb wollte ich ihn nicht aufgeben. Ich habe die Zähne zusammengebissen, ganz von vorne angefangen und nach den körperlichen Schmerzen auch die mentalen Probleme überwunden.“

Können Sie die mentalen Probleme näher beschreiben?

Bentele: „Ich hatte nach dem Sturz zum Beispiel Angst vor Abfahrten. Mein neuer Begleitläufer, Thomas Friedrich, hat mir aber geholfen, diese Furcht zu überwinden. Ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann und ich denke, ich habe in dieser Saison bewiesen, dass ich wieder ganz die Alte bin. Mir ist es wichtig, zu vermitteln, dass man in jeder Lebenssituation Leistung bringen kann. Das gilt für alle, für nichtbehinderte Menschen oder für Menschen wie mich, die angeblich so viel behinderter sind als alle anderen Menschen.“

Haben Sie die Olympischen Spiele verfolgt?

Bentele: „Natürlich und nicht nur zur puren Unterhaltung. Ich lerne dabei viel über die Strecken, auf denen ich meine Wettkämpfe haben werde. Bei den Paralympics finden Langlauf und Biathlon im Olympischen Langlaufstadion statt. Während der Übertragungen habe ich mir von Thomas Friedrich Einzelheiten von den Strecken erzählen lassen, so dass ich das Gefühl habe, schon jetzt eine Ahnung davon zu haben, was mich erwartet. Körperliche Fitness ist nicht alles. Auch die übrige Vorbereitung muss stimmen.
Ich bin Vollprofi und somit erwarte ich auch von mir selbst, dass ich alles tue, um für die Paralympics bestens präpariert zu sein. Dazu gehört auch, dass ich die Strecken schon mal auf einem Laufband gelaufen bin, das entsprechend programmiert war.“

Vancouver werden Ihre vierten Paralympics. Hilft die Routine, um ruhig und gelassen in die Wettkämpfe zu gehen?

Bentele: „Ja von wegen. Ich bin zwar ein Wettkampftyp, aber selbst vor Weltcups bin ich unglaublich hibbelig und nervös. Das legt sich erst im Wettkampf, dann kann ich mich aber auf den Punkt konzentrieren.“

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