Der Traum der Sechzger, ins Stadion an der Gründwalder Straße zurückzukehren, scheint ausgeträumt, die Stadt München als Eigentümerin der Arena lehnte kürzlich die vom TSV 1860 vorgelegten Umbaupläne ab. Die genannten Gründe für die Ablehnung sind schwer verständlich, gleichzeitig kündigten die Löwenfans an, nicht aufgeben zu wollen. Höchste Zeit also für ein Interview mit Pro1860, der unabhängigen Fan-Organisation des Vereins.

Das Stadion an der Grünwalder Straße wird nicht zu einer erstligatauglichen Arena umgebaut. Die Gründe sind für Nicht-Münchner schwer nachzuvollziehen, könnten Sie Sie kurz erklären?

Hans Vonavka, Sprecher von Pro1860: Ums gleich auf den Punkt zu bringen: Die Stadtführung unter OB Ude hat dem Projekt keine Chance gegeben. Dazu muss man wissen, dass die Stadt München Eigentümerin des Stadions ist. Ohne ihr Goodwill geht gar nix. Wenn Ude nun sagt, 1860 hätte die Kriterien nicht erfüllt, dann ist das für uns nur ein vorgeschobenes Argument. Die Hürden waren nämlich von vorne herein so hoch gehängt, dass der TSV sie in der kurzen Zeit gar nicht erfüllen konnte.

Der erste Satz der Pressemitteilung erschließt sich Außenstehenden nicht. Er lautet:

“Eine Entlassung aus dem Vertrag mit der Allianz Arena sei zwar, wie auch der FC Bayern bestätigt, grundsätzlich möglich, eine schriftliche Vereinbarung über Zeitpunkt und Konditionen eines Auszugs liegt aber nicht vor.”

Können Sie diesen Satz erklären? Hätte eine schriftliche Vereinbarung über Auszugsmodalitäten wirklich etwas an der Entscheidung der Stadt geändert?

Wir verstehen bis heute nicht, warum sich die Stadtspitze in dieser Frage zur obersten Prüfinstanz aufschwingen will. Natürlich ist vor einem Auszug aus der Arena die Auflösung der dortigen Verträge zu vereinbaren, dies betrifft aber nur die Vertragspartner untereinander und unterliegt unserer Einschätzung nach auch Verhandlungen, die allemal aus vielen Gründen diskret erfolgen sollten. Die Forderung nach einer schriftlichen Vereinbarung ist allerbestens schulmeisterlich.

Sie lobten die Qualität der von der Stadionkommission erarbeiteten Studie.
(http://www.tsv1860.de/de/verein/news/2009 vereinsnews_2010-03-23_gruenwalder_konzept.php) Aus ihr geht hervor, dass das architektonische Konzept ohne weiteres allen Anforderungen an ein Erstligastadion genügt. Teilen Sie die Einschätzung der Stadt, dass es sich in Wirklichkeit um einen Neu- und nicht um einen Umbau handelt?

Nein. Es war geradezu ein ganz wesentlicher Eckpunkt aller planerischen Überlegungen, dass das Konzept im baurechtlichen Sinne als Umbau zu bewerten sein musste.
Deshalb war schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein auch in der Stadtverwaltung hochangesehener Baurechts-Spezialist an der Konzeptentwicklung maßgeblich beteiligt. Dieser hat auch während der Konzept-Vorstellung bereits der städtischen Einschätzung, dass es sich um einen Neubau handele, vehement widersprochen.
Es ist aus unserer Sicht auch absolut nicht nachvollziehbar, dass die Planungsspezialisten der Stadt innerhalb einer zweistündigen Präsentation in der Lage gewesen sein sollten, diese äußerst komplizierten baurechtlichen Zusammenhänge auch nur annähernd zu erfassen, geschweige denn diese mit der zu Schau gestellten Sicherheit zu beurteilen.

Hat Sie die schnelle Ablehnung überrascht oder haben Sie geglaubt, eine Chance zu haben?

Die Verantwortlichen hatten sicher alle die Hoffnung, dass die Stadt dem Verein eine faire Chance einräumen würde. Vor allem deswegen, weil es der Projektgruppe in der kurzen Zeit gelungen ist, zum Teil in ehrenamtlicher Arbeit, zum Teil unter Hinzuziehung hochkarätiger Sachverständiger wie Prof. Schwarz vom Architekturbüro Schwarz, Grözinger Wagner in Zusammenarbeit mit dem Büro Kauffmann, Theilig und Partner, dem Brandschutzspezialisten H. Niemöller von hhp Berlin, dem Baurechtsspezialisten Prof. Hauth, sowie den Büros Jestaedt+Partner(Umwelt), Möhler+Partner(Schallschutz) und Dipl. Ing. M.Hollerith (Verkehr) die architektonischen Probleme durch kreative Ansätze zu lösen, die für den innerstädtischen Stadionbau zukunftsweisend werden könnten.

Vor allem auch deshalb, weil die Lösungsansätze im Hinblick auf Schallschutz, Fantrennung, Verkehrsfluß oder Sicherheitswege im Vergleich zum Bestand oder zum geplanten Drittligausbau deutliche Verbesserungen für die unmittelbare Nachbarschaft und für das ganze Quartier darstellen würden.

Können oder wollen Sie etwas zur Atmosphäre sagen, in der das Gespräch zwischen Stadt und Verein stattfand?

Im Gegensatz zu den Gesprächen mit den einzelnen Ressortleitern, welche fast durchgehend von zunächst skeptischer Sympathie und später von großer Aufgeschlossenheit für das Projekt geprägt waren, glich die Präsentation vor der Stadtspitze mehr einem Tribunal als einem ergebnisoffenen Prozess.
Alle Teilnehmer aus dem Bereich des TSV haben berichtet, dass schon nach wenigen Minuten klar war, dass es an diesem Tag auf städtischer Seite nur einen Masterplan gab. Nämlich das Projekt Umbau Sechzger Stadion zu verhindern.

In der ersten Erklärung der Faninitiative PRO1860 hieß es, man halte weiterhin am Ziel, langfristig in das alte Stadion zurückzuziehen, fest. Wie langfristig ist langfristig?

Das ist seriös nicht zu prognostizieren. Fakt ist, die Amtszeit von OB Ude endet in zirka vier Jahren. Dann werden die Karten neu gemischt.
Im Augenblick ist ja nicht einmal klar, in welchem Stadion die 1. Mannschaft des TSV 1860 in den nächsten Jahren spielen wird. Klar ist aber auch, dass es für den Verein und seine Fans nur eine Wahl zwischen Pest und Cholera sein wird. Weder die Allianz Arena noch das Olympia-Stadion passen zu Sechzig. Unsere Hoffnung ist zumindest, dass die Verantwortlichen die Wahl treffen werden, die dem TSV 1860 eine Verbesserung der finanziellen Situation bringen wird, damit die Handlungsfähigkeit auch in der Stadionfrage erhöht wird.

In der Süddeutschen hieß es in einem Kommentar, die präsentierte Lösung für den Umbau habe „Defizite“ aufgewiesen, „1860 hätte insbesondere ein schlüssiges Finanzkonzept vorlegen müssen, das die finanziell klamme Stadt aus ihren Verpflichtungen nimmt“. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf
?
Es wurde ein sehr detailliertes und umfassendes Konzept erarbeitet, welches mehrere Finanzierungskomponenten umfasste. Darunter waren auch Beiträge von Fans und sogenannten „Edelfans“ in hoher einstelliger Millionenhöhe.
Es ist allerdings bekannt, dass Sechzig selbst keinerlei finanzielle Reserven hat und dass außer dem reichen Onkel, der den Löwen ein Stadion schenkt, keine Möglichkeit an einer Finanzierung des Projektes über Kredite vorbeiführt. Um die Zinslast, die mit einer solchen Kreditfinanzierung einhergeht für die Sechziger darstellbar zu machen, ist es unumgänglich, dass der Verein von der öffentlichen Hand z.B. über eine Bürgschaft, die den Zins erheblich verringert, unterstützt wird, wie es übrigens bundesweit in den letzten Jahren bei dem Bau neuer Stadien üblich war.
So wäre das Projekt stemmbar geworden, während gleichzeitig nach menschlichem Ermessen die Bürgschaft niemals in Anspruch genommen worden wäre. Mögliche Zuschüsse der öffentlichen Hand wären insgesamt nicht größer gewesen als die bereits für die Drittligatauglichkeit des Stadions genehmigten Budgets (ca. 10,8 Mio EUR plus jährlicher Unterhalt)

Den Ablehnungsbescheid der Stadt München könnte man so verstehen, dass der Umbau kein Problem wäre, wenn 1860 Sponsoren findet, die alle entstehenden Kosten übernehmen. Sollte man die Ablehnungsbescheid auch so verstehen?

Aus unserer Sicht nein. Um es mal ein bisschen flapsig auszudrücken: Selbst wenn die Löwen einen Sack voll Geld auf den Tisch des OB gelegt hätten, der die Finanzierung gelöst hätte, hätten wir keine Chance gehabt. Das ist aus unserer Sicht ja das Frustrierende. Die Stadt versteckt sich hinter Paragraphen, die eigentlichen Gründe aber werden nicht genannt.

Haben Sie bereits Kontakt zu potenziellen Geldgebern? Wie realistisch ist es gerade in diesen Zeiten, 50, 60 Millionen zusammenzubekommen? Was kann der Verein Geldgebern als Gegenleistung bieten?

Für diese Frage sind wir als Fanorganisation sicher nicht der richtige Adressat. Wir sind aber ziemlich sicher, dass wir es geschafft hätten, das Potenzial, das im schlafenden Riesen TSV 1860 schlummert, zu reanimieren, wenn alle Kräfte des Vereins zusammengearbeitet hätten. Dies hätte gereicht, zusammen mit Unterstützung der Stadt das Projekt Grünwalder Stadion zu stemmen.

Was würden Sie einem enttäuschten Fan sagen, der von einer Rückkehr in die Grünwalder Straße träumt? Können die Fans irgendetwas tun?

Sie können nicht nur, sondern sie tun auch schon: mit Sprechchören und Spruchbändern in den Stadien, als fantypischste Meinungsäußerung; weiterhin mit Briefen an die Stadtspitze und Meinungsäußerungen in den Internetforen.
Die spektakulärste Aktion war das Kapern einer von der Stadt München organisierten Demo anlässlich der Earth Hour, als ungefähr 250 Löwenfans urplötzlich vor dem Marienplatz ein Spruchband mit dem Text, „Bevor endgültig alle Lichter ausgehen – Zurück ins Sechzgerstadion“, entrollten und für einige Minuten unter Abbrennen von Wunderkerzen „Grünwalder Stadion“ skandierten. Nach wenigen Minuten war die Aktion beendet und hat für bundesweites Aufsehen gesorgt.

Flashmob Marienplatz

Allerdings ist für uns auch klar, dass solche Aktionen das Thema lediglich am Köcheln halten können. Es muss in einigen Jahren einfach eine positive Verkettung glücklicher Umstände zusammenkommen, um wirklich etwas bewegen zu können.

Ein Blick in die Zukunft: In welchem Stadion wird 1860 München im Jahr 2030 spielen? Und wie lange wird es schon in dieser Arena kicken?

Über das Jahr 2030 kann wohl niemand seriöse Aussagen treffen. Neben den lokalen Gegebenheiten wird sehr viel von der generellen Entwicklung des Fußballes, vielleicht der Gesellschaft überhaupt abhängen. Ob in 20 Jahren noch immer solch immense Summen im Profifußball umgesetzt werden werden, ist aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. Das schmälert natürlich auch die Aussichten auf neue Bauten, da umgekehrt kaum anzunehmen ist, dass Baukosten plötzlich fallen könnten. Nichtsdestotrotz ist jede Aussage zu so einer Frage äußerst spekulativ und vielleicht kommt es genau umgekehrt.

Kommentare

4 Kommentare zu “Und nun? Interview mit Pro1860”

  1. Ludwig Kapresi am 04.22.10 09:22

    Interessantes Interview. Man versteht es nur nicht so richtig. Vielleicht kann SportsWire noch erklären, wer oder was PRO1860 ist. Die Einleitung zum Interview wäre ein guter Platz dafür 😉

  2. Ralf Maier am 04.22.10 13:43

    @Ludwig
    PRO1860 ist eine unabhaengige Fanorganisation die sich vor ein paar Jahren gebildet hat.
    Hintergrund dazu ist die komplizierte Vereinsstruktur von 1860 die es den handelnden Personen ermoeglicht hat eigenmaechtig Entscheidungen zu treffen wie z.B. Karlheinz Wildmosers Entscheidung zusammen mit den Bayern die Allianz Arena zu bauen.

  3. Elke Wittich am 04.22.10 14:23

    Stimmt, dass es sich um eine unabhängige Fan-Organisation handelt, hätte gleich am Anfang erwähnt werden sollen. Nun steht es drin, danke für den Hinweis 🙂

  4. Seenesits am 06.18.12 05:29

    ОДНОКЛАССНИКИ ЗНАКОМСТВА

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