Irgendwann ist sie gekommen, die Zeit, sich einzugestehen, dass man wohl niemals den WM-Titel im Turnen, Boxen, Eiskunstlaufen oder Fußballspielen erringen wird.
Ganz ohne Weltmeister-Zusatz muss man aber vielleicht doch nicht durchs Leben gehen, wenn man bereit ist, ein bisschen zu üben: Am 12. Oktober findet im britischen Ashton die alljährliche Conker-WM statt.
Und: Die Anmeldefrist für den Zweikampf mit Kastanien ist noch nicht vorbei

Conker? Im deutschsprachigen Raum besteht das Spielen mit Kastanien für Kinder hauptsächlich aus stupiden Bastelarbeiten. Die Altersgenossen in Großbritannien, Frankreich und Kanada haben dagegen mit den Früchten der Ende des 16. Jahrhunderts vom Balkan nach Mitteleuropa gelangten Rosskastanie wesentlich mehr Spaß.
Der braun glänzende Samen, der übrigens mild giftig ist und nach Angaben der deutschen Vergiftungszentrale Saponine enthält, die zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall führen können, ist wesentlicher Bestandteil des Conker – außer in Puerto Rico, wo dasselbe Spiel mit der Nuss des Johannisbrotbaums gespielt wird.

Conker-Herstellungsanleitung

Conker geht eigentlich ganz einfach: Mitten durch eine möglichst frische, symmetrische große Kastanie wird ein Loch gebohrt. Anschließend wird durch die so entstandene Öffnung eine 25 Zentimeter lange Schnur geführt, die an den Enden zusammengeknotet wird.

Conker-Spielanleitung

Dann kann das Spiel auch schon beginnen. Zwei Kontrahenten treten, die Schnur einmal um ein Handgelenk gewickelt, gegeneinander an. Einer der beiden wurde zuvor als erster Striker ausgelost, das heißt, er muss mit einem gezielten Schwung seiner Kastanie versuchen, das ruhig vor sich hin baumelnde Spielgerät des Gegners zu treffen. Klappt dies nicht, hat er zwei weitere Versuche, bevor das Zuschlagsrecht wechselt. Das Match endet, wenn eine der Kastanien komplett kaputt gegangen ist.

Conker-Regeln

Wie bei jeder anderen richtigen Sportart gibt es natürlich auch noch weitere Regeln. Diese Vorschriften belohnen Reaktionsschnelligkeit, zum Beispiel dann, wenn sich die Schnüre der beiden Spieler verheddern. Da es im Conker weder professionelle Schiedsrichter noch den Videobeweis gibt, erhält derjenige, der die Lage zuerst erkennt und »Strings« ruft, so eben einen extra Strike.
Wem dagegen im Spieleifer seine Kastanie aus der Hand rutscht, der muss nicht unbedingt damit rechnen, dass sein Gegner fair und großmütig wartet, bis er das Sportgerät aufgehoben hat.
Denn in dieser Situation kommt es wieder auf Schnelligkeit an. Ruft der Kastanienverlierer »no stamps«, ist alles in Ordnung und der Wettkampf kann weitergehen. Aber reagiert sein Kontrahent ein wenig fixer und schreit »stamps«, dann darf er auf das hilflos am Boden liegende Teil springen und es genüsslich zertrampeln.

Conker-Doping

Wenn er es denn schafft: Gedopte Kastanien sind nämlich gar nicht so selten, auch wenn sie bei den jährlichen Weltmeisterschaften nicht zugelassen sind.
Beim Straßen-Conker jedoch ist es üblich, mit speziell präparierten Früchten anzutreten. Rezepte zur Schalenhärtung gibt es viele, und alljährlich im Herbst machen Gerüchte über gerade entdeckte Superformeln die Runde.
Letztlich sind sie dann doch meist nicht so super wie vermutet, so dass die Kastanien dann doch nur wieder mit bewährten Mitteln gehärtet werden. Dazu gehören das mehrtägige Bad in Essig, in mineralhaltigen Substanzen oder in Nagellackentferner ebenso wie das langsame Rösten im Backofen.

Conker-WM

Die Profis halten von solchen Methoden gar nichts. Zu ihren alljährlich am zweiten Oktoberwochenende im englischen Ashton stattfindenden World Conker Championships, die sich streng an die Regeln der Wadard Conker Association (WCA) halten, sind nur frische, völlig unveränderte Kastanien zugelassen, die von den Organisatoren gestellt werden.
Der in diesem Jahr zum 30 plus x.ten Mal – ein paarmal fiel er aus – stattfindende Wettkampf wurde 1965 von Einheimischen erfunden, »die eine Alternative zum Fischen suchten«, wie ein WCA-Sprecher in der BBC erklärte.

Conker-Geschichte

Urkundlich erwähnt wurde das Kastanienklicken erstmals im Jahr 1848 auf der Isle of Wright. Zuvor war es dort, anderen Schriften zufolge, jedoch bereits als Cobnuts bekannt, bei dem allerdings Haselnüsse verwendet wurden. Der Name Conker deutet an, dass das Spiel noch älter ist, so steht es jedenfalls im Shorter Oxford English Dictionary. Demnach kommt er aus dem Französischen und spielt darauf an, dass zunächst leere Schneckenhäuser zum Einsatz kamen.

Das dürfte echten Conkern jedoch herzlich egal sein, solange die Titelkämpfe stattfinden. IJahr 2001 etwa hatte es lange Zeit so ausgesehen, als ob die WM ausfallen müsste. Daran ist nicht etwa die in Deutschland weit verbreitete Kastanien tötende Miniermotte schuld, denn die ist in Großbritannien noch unbekannt.
Vielmehr hatte der heiße Sommer schlicht dazu geführt, dass die ohnehin sehr alten und entsprechend wenig Früchte tragenden Ashtoner Kastanien in diesem Jahr ziemlich leer blieben. John Hadman, erster Sekretär des Ashton Conker Club, sandte deswegen einen Hilferuf aus, der sogar in Australien in einer Nachrichtensendung verbreitet wurde.
Hadman klagte da,als, der Kastaniennotstand werde nun sogar schon bei Ebay vermarktet. »Aber wir wollen nicht, dass sich jemand mit unserem Problem eine goldene Nase verdient.« Dabei sei der Bedarf wirklich beträchtlich: 3 000 »besonders große und schöne« Kastanien würden durchschnittlich von den Organisatoren vor der WM gesammelt, nur knapp die Hälfte schaffe es jedoch auch wirklich aufs Spielfeld.

Am Ende schaffte man es, dank großzügiger Spenden. Und so wird auch in diesem Jahr geklackert, egal, was kommt.

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