Tour ohne Mann im Ohr

von Elke Wittich

Kein Bild, kein Ton: Auf zwei Etappen der diesjährigen Tour de France werden die Teams testweise ohne moderne Kommunikationsmittel auskommen müssen. Offizielle Begründung: Sicherheitsaspekte – Experten vermuten jedoch eher, dass der Sport künstlich spannender gemacht werden soll.
Etappe 10 und Etappe 13 der Tour 09 haben auf den ersten Blick nichts gemeinsam: Bei ersterer handelt es sich um eine flache Strecke, die von Limoges nach Issoudun führt, die zweite, von Vittel nach Colmar, ist dagegen eher eine Sache für die Bergfahrer. Auf beiden Etappen wird allerdings ein Experiment stattfinden, wie der Internationale Radsportverband UCI jetzt mitteilte: Die Fahrer dürfen nicht mit dem berühmten Knopf im Ohr, also der direkten Telekommunikations-Verbindung zum Team, an den Start gehen. Und die Team-Wagen müssen ohne den eingebauten Fernseher auskommen, der normalerweise einen guten Überblick über das aktuelle Renngeschehen garantiert.

Die direkte Kommunikation mit Trainern und Teamleitung war in den neunziger Jahren von Lance Armstrong und seiner damaligen Motorola-Mannschaft perfektioniert worden. Seither erhalten die Fahrer nicht nur die jeweils aktuellen Informationen über den Gesamt-Stand eines Rennens, sondern auch gezielte taktische Anweisungen, zum Beispiel darüber, ob sie einen Angriff wagen oder beispielsweise Ausreißer davonziehen lassen sollen. Dazu kommen die neusten Wetterberichte und ähnliche für die Planung des weiteren Rennverlaufs nützliche Informationen.
Die französische Radsport-Legende äußerte sich kürzlich in einem Gespräch mit der New York Times abfällig über die Kommuniktationsmethoden im Radsport: „Ich bin dagegen. Es ist doch bloß ein Gameboy mit einem Gigolo am anderen Ende, der dem Fahrer sagt, wann er aufs Klo muss“, polemisierte er.
Der des französische Radsport-Verbandes LCPF hatte seine Meisterschaft bereits nach den möglichen neuen Regeln veranstaltet, Ohrstöpsel waren dabei genau so wenig erlaubt gewesen wie TV-Apparate in den Teamfahrzeiugen. Marc Madiot, Präsident des LCPF, sagte vor kurzem, ein Verbot von Handys und Auto-Fernsehern würde zu mehr Selbstbestimmung der Fahrer und höheren taktischen Anforderungen führen. Es sei dann „endlich wieder notwendig, vor dem Start das jeweilige Streckenprofil zu studieren, wie wir es damals taten, bevor der technische Fortschritt seinen Einzug hielt.“ Auch Sportdirektoren seien wieder mehr gefordert, „denn ohne die Telekommunikation muss so ein Briefing am Morgen perfekt sein, da es keine Möglichkeit mehr gibt, die Anweisungen an die Fahrer während des Rennes zu korrigieren.“ Wenn ein Teamchef seinen Leuten etwas zu sagen habe, dann müsse er eben wie früher mit dem Auto zu ihnen hinfahren anstatt nur kurze Mitteilungen in das Mikrophon seines Headsets zu rufen.

Was für den Zuschauer spannendere Rennen bedeuten könnte, wird von den Fahrern selber allerdings skeptisch gesehen: 70 Prozent sprachen sich bei einer Umfrage der Cyclistes Professionnels Associés (CPA) gegen ein Verbot der direkten Kommunikation mit dem Team aus. Hauptgrund für die Ablehung der möglichen Neuerung sind Sicherheitsbedenken, da man befürchtet, nicht rechzeitig vor Gefahren gewarnt werden zu können.
Bei der französischen Meisterschaft war es aufgrund der verbotenen Kommunikation nicht zu Unfällen gekommen, Sieger Dimitri Champion erklärte hinterher, er habe eigentlich nur das Gefühl, Stöpsel in den Ohren zu haben, vermisst.

Und so werden Radrennen dann demnächst komplett ohne moderne Kommunikations-Medien ausgetragen. Natürlich nur, wenn sich auch alle an das Verbot halten – findige Teamchefs und Fahrer werden sicherlich schon überlegen, wie man Sender und Empfänger unauffällig mitführen und benutzen kann…

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