The Hebrew Hulk

von Elke Wittich

Wrestling gilt in Europa nicht wirklich als Sport. Und dazu noch als als öde. Großer Fehler, denn die Stars des Genres sind häufig interessanter als alles, was insgesamt in durchschnittlichen Erstliga-Fußballteams, inklusive Reservisten, so herumspringt.
Die Geschichte des Ex-Wrestlers Bill Goldberg ist dafür ein gutes Beispiel.

Damit, dass ihr Sohn Bill professioneller Wrestler werden würde, haben Ethel und Jed Goldberg vermutlich nicht gerechnet. Ge­boren am 27. Dezember 1966 in Tulsa, wuchs der künftige Weltmeister im Showringen in einem Elternhaus auf, dessen Prioritäten deutlich andere waren, als in kurzen Hosen und martialisch geschminkt Gegner im Ring zu verprügeln. Mutter Ethel war Konzert-Violinistin und Pflanzenliebhaberin, die sogar eine eigene Orchidee namens Goldberg züchtete, Vater Jed hatte in Harvard studiert und war Gynäkologe.

Körperlich nach seinem Großvater geratend und »schon bei seiner Bar-Mitzwa der größte der Jungs«, wie Rabbiner Charles Sherman sich später erinnerte, hatte Bill allerdings bald die perfekte Statur eines Football-Jugendspielers. Als er 1985 das College verließ, rissen sich die Universitäten um das Jungtalent. An der University of Georgia spielte er drei Jahre in Folge in der Startelf – und machte gleichzeitig seinen Abschluss in Psychologie.

Dann geriet die professionelle Football-Karriere allerdings zum Fiasko. Mit 132 Kilo hatte Goldberg einfach nicht die für einen Verteidiger in der National Football League NFL nötige Masse. 1990 wurde er zwar von den Los Angeles Rams verpflichtet, mach­te jedoch kein einziges Spiel für das Team.

Nach zwei Jahren auf der Ersatzbank wechselte er zu den Atlanta Falcons, wo er nur etwas erfolgreicher war. Nach einer schweren Verletzung im Bauch­raum beendete er sein Leben als Footballprofi und wurde Trainer in einem Fitnesscenter in Atlanta.

Zufällig traf er dort einige Wrestler, die ihn überredeten, in »The Power Plant«, dem Gym des Wrestlingverbandes WCW, vorbeizuschauen. Der ehemalige Footballspieler erwies sich rasch als Talent, schon bald gehörte er in der in gute und böse Kämpfer aufgeteilten Welt des Wrestlings zu den »good guys« und durfte regelmäßig bei den im Kabelfernsehen live ausgestrahlten, enorme Einschaltquoten erreichenden Montagskämpfen antreten.

Er versäumte in seiner gesamten Karriere nur eine Show, als Rosh-Hashana auf einen Montag fiel. Ansonsten bezeichnete er sich einmal als »so unreligiös, dass es schon fast nicht mehr feierlich ist«. Er sei allerdings immer sehr stolz darauf gewesen, Jude zu sein, fügte er hinzu, »und stolz auf unsere Traditionen«.

Und auf seinen Nachnamen, der ihm zu Beginn seiner Wrestlingkarriere allerdings zu wenig Furcht einflößend erschien. Damals habe er ernsthaft ganz kurz darüber nachgedacht, unter dem Künstlernamen »Mossad« in den Ring zu steigen, lacht Goldberg rückblickend.

Während Wrestling in den USA nach wie vor sehr populär ist, besteht die Sportart noch heute für die meisten Deutschen im Großen und Ganzen aus Hulk Hogan, auch wenn der blonde Riese schon lange nicht mehr aktiv ist. Der Mann, der hierzulande so bekannt ist, dass MTV Deutschland die US-amerikanische, an »The Osbournes« angelehnte Reality-Soap über das Leben der Familie Hogan übernahm, war allerdings nicht der beste Wrestler seiner Zeit. 1998 musste er sich im Kampf um den Weltmeistertitel im Schwergewicht seinem Konkurrenten Goldberg geschlagen geben.

Der ehemalige Profi-Footballer Bill Goldberg war zu diesem Zeitpunkt der populärste jüdische Sportler der USA, auch wenn Wrestling selbst in den USA nicht von jedem als richtige Sportart angesehen wird. »Natürlich, ob Goldberg Hogan wirklich im Wortsinn besiegte, hängt wohl in erster Linie von der Gutgläubigkeit und dem Alter des Betrachters ab«, kommentierte die Zeitung Jewish News Weekly damals und fuhr fort: »Wie Dorothy im ›Zauberer von Oz‹ muss man schon daran glauben wollen«, denn die Wrestling-Shows hätten mit Sport und Wettkampf ungefähr genauso viel zu tun wie »ein Fechtkampf in einem Stück von Shakespeare«.

Goldberg selber bezeichnete sich und seine Wrestling-Kollegen als »hochbezahlte Choreographen, die keine Fakes veranstalten. Wir schau­spielern nur ein bisschen, aber gleich­zeitig ist das, was wir tun, mindestens genauso gefährlich, wie es aussieht.«

Wrestling lebt von den Fehden zwischen verschiedenen Akteuren, die im Ring ausgetragen werden. Martialisch angekündigt und kommentiert, begeistern sie das Publikum. Natürlich seien diese Rivalitäten übertrieben, gab Goldberg einmal zu, aber gleichzeitig seien sie »so real, wie sie nur sein können«.

Vermutlich weil die Kämpfer hoch trainierte Sportler sind, die wie alle Athleten lieber gewinnen als verlieren, zumal spektakuläre Siege den eigenen Marktwert erhöhen. Selbst abgesprochene, choreographierte Kämpfe bergen ein hohes Verletzungsrisiko. Goldbergs Frau Wanda Ferraton, eine bekannte Stunt-Darstellerin, beklagte einmal, ihr Mann habe in seiner gesamten Zeit als Football-Profi nicht annähernd so schwere Blessuren erlitten wie in seiner Wrestling-Karriere.

Er sei in seiner gesamten aktiven Zeit niemals blöde angemacht worden, weil er Jude war, sagte der Show-Ringer Goldberg nach dem Ende seiner Karriere dem San Diego Jewish Journal. Als er zum ersten Mal bei einer Show in den Südstaaten auftrat, habe er »zwar gedacht, dass dort ein Lynchmob auf mich warten könnte, aber das waren nur dumme Vorurteile von mir – die dortigen Fans empfingen mich begeistert, manche hatten extra für mich Plakate mit dem Davidstern gemalt«.

Und so waren auch israelische Fahnen bei den Kämpfen des manchmal als »Hebrew Hulk« bezeichneten Sportlers bald ein gewohnter Anblick. Er sei »nicht der einzige jüdische Wrestler« gewesen, gibt er bereitwillig zu, »nur der erfolgreichste«. Seine Beliebtheit beim Publikum führt er noch heute darauf zurück, dass er »nach Veranstaltungsende so problemlos vom aggressiven Kämpfer zum freundlichen, bereitwillig Autogramme schreibenden Star umschalten konnte«.

Die Sportart Wrestling muss seit 2004 ohne ihn auskommen, aber nicht ohne jüdische Kämpfer. Mittlerweile wurde eine eigene Jewish Wrestling Federation gegründet, die ­bereits einige Sportler unter Vertrag hat. Goldberg kommentiert noch hin und wieder Kämpfe, widmet sich aber hauptsächlich seinen vielen anderen Interessen. An der Seite von Adam Sandler spielte er 2004 im Film »The longest Yard« mit und hatte in der Folge Gastauftritte in Serien wie »Desperate Housewives« und »Law & Order«. Dazu engagiert er sich in sozialen Fragen und im Tierschutz. Ein Star zu sein, sagte er einmal, »führt dazu, dass man ein Vorbild wird, und als Vorbild hat man Verantwortung. Ich nehme diese Verantwortung mit offenen Armen an.«

Kommentare

1 Kommentar zu “The Hebrew Hulk”

  1. abraham schönberg am 02.05.09 13:14

    wir jüden habens drauf

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