Terek, vperjod!

von Ute Weinmann

Beim letzten Premier-Liga-Spiel des tschetschenischen Fußballclubs Terek gegen den FK Moskwa fiel zwar kein einziges Tor, dafür machten die Moskauer Fans kräftig Stimmung gegen die Gäste aus dem Kaukasus. Es begann mit einem relativ harmlosen „Vperjod, Jermolow!“ – „Vorwärts, Jermolow!“ Gemeint ist der gemeinhin in Russland als Eroberer Tschetscheniens unter dem Zaren Nikolaj I gefeierte General Jermolow.

Weil die alten Geschichten offenbar niemanden wirklich betroffen machten, gingen die russischen Jungpatrioten zum verbalen Angriff gegen den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow über. Als auch darauf hin das offenbar gewünschte Ergebnis ausblieb, ertönte ein Sprechchor „Allah – pideras, Moskwa ne Kawkas“. Dass Moskau nicht der Kaukasus sei, gehört in der russischen Hauptstadt zu einer der gängigsten Redewendungen. Aber den Gott des Islam mit einem der übelsten Schimpfwörter im modernen russischen Sprachgebrauch zu belegen, welches von Homosexualität bis abgrundtiefer Dummheit alles Negative beinhaltet, was im Vorstellungsvermögen eines Durchschnittsbürger Platz findet, ging dann doch zu weit. Zwar blieb es bei einem kleinen Zwischenspiel auf der Reservebank von Terek, von wo eine Plastikflasche in Richtung der Beleidiger flog. Aber der Vorfall war laut spärlicher russischer Presseberichte dank der beschwichtigenden und professionellen Einmischung der Miliz schnell beendet.

Weit ausgiebiger ging die russische Presse hingegen auf einen Vorfall vom März diesen Jahres vor dem Spiel von Terek gegen die „Krylja Sowjetow“ aus Samara im heimischen Stadion in Grozny ein. Als Anlass diente der Umstand, dass die russische Hymne nicht zu Ende gespielt wurde. Angeblich, so die Berichte, hätten tschetschenische Fans so laut gepfiffen, dass die Organisatoren sich zum Nachgeben gezwungen sahen. Blogger berichteten indes, dass der Grund schlicht im Versagen der Stadionleitung zu suchen sei, die nicht auf die Zeit geachtet habe und die Hymne vorzeitig abbrechen musste, um das Spiel auf die Minute pünktlich beginnen zu lassen. Wie dem auch sei, das Verhalten der Moskauer Fans am vergangen Sonntag löste im Unterschied zu den Märzereignissen nicht einmal einen Hauch von Kritik aus.

Dass trotz vermeintlicher Befriedung der tschetschenischen Republik nach einem jahrelang andauernden Krieg und einer mehr der Raison zur Beibehaltung der russischen Staatsgrenzen, als einer tatsächlichen Annäherung geschuldeten Freundschaftspolitik, rassistische und beleidigende Ausfälle zum Ritual geraten, ist eine Tatsache. Das liegt allerdings weniger an der Zusammensetzung der Mannschaft. Die besteht nämlich nur teilweise aus tschetschenischen Spielern, vielmehr gehören ihr neben etlichen russischen Fußballern auch zahlreiche ausländische an, beispielsweise aus Rumänien, der Slowakei und der Ukraine.

Der Club begeht dieses Jahr sein fünfzigjähriges Jubiläum, der eigentliche Aufstieg liegt aber gerade mal vier Jahre zurück. Als nämlich der vormalige Zweitligist Terek die Elf aus Samara mit 1:0 besiegte und damit das Pokalendspiel gewann. Dem Aufstieg des Phönix aus der Asche ging jedoch eine kräftige Finanzspritze aus dem staatlichen Budget für den Wiederaufbau der vom Krieg völlig zerstörten Kaukasusrepublik voraus. Der damalige Präsident Achmat Kadyrow machte den Fußball made in Grozny zu seiner Chefsache und ersparte dem Club somit unangenehme Finanzprüfungen. Tschetschenische Islamisten deuten den Erfolg von Terek einzig als Verdienst der Kremlpolitiker, die den Verein für ihre propagandistischen Ziele einsetzen. In dem Fall mögen sie sogar Recht haben, aber immerhin sorgt Terek für eine Präsenz Tschetscheniens in der russischen Öffentlichkeit jenseits der klassischen Ressorts Politik und Kriminalität.

Am 23. Juli steht der nächste Auftritt von Terek an, dieses Mal gegen Rubin, die Mannschaft aus Kasan, der Hauptstadt von Tatarstan.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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