Einige der offenen Fragen rund um das Spiel zwischen St. Pauli und Hansa Rostock sind für juristische Laien kaum zu beantworten: Hätte sich St.Pauli über die Empfehlung der Hamburger Polizei hinwegsetzen können und dürfen? Dürfte ein St- Pauli-Fan theoretisch eine Eintrittskarte an einen Rostocker abgeben? Sind Boykottaufrufe eigentlich strafbar? SportsWire fragte beim Münchner Rechtsanwalt Thomas Stadler nach…

Vielen Dank, dass Sie sich kurzfristig Zeit für unsere Fragen genommen haben. Und los gehts: Der Verein St. Pauli hat sich der Einschätzung der Polizei angeschlossen und wird nur ein minimales Kartenkontingent an die Fans von Hansa Rostock abgeben. Wie ist die Rechtsauffassung der Hamburger Polizei in diesem Fall zu bewerten? Darf man Fans aus einer Stadt pauschal ausschließen?

Thomas Stadler: Die Frage ist für mich zunächst, ob die Polizei- oder Sicherheitsbehörden das verbindlich angeordnet haben – also förmlich durch Verwaltungsakt – oder ob es sich nur um einen “Ratschlag” an den Verein gehandelt hat.

Hätte sich der Verein der Polizei wiedersetzen können? Mit welchen Konsequenzen hätte St. Pauli in einem solchen Fall rechnen müssen?

Stadler: Wenn es eine förmliche Anordnung gewesen wäre, hätte der Verein sich vor dem Verwaltungsgericht dagegen wehren müssen. Solange es nur eine “Bitte” der Polizei war, war das für St. Pauli auch nicht verbindlich.

Ein sehr theoretisches Beispiel: Ein Rostocker läßt sich von einem Hamburger Freund eine Karte für das Spiel besorgen. Er gelang auch zu seinem Platz, aber nach dem Anpfiff wird entdeckt, dass er aus Rostock ist. Was würde in einem solchen Fall passieren könne, müsste er das Stadion verlassen? Und müsste er mit einer Anzeige rechnen, wenn ja, wegen was?

Sofern kein förmliches Stadionverbot besteht, wäre m.E. dagegen nichts zu sagen. Gegen den Fan bestünde auch keine Handhabe.

Ende vorigen Jahres hat der BGH ein Urteil gefällt, in dem bundesweite Stadionverbote für rechtmäßig erklärt wurden (http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,658328,00.html). Welchen Erfolg würde eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil haben?

Stadler: Die Frage ist mir jetzt ehrlich gesagt zu kompliziert. Das Urteil des BGH habe ich vor einiger Zeit mal quergelesen. Um dazu eine halbwegs vernünftige Einschätzung treffen zu können, müsste man das Urteil genau analysieren.*

Bei den Stadionverboten wird immer mit dem Hausrecht argumentiert, wobei die Vereine der ersten vier Ligen in Deutschland einander das Hausrecht übertragen, um ein von einem Verein erteiltes Hausverbot bundesweit Gültigkeit zu verschaffen. Wenn man aber nun zB in einer Kneipe Hausverbot bekommt, darf man sehr wohl noch alle anderen Kneipen der Bundesrepublik besuchen – könnten sich nun alle Besitzer von Gaststätten zusammenschließen, um ebenfalls bundesweite Hausverbote zu erteilen?

Stadler: Ich glaube, dass der Vergleich schon hinkt, denn die deutschen Kneipen sind ja nicht über den Ligabetrieb rechtlich und faktisch miteinander verbunden. Bei solchen Fans ist außerdem schon die nicht ganz fernliegende Möglichkeit gegeben, dass sie zu Auswärtsspielen reisen und deshalb in einer Saison prinzipiell in allen Stadien auftauchen können. Wenn man Hooligans ausschließen will, dann geht das effektiv vermutlich nur bundesweit.

Einige Fans wünschen sich einen Boykott des Spiels. Ist es generell erlaubt, zu Boykotten aufzurufen oder könnte dies zu rechtlichen Konsequenzen führen?

Boykottaufrufe können von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Das gilt vor allen Dingen dann, wenn sie nicht mit wirtschaftlichen Machtmitteln durchgesetzt werden sollen. Ein Fanaufruf zum Boykott eines Spiels wegen des Verhaltens eines Vereins, die Fans des auswärtigen Clubs nicht zuzulassen, wäre m.E. rechtlich nicht unbedingt zu beanstanden.

Viele Städte sind im Besitz der jeweiligen Stadien, die auch für den Unterhalt aufkommen, gehören also der Allgemeinheit. Dass eine Hausordnung regelt, in welchen Fällen jemand ein Stadion nicht betreten oder sofort verlassen muss, ist klar – darf aber ein Verein für den ihm nicht gehörenden Ort eigene Regeln aufstellen?

Stadler: Das ist eine Frage des Hausrechts. Die Stadt hat das Hausrecht im Regelfall an den Stadionbetreiber übertragen bzw. diese Übertragung folgt aus dem abgeschlossenen Miet- oder Nutzungsvertrag.

Dürften demnach Nazis für ein von ihnen genutztes städtisches Gebäude eigene Regeln aufstellen und beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang verbieten?

Hier sind wir dann im Bereich der Diskriminierung und der BGH hat ja in seiner Entscheidung auch betont, dass Stadionverbote nicht willkürlich und diskriminierend sein dürfen. Also der generelle Ausschluss von Menschen mit Migrationshintergrund – egal durch wen – kann, soweit es um den Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen geht, kaum sachliche Gründe haben und ist deshalb wohl immer diskriminierend.

*Demnächst folgt dann eine ausführlichere Antwort zu dem Thema

Thomas Stadlers Blog findet sich hier

Kommentare

3 Kommentare zu “St. Pauli vs Rostock – Interview mit einem Juristen”

  1. Stichwort “Fanrechte” « Fabulous Sankt Pauli am 03.19.10 08:46

    […] stieß ich über twitter auf ein kurzes Interview mit Rechtsanwalt Thomas Stadler zum Thema „Fanrechte“, das ich auch nicht wesentlich erhellender fand, als das […]

  2. Stichwort “Fanrechte” « Fabulous Sankt Pauli am 03.19.10 09:10

    […] stieß ich über twitter auf ein kurzes Interview mit Rechtsanwalt Thomas Stadler zum Thema „Fanrechte“, das ich auch nicht wesentlich erhellender fand als das […]

  3. NPD-BLOG.INFO » Blog Archive » St. Pauli: “Rechtsradikale Rostocker” sorgen für Ärger am 03.20.10 17:57

    […] der rechtliche Hintergrund der Geschichte derweil aussieht, ist bislang vollkommen unklar. Auf Sportswire sagte der Münchner Rechtsanwalt Thomas Stadler dazu, die Frage sei “zunächst, ob die […]

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