Heute kommen wir zum Titelverteidiger in den Disziplinen “Bestes Bundesliga Sonderheft” und “Stecktabelle”. Letzterer Titel wird dem Kicker auch dieses Jahr nicht zu nehmen sein und dürfte für viele auch wieder das Kaufargument gewesen sein, selbst wenn sie keine Zeile im Heft gelesen haben sollten.

Er, der Sonderheftkicker, also er ist genau so wie er immer war und das ist gut so. Sollte man zehn Dinge aufzählen, die sich nie ändern und unserem losen wechselhaften Leben in ihrer felsenfesten Beständigkeit Halt geben, dann wären in dieser Top10 sicherlich das Sandmännchen, Maggi und das Kicker Saisonsonderheft vertreten.
Das Heft hat übrigens die definitv miserabelste Optik der drei Testkandidaten, es sieht aus wie ein Katalog für Autozubehör.
Das mag am unvermeidlichen Gewinnspiel eines Autoherstellers, dem im Halbumschlagcover eingepappten “Einkaufstaler”, den unzähligen eingestreuten Textfeldern in unterschiedlicher Farbigkeit und Schriftgrösse und Ausrichtung oder zusammenfassend einfach am diletantisch und insgesamt total überladenen Design liegen.
Bei genauem Hinsehen offenbart sich übrigens ein Skandal:
Die im Hintergrund des Covers, also hinter den ganzen Textfeldern, Preisausschreiben und weiteren Programmhinweisen abgebildete Meisterschale ist … von 2004!
5 Jahre alt!

Sprechen wir aber zuerst über das, was wirklich wichtig ist:

Optisch wirkt die Stecktabelle dieses Jahr frischer, fröhlicher durch grün. Die Pappvereinswappen wurden in ihrer herauszudrückenden Form abgerundet, was den Prozess leichter macht und einen nicht soviele verstümmeln lässt. Leider löst sich nach wie vor häufiger die farbige Motivbeschichtung von der Trägerpappe ab, so daß es zu unschönen Hervorlappungen kommt, die über das Jahr beim Ein- und Umsteckprozess sich immer weiter verschlimmern, bis sie schliesslich zu einer Vollablösung und Totalverlust des Wappens führen.
Tipp: frühzeitig die lose Ecke kontrolliert entfernen, nötigenfalls mit Klebstoff sichern oder vor der Saison schon einmal das Vorhandensein eines Ersatzwappens aus der letzten Saison prüfen, diese evtl. über mehrere Jahre aufbewahren, nach Zehnjahresfrist ohne Gebrauch kann das Emblem dann gewöhnlich entsorgt werden. Cottbus muß nicht aufehoben werden, die kommen nicht wieder und können auch in der laufenden Spielzeit in der zweiten Liga gut durch einen in Plättchen und Pappe gefassten erloschenen Flutlichtmast ersetzt werden (Hannoveraner wissen worum es geht (entsprechende Ersatz- Schmäh- und Glorifizierungsstecktabellenembleme zum Ausdrucken und Ausschneiden werden ca. zur Winterpause hier rechtzeitig veröffentlicht)).
Die Einsteckschlitze lassen sich dieses Jahr relativ gut öffnen, es hat allerdings in der Beziehung auch schon bessere Jahre gegeben. Diese Einsteckschlitze sind geräumig evtl. zu geräumig, um den Pappplättchen ausreichend Halt zu geben. Wohl nur meinem persönlichen Ungeschick ist ein grossflächigeres Einreissen des für den Wappeneinschub vorgesehenen Wappeneinschubschlitzes beim zweiten Platz der dritten Liga zuzuschreiben, evtl. handelt es sich aber auch um strukturelle Schwäche. Die Stecktabellenforschung muß solche Unwägbarkeiten endlich in den Griff bekommen.
Aber, das wirklich Fatale: Es gibt, was nach dem Aufhängen sofort auffällt, zuviele Nachvornkipper, das sind jene Wappen, die aufgrund eines ungünstigen Zusammentreffens von Einsteckschlitz auf der Vorderseite und den durch das Herausstanzen entstandenen Hohlräumen auf der Rückseite keinen Halt finden und am Kühlschrank ein bißchen entsprechend haltlos nach vorne kippen.
Übrigens ist auch die 3.Liga wieder mit auf der Stecktabelle, Anhänger von Vereinen aus der Regionalliga äussern bereits Begehrlichkeiten dahingehend.

Vielleicht wäre es ein schönes Angebot eine weitere nicht näher spezifizierte Liga auf der Stecktabelle vorzusehen, die dann mit selbst von der Kicker-Website herunterlad-, ausdruck- und -schneidbaren Wappen für jede beliebige Spielklasse genutzt werden könnte. So könnten auch beispielsweise Anhänger der in einer 7.Liga kickenden Eintracht Zankhausen diese ihnen persönlich und emotional so nahestehende Liga neben den Profispielklassen auf der Kicker-Stecktabelle unterbringen?

Zum Heft: wie letztes Mal, wie immer!

Damit könnten wir schon am frühen Ende angelangt sein, aber wir sitzen gerade so gemütlich beisammen…

Erwähnenswert:
Was Felix Magath so über seinen neuen Verein zu sagen müssen glaubt:
“Schalke ist nach dem FC Bayern München der Verein mit der größten Bedeutung und- es ist noch ein Verein. Hier gibt es Emotionen und Leidenschaft.”
Hier gibt es Gazprom und ein leicht megalomanisches Stadion, die gesamte gefühlte Distanz zum eigenen Nimbus ist bei Schalke vielleicht so groß wie bei kaum einem anderen Verein, aus der Entfernung gesehen, wo mir ja bisweilen auch die eigenen Anhänger zu stehen scheinen…
Das mit der “Bedeutung” eines Vereines wird allerdings naturgemäss an vielen unterschiedlichen Orten auch viel und unterschiedlich bewertet.
Und überhaupt, das ganze andere unbedeutende Vereinskroppzeug soll sich mal zusammenreissen und endlich Emotion und Leidenschaft entwickeln, sonst setzts was!
Okay, das mit der Emotion und Leidenschaft wäre ich der Mannschaft von Hannover 96 schon mal gelegentlich ins Gästebuch zu schreiben bereit.

Es gibt also eigentlich als übervereinlichen Teil nur eine Erklärung der neuen Anstosszeiten, für die übrigens nebenbei das Bundeskartellamt verantwortlich gemacht wird, und ein Interview mit Felix Magath, nicht gerade ein Alleinstellkungsmerkmal dabei.
Dann noch eine hübsche Idee: auf einer Doppelseite, welcher Trainer trifft seinen Exverein wieder, welcher Spieler seine Exkollegen,, es hat halt nur einen Haken: eigentlich treffen in der Bundesliga jeden Spieltag so derart unzählige Spieler auf einen Extrainer, ein Extrainer auf ein Expublikum, ein Exschwein in Form kleiner Rollen auf einen Exstudenten mit Schürze und Grillzange… daß nur die jeweils eingefleischtesten Fans darüber überhaupt noch einen Überblick haben.

1.Liga / Mannschaftsbilder

Für jeden Verein eine Doppelseite mit Hintergrundbericht, Interview Aufstellungsdiagramm und Fazit.
Jeder Hintergrundbericht verstömt den charmefreien aber beruhigenden Geruch von Kompetenz und Seriosität.
Die Texte sind mal besser mal schlechter und machmal sogar auch mal unterhaltsamer geschrieben.
Man erkennt übrigens wie wesentlicher Bestandteil des Ganzen das Mannschaftsbild ist, welches beim Kicker lobenswerterweise konsequent für alle Teams aller drei Ligen vorhanden ist.
Hier wird ein neuer Trend deutlich, den gesamten endlosen Betreuerstab mit zwischen die Spieler zu stellen. Wo früher lediglich der Trainer seinen Platz hatte, da rahmen diese Leute heute die Mannschaft geradezu beengend von allen Seiten ein oder bekommen eine ganz eigene Reihe.
Man kann auch aufgrund der Bilder zahlreiche wundervolle Betrachtungen anstellen, wie der Trainer eingekleidet wurde, mit Distanz zu den Spielern im Anzug mit Krawatte oder leger ohne, oder gar die besondere Nähe zum Team symbolisierend in Sportsachen.
Die Farbenspiele bei der unterschiedlichen Kleidung unterschiedlicher Funktionen im Team sind immer wieder überraschend und von teils psychedelisch irrer Schönheit. In dieser Kategorie geht übrigens ein Sonderpreis an Borussia Dortmund, die ihre Torwärte im gelben Feld als den perfekten Eyecatch- and -twister inszenieren.

Meine Theorie besagt, daß nur der Torwart zu Nationaltorwart taugt, der beim Mannschaftsbild genug Selbstbewußtsein aufbringt, um eine einigermassen natürliche Sitzhaltung einzunehmen und nicht jede Sitzhaltungssouveränität den sämtlichen Schriftzügen der Ausrüster zu opfern. Das spräche allerdings ganz deutlich für Jens Lehmann, der so derart verträumt zusammengesunken scheint als habe er komplett vergessen, daß wahrscheinlich auch auf seine Handschuhe einer dieser Sponsoren aufgedruckt ist. Oder er hatte dieses Arbeitsgerät am Tag des Fototermins schlicht vergessen und fummelt eben deshalb ein bißchen verschämt auf der abgewandten Seite der Sponsorenpoolbande herum.
Viele Torwärte machen nicht gerade eine glückliche Figur bei dieser Königsdisziplin des Mannschaftsphotosposierens. Sie müssen den Ball mit Herstellernamen halten, das richtig herum und gleichzeitig die Handschuhe auch ins Bild bekomen.
Es sieht schon ziemlisch panne aus, wie Frank Rost die Handschuhe mit “reusch”-Schriftzug in völlig unnatürlicher Körperhaltung auf höher angesiedelten imaginären Knien ruhen lassen will, um den Hersteller nicht hinter der offensichtlich unbedacht hohen Bande verschwinden lassen zu müssen.

Sovieles lässt sich auf diesen Bildern entdecken, wo man doch schon dachte, ihnen sei jede Anarchie und jedes Unterhaltungspotential ausgetrieben.
Entsprechend harsch ist die Reaktion des Kicker auf das Unvorhandensein eines Mannschaftsphotos von Dynamo Dresden, geradezu gemaßregelt wird der Verein in der Bildunterschrift.
Dabei ist doch gerade dieses Bild auch eine Gelegenheit für jedes Team, sich selbst zu charakterisieren (Oberhausen vor Förderturm) oder die Sponsoren jetzt auch wirklich komplett und alle ins Bild zu bekommen. Innovationspreis: Wuppertaler SV. Weil nicht jeder Geldgeber auf die Bande passte und auch schon drei Koffer aufgetürmt wurden und immer noch nicht alle zu sehen waren, wurde wohl kurzerhand und originellerweise der Mannschaftsbus in den Hintergrund gefahren, wo die noch fehlenden aufgeklebt sind.

In diesem Bereich beweist übrigend VW Kompetenz im Reklamebereich. Ich würde es schon beinahe Werbung nennen. Es gibt einen auf jede Mannschaft speziell zugeschnittenen Text, was mit einem speziellen Modell aus der Produktpalette auch der vergangenen Jahrzehnte kombiniert und einem wichtigen Jahr der Vereinsgeschichte querverknüpft wird. Diese Erwähnung hat sich das Konzept wirklich verdient. Damit sich trotzdem keine anderen Automobilhersteller bei uns beschweren: VW hat früher wirklich deutlich schönere Autos gebaut!

Es folgt der sechsseitige Statistikteil, die Erkläung des Kicker-Managerspieles, eine Umfrage und dann geht es auch schon in die zweite Liga..

2.Liga

Eine halbe Seite einleitender Artikel
Ein Interview mit den Trainern der drei Absteiger, dann Hintergrundbericht über jeden Verein in der sagenhaften Länge einer Drittelseite.
Dann aber noch zwei Seiten pro Team, incl. Mannschaftsfoto!

Drei Seiten Statistiken eine Seite DFB-Pokal…

3.Liga

… eine Seite Mehmet Scholl, dann eine Seite für jeden Drittligaverein, dafür aber wieder mit Mannschaftsfoto!

Drei Seiten Statistiken incl. Regionalliga.

Der Rest der Welt

Drei Seiten Frauenfußball, drei Seiten Schiedsrichter, eine Seite über “Legionäre”, zwei über UEFA Fünfjahreswertung, dann alle Abschlusstabellen aus Europa und der WM-Qualifikation, alle, ein Artikel über die Nationalmannschaft, Terminplan und einen immerhin ein bißchen lustigen Text von Django Asül.

Coffeetableability: Das Kicker-Sonderheft sieht aus wie ein Autozubehörkatalog, schlecht designt, überladen und irgendwie schrecklich. Jedoch wird jeder fußballaffine Besuch gleich ein Gesprächsthema haben…
`Kippen die Wappen bei Dir dieses Jahr auch so?´
`Schon ne Kickermanagermannschaft?´
Ausserdem strahlt das Heft eine derartig beruhigende Vertrautheit aus, daß sein Vorhandensein auf dem Couchtisch sich jedermann gleich wie zuhause fühlen lassen wird und die eigene Wohnung doch eigentlich erst zu einem Heim macht.

Dieses Jahr ist die Kicker Stecktabelle beinah schon etwas kurz gekommen, viel mehr zum Thema letztes Jahr:
http://www.sportswire.de/2008/08/sportswire-test-bundesligasonderhefte-2-kicker/

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