Heute: Der letzte Teil der Rezensionstrilogie, das Sonderheft der “11 Freunde” und damit auch die Auflösung, des grossen Sportswiretests der Bundesliga-Sonderhefte.

11 Freunde Sonderausgabe Saison 2008I09 – 194 Seiten – 4,50 €
Gimmick: 196 Seiten Heft zur Saison Hosentaschenformat

Das Fazit fiel nicht leicht, denn das Ergebnis entspricht nicht den insgeheim gehegten Erwartungen.
Vorurteile waren bereits im ersten Teil ein Thema, nicht immer müssen sie negativen Vorzeichens sein. Sie zwingen aber in beiden Fällen zu besonders kritischer Betrachtung.
Kommen wir also zum Testsieger der Herzen… eine abgeschmackte Floskel muß auch auf SportsWire mal erlaubt sein, dem Bundesliga-Sonderheft der “11 Freunde”.

Äusserlichkeiten

Das Heft sieht besser aus als die anderen, dank des Rückens kann es auch im Regal ansonsten auch auf dem Couchtisch überzeugen. Das Cover ist zwar in der Unfarbe Gold gehalten, in Verbindung mit dem ausgesprochen graphisch wirkenden Schriftbild in schwarz und weiss und ohne Foto bzw. Bild, macht das aber trotzdem einen sehr guten Eindruck.
Man erkennt bereits jetzt das andere Selbstverständnis des Magazins. Wo Kicker und SportBild um den Kunden buhlen und auch unentschiedene und Spontankäufer noch auf ihre Seite zu ziehen versuchen, nicht durch die Qualität des Designs, oder innovative Inhalte, sondern durch Superlative und Versprechungen oder auch schlicht durch die Stecktabelle…, da wendet sich die 11 Freunde an den reflektierten Käufer. Im Wissen um die eigenen Stärken, kann sie sich ein gewisses Understatement leisten, daß dann umso überzeugender ist, wenn man erst um die hohe Qualität des Inhalts weiß.
Das Papier der 11 Freunde fühlt sich besser an, mehr Buch als Katalog, die Idee vom Fußball auch, mehr Errungenschaft als Erzeugnis.
Der diesmal fehlende Untertitel “Magazin für Fußballkultur” gibt die Philosophie des Magazins treffend wieder. Aktuell wurde er durch die, für die Teilnahme an diesem Test qualifizierende, Zeile: “Sonderheft Saison 2008I09” ersetzt.

Innere Werte

Vorausgeschickt werden muß, das es sich bei diesem Heft um kein ausser der Reihe veröffentlichtes Sonderheft handelt, sondern daß das sowieso erscheinende sich aktuell nur einem Thema, der Bundesligasaison, widmet.
Gerade das ist eigentlich ungwöhnlich, denn üblicherweise überrascht 11 Freunde jeden Monat mit Themenvielfalt. Dabei gehen manche Reportagen bis zu haarscharf am Fußball, wie ihn Kicker und SportBild kennen, vorbei und treffen damit mitten ins Schwarze dessen was er sein sollte, könnte und manchmal sogar ist.
Das Heft allgemein dürfte in großen Teilen sogar immer wieder für jene interessant und lesenswert sein, die sich eigentlich weniger für das Spiel interessieren, Fußball ist schliesslich auch ein soziologisches, gesellschaftliches und menschliches Phänomen.
Schon öfter beschäftigten sich Artikel beispielsweise mit der integrativen Kraft des Fußballs und seiner Bedeutung für Menschen weltweit, deren ausserordentliche Leidenschaft für, und die überbordende Freude am Spiel diametral ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die Hightechschuhe der neuesten millionenschweren globalen Werbekampagne kaufen zu können, entgegen steht.
In den seltensten Fällen sieht Fußball wie bei Premiere aus.
Allgemein steht das Menschliche, das sympathisch Irrationale, das skuril Romantische am Fußball im Fokus der Artikel der 11 Freunde. Statistiken finden hier nicht statt, Benotung oder nüchterne Spielberichte, die Systemdebatte oder Brosamen aus der Gerüchteküche des Sportklatschjournalismus haben keinen Platz.
Zwar haben Spielberichte in einer monatlichen Rubrik ihren festen Platz, dann allerdings scheinbar zufällig ausgewählt mit hervorragenden Fotos zum Beispiel aus der äthipoischen Kreisklasse, der südamerikanischen Championsleague oder von einem südostasiatischen Länderspiel.

Zum Sonderheft

Wie immer eröffnet 11 Freunde mit Vorwort, Inhalt und einer schönen grossformatigen Photostrecke. Dann folgen 18 Seiten teils wundervoller Petitessen.
Ein informativer achtseitiger Artikel über die Deutsche Fußball Liga, DFL, folgt, trotzt des Diktats der, von Fernsehen, Politik und Werbewirtschaft verordneten geringen Aufmerksamkeitsspanne.
Um der entgegenzuwirken braucht es offensichtlich weniger knalliger Effekte, als vielmehr spannender Texte und an denen ist die 11 Freunde reich.
Fünf Seiten Klopp-Interview. Hier wird ge- und noch viel wichtiger, nachgefragt. Fragen werden im ganzen Satz gestellt mit der Absicht des Informationsgewinns.

Humor, teils abseitig

Fotostrecke: Fußballspieler in der Gewalt ihrer Inneneinrichtung. Das hat nun überhaupt keinen Bezug zur kommenden Bundesligasaison ist aber von wundervoll schrägem Humor geprägt, passend dazu gleich im Anschluss der ewig unverstandene Rattelschneck und darob häufig zu Unrecht gescholten. Menschen fühlen sich nun einmal orientierungslos im Humor ohne klar formulierte Pointe als Katharsis. Auch Rattelschneck verweigert sich dieser leichten Konsumierbarkeit und ist dabei wundervoll eigen.

Unverbrauchte Themen

Ein weiterer Artikel mit bisher ungelesenem Thema. Immer mehr Trainer bemühen sich um die ganzheitlichere Wahrnehmung ihrer Spieler. Die Spieler-Psychologie, und damit die sogenannte “Reiss Methode” bekommen mehr Aufmerksamkeit.

Ein Test der Stadionmagazine der Vereine in der 1.Bundesliga folgt. Für den Fan insofern zwar leider uninteressant, da es bei ihm ja nur eines gibt, er also nicht frei wählen darf. Der Test lässt ihn aber seine heimische Publikation kritischer betrachten und manchen erkennen, daß das viel besser geht, mit weit geringerer Cliché- und Plattitüdendichte. Insofern bricht der Test schon eine Lanze fürs Fanzine bzw. macht sich auch um Qualität in der Journalismusnische verdient.

1.Liga

Auf 36 Seiten die Vereinsvorstellungen zwei pro Team, ohne Ansicht des Etats. von Verein oder Sponsor.
Diese Artikel sind allerdings weniger Vorstellung als ein Hintergrundbericht aus jeweils originellen Perspektiven.
Beim FC Bayern geht es um Boulevard-Journalismus, beim 1.FC Köln um einen schwul-lesbischen Fanclub und Christoph Daum, bei Mönchengladbach um die Vermarktung des Bökelberg als Bauland, bei Frankfurt um deren Ultras und bei der Hertha um teilweise geographisch abseitige Orte für Europacupauswärtsspiele.

2.Liga

Es folgt eine weitere schöne Fotostrecke, bevor es auf 36 Seiten um die 2.Liga geht. Wiederum zwei Seiten pro Verein in bereits bekannter Themenvielfalt und Qualität.

3.Liga

Die 3.Liga bekommt keine Vereinsvorstellungen mehr spendiert, dafür sieben Seiten für einen sehr guten Artikel zur neuen eingleisigen Spielklasse.

usw.

Es folgen die monatlich üblichen 11 Freunde Rubriken, wie die Schweigeminute, einen Nachruf auf verstorbene Spieler, der Quiz, selbst der von ausgesprochener Härte mit Fragen jenseits der Kenntnis um die Anzahl der Spieler einer Mannschaft, die Leserbiefe, Kalender und die Günther Hetzer Kolumne, Satire der gelungeneren Art.

Euro 2008

Schliesslich gibt es auf 24 Seiten noch einen Rückblick auf die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz.
Der ist teils wundervoll verschroben, teils kritisch, teils witzig bis brüllkomisch und es gibt ein Novum, eine Statistik. Den Spielplan der EM mit allen Ergebnissen, Toren und Torschützen.
Entlassen werden wir durch Zitate von der Euro 08.
Günther Netzer:
“Der Pfosten ist ein Freund des Torwarts, auf den er sich nicht verlassen kann.”, Poesie.
Miroslav Klose:
“Die Ballverwertungshaltung war nicht da.”, verbale Nacktmullkotze.

Fazit

Das erschreckende Fazit ist, daß das 11 Freunde-Sonderheft der wohl denkbar schlechteste Begleiter durch die Saison ist, dabei aber der literarischste. Kein Artikel ist nicht lesenswert, kein Foto ist überflüssig, die Qualität herausragend.

Nur sucht der Fan eben im Sonderheft Antworten auf seine Fragen nach Spielern, Spielen, Vereinen und Meisterschaften in eher lexikalischer Form, zum Nachschlagen. Er sucht Antworten und Fakten und keine neuen Ideen, spannende Perspektiven oder gut geschriebene Artikel.
Das perfekte Bundesliga-Sonderheft muß muß sich so ganzjährig immer wieder aufdrängen, und wenn es durch besonders präzise Vorhersagen der “Experten” ist, deren spektakuläres Scheitern man gegen Sasionende sich noch einmal vor Augen führen will.
Umso lesenswerter ist das Sonderheft der 11 Freunde, wenn es darum geht, die Freude auf die kommende Saison zu wecken, darauf was Fußball eigentlich ausmacht, die Banalität der alltäglich üblichen Berichterstattung stellt sich früh genug wieder ein.

Gimmick: Heft im Hosentaschenformat

Etwas anderes ist es da schon mit dem Begleitheft in Hosentaschenformat, wenn man die romantische Vorstellung pflegt, daß Fans ihre Vereine grundsätzlich oder zumindest öfter zu Auswärtsspielen begleiten, dann ist es genau dafür der perfekte Begleiter, incl. Miniaturkneipenführer.
In diesem Heft finden auch die Fans Gehör, einer, ein aus irgendeinem Grund repräsentativer, jeden Vereins hat jeweils einen umfangreichen Fragebogen zum Verein ausgefüllt.
Hier gibt es übrigens auch die sowohl sehr kurze wie auch prägnante Vorstellung der Drittligisten incl. Aufstellungsgrafik.

Testergebnis

3. Schweren Herzens muß das 11 Freunde-Sonderheft zum Verlierer des Tests erklärt werden und hoffentlich wird das auch nächstes Jahr so sein und alles daran so bleiben, wie es ist.

2. Den zweiten Platz erhält die SportBild aufgrund der totalen Verweigerung der 11 Freunde gegenüber den traditionellen Gepflogenheiten auf dem Sonderheftsektor und trotz teilweise hahnebüchen dämlicher Artikel.

1. Erster ist der Platzhirsch, die Traditionspublikation im Fußball schlechthin, der Kicker, genau so hat ein Bundesliga-Sonderheft auszusehen. Und langweilig ist es doch!

Kommentare

4 Kommentare zu “SportsWire-Test: Bundesligasonderhefte, 3. 11_Freunde”

  1. Loddars unwilliger Scherge am 08.06.08 14:49

    Sehr schöne Testberichte!

    Allerdings sollte das hervorragende Preis/Leistungsverhältnis der 11 Freunde Ausgabe stärkere Betonung finden.
    Keines der beiden anderen Hefte kann und möchte man tatsächlich “lesen”. Aber im Gegensatz dazu ist es mit dem 11er vorzüglich möglich, einen kompletten, ansonsten ereignislosen 8 Stunden Arbeitstag sinnvoll und vergnüglich zu verbringen.

    Das kann gar nicht genug gelobt werden…

  2. Elke Wittich am 08.06.08 15:06

    Vielleicht sollte man alle drei Hefte kaufen:

    11 Freunde zur Unterhaltung für laaaange, öde Arbeitstage

    Den Kicker für die Klärung der unweigerlich auftauchenden Fragen während der Saison (und um den eigenen Freundeskreis zu testen, ob er es schafft, die Stecktabelle diesmal in Ruhe zu lassen)

    Und Sportbild, naja, weil Komplettierung was Schönes ist und das Dingen halt dazugehört 🙂

  3. Loddars unwilliger Scherge am 08.06.08 15:46

    Ne, die Sportbild nich…

    Vielleicht, wenn ich ausgehungert nach Fussball irgendwo am anderen Ende der Welt säße und keinen Internetzugang hätte und dann noch dem Alkohol etwas zu stark zugesprochen hätte, morgens um halb vier und mich keiner sieht und es das absolut einzige Heft wäre….

    …würde ich eher nen Strandball aufpusten und Spielszenen aus meiner Erinnerung selber nachspielen 😉

  4. Elke Wittich am 08.08.08 03:51

    🙂

    Das musst Du dann aber filmen und dann machen wir da das erste SportsWire-Preisausschreiben draus:
    “Wer errät, welche Szenen dieser leicht angetrunkene Mann da mit seinem komischen großen bunten Ball nachspielt, gewinnt”… hmmm, naja, haben wir wohl noch Zeit, uns was auszudenken 😉

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