Sie begleiten uns traditionell durch die Saison, werden bei Meinungsverschiedenheiten beim Auswärtsspiel in der Premierekneipe zu Rate gezogen oder bei Fragen, auch abseitiger Natur, die sich einem während der Sportschau aus unerfindlichen Gründen plötzlich aufdrängen.
Wieviele Gegner hat der Kahn in seiner Karriere denn nun gebissen, war der Klose nicht mal bei Wacker Aufderhohenhorst oder welcher Verteidiger bei Schalke tritt eigentlich am wenigsten bergmännisch rustikal in die Gegner?

Traditionell war unser Begleiter eben einfach das Kicker-Sonderheft, dem inzwischen aber zwei Konkurrenten erwachsen sind.

Die Testkandidaten unserer Rezensionstrilogie sind:

SportBild Sonderheft Bundesliga 2008-2009 – 244 Seiten – 4,90 €
Gimmick: DVD
Kicker Sonderheft Bundesliga 2008/09 – 250 Seiten – 5,50 €
Gimmick: Die Stecktabelle
11 Freunde Sonderausgabe Saison 2008I09 – 194 Seiten – 4,50 €
Gimmick: 196 Seiten Heft zur Saison Hosentaschenformat

Teil 1 – SportBild

Enzensberger über Bild
Mit den Vorurteilen ist es so eine Sache…
Hans Magnus Enzensberger über die Bild-Zeitung:
“Jede Aufklärung über die Bild-Zeitung ist vergeblich, weil es nichts über sie zu sagen gibt, was nicht alle schon wüssten (…). Bild wird gelesen, nicht obwohl, sondern weil das Blatt von nichts handelt, jeden Inhalt liquidiert, weder Vergangenheit noch Zukunft kennt, alle historischen, moralischen, politischen Kategorien zertrümmert; nicht obwohl, sondern weil es droht, quatscht ängstigt, schweinigelt, hetzt, leeres Stroh drischt, geifert, tröstet, manipuliert, verklärt, lügt, blödet, vernichtet.”
Das schrieb er 1983 und dem ist auch nicht viel hinzuzufügen.
Aber: “Ach, was solls, geht ja nur um Fußball” gedacht und etwas gekauft, wo “Bild” drauf steht.

Über Vorurteile und Kritik
Ein Lehrer hat mal sehr schön erklärt, weshalb das Argument von Schülern `Der hat einfach was gegen mich!´ keine Berechtigung haben kann. Kein Mensch, also auch kein Lehrer, ist frei davon für manche Menschen Sympathien zu hegen und für manche nicht. Wenn er für einen Schüler allerdings keine hat, dann wird er sich um besonders faire, besonders korrekte und mitunter vielleicht sogar besonders wohlwollender Beurteilung bemühen, um nicht angreifbar zu sein.

Kommen wir also zur SportBild:
Da wird sich schon mancher im Regal zunächst vergriffen haben, was den Aufdruck “Das Original seit 1963” auf dem Kicker-Sonderheft erklären dürfte. Wo der aber immer so aggressiv rot auftritt, da ist Sport Bild weiß blau freundlich wolkig.

Bundesliga = Bayern, hauptsächlich
Es gibt 37 Seiten, allgemein redaktionellen Teil, incl. Inhalt, Spielplan und Werbung. Dort wird vereinsübergreifend über die Bundesliga berichtet.
Das stimmt jetzt so allerdings nicht, fast die Hälfte davon beschäftigt sich mehr oder weniger direkt mit dem FC Bayern München, auf den restlichen Seiten kommen die anderen Teams immerhin vor.
Lustig, daß einen sogar auf den Reklameseiten noch Lothar Matthäus für Sport-Bild online leidenschaftlich anstrahlt, Franz Beckenbauer sich intensiv über ein Erdinger freut und Luca Toni mit bösen Blick über seine Fußballschuhe. Bei den Bayern scheint man einfach ein Händchen für solche Nebeneinkünfte zu entwickeln.

Die Titelgeschichte, hier regiert die beredte Inhaltsleere, Worthülsen und Platitüden aus allen Rohren und nach vier Seiten ist man an Wissen nicht reicher, an etwas Zeit aber wieder ärmer.

Danach darf Lothar Matthäus ran und das ist tatsächlich richtig lustig, nicht absichtlich, auf eine etwas abseitige Art, und doch oder gerade deshalb.
Der Mann schreibt so konfus wie er spricht, Sätze zum zweimal lesen, Ansichten zum Fremdschämen. Da hüpft ein Running Gag, die Überfremdung der Bundesliga mit “Holländern” betreffend, leichtfüssig und doch einbeinig durch den Artikel. Beinahe meint man, Lothar möchte sie namentlich und einzeln aufzählen. Hinten scheint er schon vergessen zu haben, was er vorne noch dachte und in der Mitte sagte und unmittelbar aufeinander folgende Sätze wollen einfach nicht zusammenarbeiten. Was auch immer die SportBild hierfür bezahlt hat, sie hätte lieber einen beliebigen, gerne auch verwirrten oder vierjährigen Passanten von der Strasse vor der Redaktion verschleppt und ihn für einen Bruchteil des Geldes ein Bild malen lassen und das restliche Geld einer überglücklichen Schule gespendet.
Auf skurile Weise ist dies aber wohl der einzige Artikel des Heftes, den man ein zweites Mal lesen und nicht auf ihn verzichten möchte.

Nationalkicker-Check
Dann, eine gute Idee: Eine Übersicht, wie sich die jeweiligen Nationalspieler der Vereine bei der WM geschlagen haben und die möglichen Auswirkungen auf die Teams für diekommende Saison.
Leider bisweilen wenig nachvollziehbar und von bedauerlich geringer Stringenz:
“Heiko Westermann blieb ohne jede Spielminute verschenkte Zeit.”
“Piotr Trochowski kam über die Zuschauerrolle nicht hinaus, dennoch könnte allein das Dabeisein einen Motivationsschub bewirken.”
Ist denn auf zwei Seiten nicht wenigstens die Aufrechterhaltung einer gewissen Binnenlogik möglich?

Es folgt ein Interview mit Karl-Heinz Rummenigge. Die Fragen sind von naiver Ahnungslosigkeit geprägt, anbiederisch, harmlos und manchmal auch einfach nur doof.
“Kommt Dortmund wieder?”
Ich hatte garnicht gemerkt, daß die letzte Saison zwei Urlaubssemester angemeldet und auf Mallorca Wale und Robben gerettet hätten.
“Leider sterben die Typen aus, siehe Oliver Kahn, Mehmet Scholl. Keiner haut mehr auf den Putz.”
Ja, das ist tatsächlich eine Frage und Karl-Heinz antwortet sogar irgendwas.
Herr Rummenigge passt sich mit Leichtigkeit dem Niveau an, er darf den üblichen Nippes über keine Strassenfußballer mehr, Armut als Talentförderung in Brasilien, zuwenig Fernsehgelder für den FC Bayern erzählen. Er diffamiert den UEFA-Cup wieder einmal als `zweitklassige Veranstaltung´, in dem sich sein Verein bekanntlich letztes Jahr immerhin mit drittklassigem Fußball bis ins Halbfinale quälte. Ausserdem sieht er `die Russen´ kommen, was doch eigentlich schon völlig aus der Mode gekommen war und Herr Matthäus sieht uns schliesslich auch eher durch `die Holländer´ überrannt.

Werbung
Der Herr Matthäus macht übrigens auf der folgenden Seite Werbung für das SportBild Manager-Spiel, keine Idee des Kicker scheint vor ihnen sicher, nächstes Jahr gibts endlich auch die Stecktabelle, dieses Jahr übrigens schon ein beigelegtes Riesenposter zum Eintragen jedes Spielergebnisses und jedes wöchentlichen Tabellenstandes, wie anstrengend, wie wenig erregend.
“Spielen Sie gegen Matthäus! […] Zeigen Sie, dass Sie genauso großes taktisches Verständnis haben.[…]”

“Ribéry: seine 11 Geheimnisse”, zwei Seiten, folgen, viele schöne Ribéry-Bilder, viele kleine Bedeutungslosigkeiten in Textform.
Wirklich schön, humoristisch auf Augenhöhe mit Lothar Matthäus:
“Der Torwart weiß nie, wie weit er rausgehen soll. Wenn Ribéry schiesst, müsste er den Winkel für ihn spitzer machen. Wenn er auf das Tor zukommt, das Tor kleiner [Anmerkung des Autors: !] Er müsste rauskommen, den Winkel verkürzen. Aber wehe, Ribéry spielt quer, dann entsteht eine völlig neue Situation.”
Die Aufgabe jeden Torwarts in jeder Minute auf dem Platz gegen jeden denkbaren Feldspieler wurde vielleicht noch nie so nutzlos wortreich beschrieben.

Giovanne Elber vergleicht im Anschluss tabellarisch Luca Toni mit Miroslav Klose, fade in Idee und Ausführung.

Weiter zu vier Seiten Interview mit Ottmar Hitzfeld auf bereits bekanntem Niveau. Erkenntnisgewinn: SportBild scheint ihn beharrlich auf den deutschen Nationaltrainerposten schreiben zu wollen.

Im folgenden Artikel der erste Höhepunkt was bekloppte Statistiken angeht. Vorgerechnet wird wieviele Einsätze die Bundesligaschiedsrichter hatten, wie viele Karten sie dabei gezeigt, wie oft gepfiffen, Elfmeter gegeben, gelb und rot gezeigt haben, wie oft sie das pro Spielminute taten…nächstes Jahr bitte dann noch über die Schuhgrösse berechnet die Quadratmeter Wiese, die sie dabei platt getreten haben.

Es folgt noch ein Artikel über “Hightech” beim Training oder so ähnlich und die erste grosse Lustlosigkeit beim Lesen.

Ballack an die Front
Immerhin kommt jetzt die grosse Team- und Spielervorstellung, da kann man nicht mehr viel falsch machen, kann man ja schliesslich beinahe schon fertig downloaden. Der Teil wird übrigens von einem doppelseitigen Foto dreier Vorzeigefans des FC Bayern eingeleitet, immerhin gilt es dem Vorwurf der “Scheisstimmung” in der Versicherungsarena entgegenzuwirken. SportBild kämpft an vorderster Front. Apropos “Front”, ein paar Seiten zurückgeblätter, da war noch was, Hitzfeld über Michael Ballack “[…] Er ist bereit an der Front zu kämpfen. Für mich steht er deshalb schon jetzt in einer Reihe mit anderen großen DFB-Kapitänen wie Lothar Matthäus und Oliver Kahn.”

Die Teamvorstellungen 1.Liga
Also, 118 Seiten Teamvorstellungen, jeweils sechs, zwei Hintergrundartikel incl. Anfahrtsbeschreibung Stadion, Aufstellungsgrafik und die auflockernd gemeinte Rubrik “Das verrückteste Bundesliga-Spiel”. Die Artikel sind solide, teilweise sogar gut, nicht besonders, nichts zum dran erinnern und doch solide bis gut.
Zwei Seiten Spielersteckbriefe incl. Fotos mit oft skurilem Paninicharme, bisherige Arbeitgeber, Vetrag bis, Grösse und Gewicht dick fein alles. Letzteres trifft auch für weitere zwei Seiten Statistiken zu, Saisonverlaufsgrafik, Zugänge, Abgänge, Scorer, Fouls, Grafik, wann fallen die Tore, wer schiesst sie, noch `ne Grafik alles. An der Statistikabteilung gibt es nichts auszusetzen, nichts fehlt, fragen könnte man noch, wieviele Statistiken man braucht und wozu aber alle von uns kennen Diskussionen unter Freunden im Stil von “Ey was meinsten Du wer was wieviel und wann?!” und Sportreporter lieben es zu erklären wann welches Team mit welchem Mannschaftsteil die Tore schiesst.
Anschliessend noch zehn Seiten Statistiken, nach denen wirklich keine Frage mehr offen bleibt. Wer tunnelte am meisten, wer wurde am häufigsten getunnelt, sind viele nie drauf gekommen danach zu fragen, hier wird es beantwortet.

Teamvorstellungen 2.Liga
Eröffnet wird der Übersichtsteil 2.Liga von einem doppelseitigem Foto von zwei weiblichen Fans des 1.FC Nürnberg, die ausgesprochen unglücklich dreinschauen, was aber vielleicht auch nur daran liegt, dass sie schon ahnten, wo das Bild veröffentlicht werden würde.
Es folgen 39 Seiten, zwei pro Verein und zwei Seiten Statistik, die reichen völlig aber Tunnel zählt in der 2.Liga offensichtlich keiner.
Die Spielersteckbriefe fallen weg, dafür gibt es ein Mannschaftsbild, an denen inzwischen am spannendsten ist, auf welch merkwürdig ausladende Weise die Sponsoren im Vordergrund präsentiert werden. In wenigen Jahren wird die vorderste Reihe von Sitzriesen gebildet werden müssen, um drüber hinweg blicken zu können. Ein Statiker wird den Aufbau rechnen müssen, damit deutsche Sicherheitsrichtlinien am Arbeitsplatz eingehalten werden können.
Der Hintergrundartikel zur zweiten Liga dabei ebenso belanglos wie der zur ersten, das allerdings etwas weniger offensichtlich.
Ein weiterer Pluspunkt in der Statistikabteilung: Schön ist die Übersicht über den Erfolg der Erstligaabsteiger der letzten zehn Jahre in der darauf folgenden Saison.

Teamvorstellungen 3.Liga
Dann noch 18 Seiten 3.Liga, keine Statistiken, halbe Seite pro Verein, Liste der Spieler, Zu- und Abgänge, Trainer.
Immer dabei, egal wie begrenzt der Platz, sind Angeben über Grösse und Gewicht, scheint eine Obsession von Sportjournalisten zu sein?
Der Hintergrundartikel zur dritten Liga ist übrigens deutlich besser als der zu erster und zweiter, also nicht schlecht.

usw.
Schliesslich zwei Seiten Frauenfußball, zwei Seiten UEFA-Cup/Chamionsleague, Tabellen von 50 Ligen, WM-Qualifikation, Fernsehprogramm und entlassen werden wir ganzseitig und in Farbe von Oliver Khan, bzw. seiner Wachsfigur bei Madame Tussauds, Danke, Tschüss Oli, jetzt hau aber endlich ab!

Die DVD
Jetzt noch die DVD ansehen…solide, die hat man gesehen oder auch nicht, bisweilen aber auch weniger gut, Tim Borowski wird da zum Beispiel das Potential abgesprochen ein adäquater Ersatz für Kahn oder Hitzfeld zu sein, klar, da er weder Torwart noch Trainer, sondern Mittelfeldspieler ist.
Jetzt schon das Zeug unvergessen zu bleiben wie der omnipotente Oli Kahn, von dem wirklich konsequent als dem “Titan” gesprochen wird, “sein 8. Ding in den Himmel von München reckt”.

Hier schliesst sich im Bezug auf die Vorurteile der Kreis:
Das Heft ist, allen Ressentiments zum Trotz, völlig in Ordnung, was die Vorstellung der Vereine anbelangt, ein wenig erstligalastig, Fans von Vereinen der 3.Liga kaufen es eindeutig besser nicht.
Der Teil davor ist allerding, eigentlich richtig blöd und ein wenig bayernlastig, ein Zusammenhang, der dann alle anderen Fans auch wieder trösten kann.

Kommentare

4 Kommentare zu “SportsWire-Test: Bundesligasonderhefte, 1. SportBild”

  1. Marek am 07.31.08 19:20

    Sehr viel Wahres schreibst du da. Die Anschaffung eines Bundesliga-Hefts wird verschoben, bis die Reihe zu Ende ist und der Testsieger fest steht!

  2. Andre am 08.01.08 12:19

    Ich glaub ich werd mir wie jedes Jahr den Kicker zulegen, obwohl das bayernlastige mich schon fast für die SpottBild begeistert hätte 😉

  3. Sauzwerg am 08.01.08 12:37

    ich bemühe mich um zeitnahe Fertigstellung der Serie. Andre, die Kickerbetrachtung kommt voraussichtlich noch heute.

  4. SportsWire-Test: Bundesligasonderhefte - Update 2009 - 1. SportBild : SportsWire am 08.08.09 02:38

    […] Meine Bauchschmerzen im Zusammenhang mit dem Kauf eine Bild-Produktes habe ich schon letztes Jahr beschrieben, auch wer die diesjährige Performance Karl-Heinz Rummenigges und eines Lothar Matthäus mit der vom letzten Jahr vergleich möchte, der kann hier nachlesen. […]

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