Die aktuelle Debatte um Menschrenrechte und Olympische Spiele vernachlässigt einen wichtigen Punkt: Das Recht auf Sport, genauer: Das Recht eines jeden Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe und Religion ungehindert und selbstbestimmt Sport zu treiben, musste überall erst erkämpft werden.
Und gehört damit so gesehen auch zu den Menschenrechten.

Ob der Sport helfen könne, die Menschenrechte zu befördern, wollte jüngst der Deutsche Bundestag wissen. Zu diesem Zweck hockten sich zwei Parlamentsausschüsse, die es wissen könnten, der für Menschenrechte und der für Sport nämlich, zusammen und luden sich Experten ein, die es noch besser wissen sollten.
„Wirkungslos“, sagte der zur Anhörung geladene Jurist, die Olympischen Spiele könnten in China von sich aus nichts ausrichten.
„Unerfüllbare Erwartungen“, sagte die um eine Expertise gebetene Politologin, der Westen würde China mit seinen Ansprüchen bezüglich Menschenrechte bloß überfordern.
Nur der Sportler, den der Bundestag vorlud, wusste, dass Sport nicht irgendein Mittel, irgendein Werkzeug ist, womit gute Menschen Gutes und böse Menschen Böses transportieren können, sondern „Sport ist ein gelebtes Menschenrecht“.
Zugegeben, der Gedanke, dass Sport nicht (nur) zur Durchsetzung von Menschenrechten taugt, sondern selbst ein Menschenrecht ist, hat man ihn erstmal ausgesprochen, klingt nicht nennenswert spektakulär.
Aber es überrascht doch, dass in allen Debatten, die über einen eventuellen Boykott der Olympischen Sommerspiele in Peking beziehungsweise über dortige Proteste geführt werden, der Sport selbst so neutral erscheint – wie ein bloßes Medium.
Dabei ist der bloße Umstand, dass Menschen das Recht haben, Sport zu treiben, keine Selbstverständlichkeit. Es musste in dem Teil der Welt, in dem wir leben, erst historisch durchgesetzt werden, was auch hier bislang nicht vollständig gelang. Und in anderen Teilen steht die Durchsetzung dieses Rechts noch bevor, beziehungsweise das Recht auf Sport muss verteidigt werden.
Ein paar Beispiele aus früherer und aus jüngster Zeit sollen dies zeigen: Nach dem Mittelalter, im 18. Jahrhundert, war aufgrund christlicher Leibfeindlichkeit das Baden in Flüssen und Seen weitgehend verschwunden. Im Jahr 1748 beispielsweise bedrohte in Weikendorf im Marchfeld der Abt Eltern, deren Kinder badeten mit einer Strafe von einem Pfund und vier Schilling, also einem mittleren Monatseinkommen.
Erst mit der Aufklärung, dem Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaft und ihren Hygieneerfordernissen wurde das Schwimmen wieder möglich.
Doch in den Vereinen, die im 19. Jahrhundert entstanden, durften Frauen und Mädchen noch lange nicht schwimmen. Wenn doch, dann nur schicklich gekleidet, was 1892 zum Beispiel zur Folge hatte, dass ein Mädchen im Schwimmunterricht ertrank, weil ihre Lehrerin ihre vielen vorgeschriebenen Kleiderhüllen nicht schnell genug ausziehen konnte, um sie zu retten.
Auch als Frauen sich langsam den Schwimmsport eroberten, waren die „schamlosen Weiber“ noch Restriktionen ausgesetzt: Erst im Jahr 1920 wurde Frauen das Rückenschwimmen erlaubt – bis dahin galt es als unzüchtig.

Teil 2 erscheint morgen

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1 Kommentar zu “Sport und Menschenrechte, Teil 1: Schamlose Weiber”

  1. Sport und Menschenrechte, Teil 2: Verbote. Überall. : SportsWire am 08.08.08 00:35

    […] Sport und Menschenrechte, Teil 1: Schamlose Weiber […]

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