Sotschi: Plan kontra Krise

von Ute Weinmann

Zum Glück ist es bis zum Beginn der olympischen Winterspiele in Sotschi noch ein paar Jahre hin. Denn in Krisenzeiten wie diesen würde die Begeisterung der Massen, wie sie in Russland noch zum Zeitpunkt der Entscheidung für den Erholungsort am Schwarzen Meer geherrscht hatte, mit Sicherheit nicht in gebührender Weise ausfallen. Gerade mal achtzehn Monate liegt dieser Sieg zurück.

Damals sorgten hohe Rohölpreise für gefüllte Staatskassen, die als Garant für Stabilität einen wichtigen psychologischen Effekt erzeugten. Wer über ein halbwegs stabiles Einkommen verfügte und den allgegenwärtigen Versprechen einer langandauernden wirtschaftlichen Prosperität Glauben schenkte, nahm bereitwillig Kredite mit langen Rückzahlungsfristen auf. Und sei es nur für ein viel zu schickes Handy, um beim Spaziergang an freien Sonntagen oder den Arbeitskollegen zu imponieren.

Mit dem Ausbruch der Finanzkrise, dürfte selbst diese Art von bescheidenem Luxus bei einem nicht geringen Teil der russischen Bevölkerung einem erzwungenen Sparzwang weichen und Kredite werden zur erdrückenden Last. Aber obwohl sich allerorts bereits finanzielle Probleme bemerkbar machen, scheint dies für die olympischen Spiele in Sotschi keinesfalls zu gelten.

Im Oktober verkündete der Präsident des für den Bau der olympischen Objekte zuständigen Staatskonzerns „Olimpstroj“, Viktor Kolodjazhnyj, selbstsicher, die Situation auf dem russischen Finanzmarkt werde keinesfalls zu einer Teuerung des Vorhabens führen. Alles laufe nach Plan. Der Minister für regionale Entwicklung, Dmitrij Kozak, in dessen Kompetenz als Vizepremier alle olympischen Belange in Sotschi fallen, blickt ebenfalls gelassen in die Zukunft. Solange sich die Krise nicht auf das Befinden der Investoren auswirkt, existiere seiner Ansicht nach kein Grund zur Besorgnis. Und sollte sich dies ändern, dann „werden wir andere Investoren suchen oder Gelder aus dem föderalen Budget heranziehen“. Gebetsmühlenartig wiederholte er in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit die Aussage, dass die Finanzkrise die Vorbereitungen für die Winterspiele 2014 bislang nicht beeinträchtige.

Auch das Internationale Olympische Komitee stimmt mit diesen Prognosen vollkommen überein. Dessen Vorsitzender Jacques Rogge begründet seinen Optimismus allein mit der Figur des russischen Premierministers. Die dahinterstehende Logik lautet schlicht: die Olympiade besitzt für Wladimir Putin oberste Priorität, deshalb werden dafür immer entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stehen.

Aber selbst wenn mittelfristig genügend Kapital für die zeitgerechte Realisierung aller geplanten Bauvorhaben vorhanden sein sollte, dürfte nicht einmal der russische Premier in der Lage sein, den eklatanten Aktienverfall russischer Konzerne aufzuhalten und die durch gesunkene Rohölpreise entstandenen Verluste in der Staatskasse zu kompensieren. Zumal sich die Krise noch längst nicht in vollem Umfang bemerkbar gemacht hat. Dazu kommt, dass die Kosten für die Vorbereitung der Spiele in Sotschi generell zu niedrig angesetzt sind. Darauf machte bereits im Frühjahr der damalige Präsident von „Olimpstroj“, Semjon Wajnschtok, aufmerksam. Damals begründete er dies mit der übereilten Fertigstellung der Pläne für einzelne Objekte und dem Fehlen der Kosten für nötige Landkäufe in der Budgetplanung. Nun aber werden die Kosten allein schon durch die Rubelentwertung immens ansteigen. Ohne weitere private Investoren wird es also eng.

Genau jenen zieht die anhaltende Finanzkrise jedoch nach und nach den Boden unter den Füßen weg. Lokale Baufirmen stoßen zunehmend bei der Kreditbeschaffung auf Probleme. Und einen der Hauptsponsoren, den zu Jahresbeginn reichsten russischen Oligarchen Oleg Deripaska, hat die Finanzkrise jetzt schon in arge Bedrängnis gebracht. Bereits eingegangene Verpflichtungen wie den Ausbau des Flughafens in Sotschi, den Bau eines neuen Seehafens und mehrerer olympischer Objekte hält der Chef der Holding Basiselement im Moment zwar noch ein. Auch die Totalsanierung eines Teils des Zentrums seiner Heimatstadt Krasnodar, knapp 300 Kilometer von Sotschi entfernt gelegen, lässt er sich über eine Milliarde Dollar kosten. Doch bereits bis Oktober machten die in seinem Besitz befindlichen Aktien Verluste von 28 Milliarden Dollar. Darüber hinaus stehen nun noch immense Kreditrückzahlungen an. Selbst im Ausland laufen die Geschäfte schlecht. Nigeria hat aufgrund der Nichteinhaltung von im Rahmen eines großangelegten Investitionsprogramms gemachten Zusagen die Rechtmäßigkeit der Privatisierung des Aluminiumerzeugers Alscon zugunsten von Deripaskas Konzern Rusal angefochten. Das Oberste Gericht in Nigeria will seine Entscheidung noch vor Jahresende verkünden. Ein ähnliches Szenario spielt sich derzeit in Guinea ab.

Unterdessen händigten die zuständigen Behörden den ersten Bewohnern der zum Baugebiet erklärten Imeretinskaja-Niederung bereits Verträge über die Beschlagnahme deren Grundstücke aus. „Olimpstroj“ gibt deren Gesamtzahl mit insgesamt über 300 an. Den Betroffenen wird zwei Monate Bedenkzeit eingeräumt. Sollten sie sich dagegen entscheiden, ihr Eigentum zu einem unter dem Marktwert gelegenen Preis an den Staat zu veräußern, fechten die Behörden des Krasnodarer Gebiets, in dessen Einzugsbereich sich Sotschi befindet, den Beschluss vor Gericht an. Man darf sicher sein, dass der Ausgang etwaiger Prozesse bereits von vornherein feststeht. In einer Presseerklärung von „Olimpstroj“ heißt es dazu lediglich, dass der Gerichtsentscheid „unmittelbar zur Ausführung kommen“ wird. Derart in die Enge getrieben und ohne sichtbare Lobby bleibt den Bewohnern wohl nichts anderes mehr übrig als ihre Niederlage einzugestehen.

Russische Umweltschützer verfolgen derweil besorgt den Gang der Bauarbeiten in den Naturschutzgebieten rund um die Stadt. Sie stufen die Entscheidung für Sotschi als Austragungsort der olympischen Winterspiele 2014 unter die fünf katastrophalsten des Jahres 2007 hinsichtlich der Folgen für die Umwelt ein. Eine überschaubare Zahl an Organisationen, darunter die „Ökologische Wache im Nordkaukasus“, tritt nach wie vor gegen die Vorbereitungen zur Olympiade auf. Sie sind damit fast die einzigen, die noch offen protestieren.

Die „Ökologische Wache“ weist auf zahlreiche Gesetzesverstöße bei den Vorbereitungen zu den olympischen Spielen hin. Das fehlende Umweltgutachten für die neuen Baupläne der Bob- und Rodelbahn ist nur einer davon. „Olimpstroj“ hatte der Öffentlichkeit den alten Plan zur Kenntnisnahme vorgelegt und die Aufsichtsbehörde Rostechnadzor einfach vergessen, für den aktuellen Plan ein Gutachten einzufordern. Anstatt in geschützten Gebieten ausschließlich olympische Objekte zu errichten, werden Bauarbeiten im touristischen Bereich vorangetrieben. Jene Hotels, Spa-Zentren und Golfklubs laufen allerdings unter der Bezeichnung „Objekte der sozialen Infrastruktur.

Aber selbst wer sich keinen Platz im sozialen Olympia leisten kann, es dafür geschafft hat, seinen Kredit für elektronische Geräte rechtzeitig abzubezahlen, wird von der neuen Infrastruktur pofitieren können. In den kommenden drei Jahren sollen nämlich 100 Bushaltestellen in Sotschi mit einem Wi-Fi-Zugang ausgestattet werden. Beim Warten auf den Bus kann man dann wenigstens die Preise für ein Abo im Golfklub recherchieren.

Kommentare

1 Kommentar zu “Sotschi: Plan kontra Krise”

  1. xanos am 12.26.08 20:48

    In dem Zusammenhang muss man auch solche Meldungen beachten: http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:Zahlungsnot-Gazprom-sucht-frische-Geldquellen/429550.html?nv=cd-topnews

    Die russische Entwicklung und auch der soziale Frieden, der auf einer gewissen egozentrischen Gleichgültigkeit aufgrund eines erlangten Wohlstandes beruht, droht zurückzugehen und bei negativer Entwicklung könnte es zu verstärkten Konfrontationen mit dem Regime kommen. Der Plan wirtschaftlich mit Hilfe von Unternehmen wie Gazprom wieder ganz nach oben zu kommen (der bisher gelungen war), steht unter einem gewissen Druck. Ich glaube aber, dass die Russen kurzfristig alles durchsetzen werden und dann höchstens mittelfristig die Probleme durchschlagen.

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