Sportswire sprach mit Andreas Stiene von “Andersrum Rut Wiess” darüber, was einen schwulen Fanclub so ausmacht, über das Machoreservat Fußball und das gespannt-sensationslüsterne Warten der Medien auf den ersten Kicker, der sich outet…

Hallo “Andersrum Rut Wiess” – wie viele seid Ihr, seit wann gibt es Euch, und: Was bedeutet “Rut Wiess?”

Unseren Fanclub gibt es offiziell seit etwa Mitte November 2007, die Vorarbeiten fanden dazu im September und Oktober 2007 statt (Aufrufe über Internetportale, viele persönliche Gespräche die ich geführt habe etc.).
Aktuell haben wir etwa 260 Mitglieder, wobei sich ein harter Kern von 40-50 aktiven Mitgliedern herauskristallisiert und ein erweiterter Kreis von etwa 80-100 Leuten.
Da wir keine Mitgliedsbeiträge erheben, haben sich einige wohl auch aus symbolischen Gründen bei uns eingetragen – um ihre Solidarität mit dieser guten Idee zu manifestieren.
Rut-Wiess sind die Vereinsfarben des 1. FC Köln und auch die der Stadt Köln!

Warum wolltet Ihr unbedingt einen schwul-lesbischen FC Köln-Fanclub gründen? Schwule und Lesben können doch auch in den bereits vorhandenen Fan-Clubs Mitglied werden oder nicht?

Es gibt ja auch viele Schwule und Lesben, die in “normalen” Fanclubs aktiv sind und auch bleiben. Wir haben da sicherlich keinen Alleinvertretungsanspruch.
Uns war es aber auch wichtig im Stadion sichtbar zu sein und Präsenz zu zeigen. Denn gerade im Stadion gibt es doch noch sehr viel latente Abneigung und Vorurteile gegenüber Schwulen und Lesben.
Unser Fanclub ist aber auch kein “closed shop”, sondern wir haben auch bewusst weltoffene nicht-homosexuelle Menschen erfolgreich ermutigt, bei uns mit zu machen. Denn wir können ja nicht Toleranz predigen und sie selber nicht gewähren.


Michael Trippel, der FC-Stadionsprecher, hat Euch ermutigt, “Rut Wiess” zu gründen. Wie waren die Reaktionen des Vereins denn sonst so, werdet Ihr irgendwie unterstützt?

Letztlich die Initiative das zu machen, ging schon von mir aus, aber das Thema war seit vielen Jahren immer mal ein Thema zwischen Michael Trippel und mir. Ich habe mich dann mit der Fanbetreuung vom FC in Kontakt gesetzt, um abzuklären, ob es nicht doch schon einen aktiven Fanclub in der Richtung gibt, dem war nicht so und so fing dann alles an.


Was genau macht Ihr bei “Rut Wiess”?

Wir haben ein sehr reges Fanclub-Leben mit einigen sehr unterschiedlichen Aktionen, die dann immer mal wieder von unterschiedlichen Menschen bei uns organisiert werden.
Im Winter gab es ein regelmäßiges Glühweintreffen, den gemeinsamen Besuch eines Eishockeyspiels beim KEC, einen Theaterbesuch bei Bockmeyer im Scala-Theater oder auch unsere große 1-Jahr-Geburtstagsparty.
Das Wichtigste ist aber das wir gemeinsam zu den Spielen des FC pilgern, egal ob zuhause oder auswärts.

Gab es Vorbilder, an denen Ihr Euch orientiert habt? Welches ist eigentlich der erste schwule Fanclub?

Nein, direkte Vorbilder hatten wir nicht.
Wir sind sogar bewusst etwas untypisch für einen Fanclub organisiert, quasi ohne hierarchische Strukturen. Alles wird aktuell von einem erweiterten Orgakreis organisiert. Einige Aufgaben sind zwar relativ fest verteilt, jeder macht aber ansonsten seinen Orgajob solange er das mag bzw. zeitlich kann. So haben alle Mitglieder die Chance ihre Talente einzubringen und das klappt bisher ganz hervorragend.
Der erste schwule Fanclub waren die Hertha Junxx aus Berlin, mit denen wir übrigens genauso freundschaftlich verbunden sind wie mit allen anderen Queerfootballfanclubs – QFF auch.

Auf Eurer Homepage erfährt man, dass Ihr einen monatlichen Stammtisch habt – gibt es genug über den FC zu erzählen, dass man alle vier Wochen Gesprächsstoff hat?

Viele von uns treffen sich noch viel öfter auch privat, es geht zwar sehr oft über den FC, aber natürlich sind auch viele Freundschaften entstanden, die selbstverständlich über das Thema FC hinausgehen.

Habt Ihr Kontakte zu anderen Fanclubs für Schwule und Lesben?

Wir haben nächste Woche wieder unser nächstes regelmäßiges QFF-Treffen. Wir sind da gemeinschaftlich sehr gut aufgestellt

Würdet Ihr Kontakt zu schwulen Bayer Leverkusen-Fans haben wollen oder ist auch Eure Toleranz begrenzt?

Auch die Bayer-Junxx sind dabei, wobei am Spieltag natürlich die Freundschaft immer ruht. Zu Gladbach gibt es allerdings keinen Kontakt ;-).

Haben auch schon heterosexuelle FC-Fans gefragt, ob sie Mitglied werden dürfen bei Euch? Wie sehen Eure Aufnahmekriterien überhaupt aus?

Das ist bei uns ganz easy, da wir bisher keinen Beitrag erheben und wir haben ja auch schon einige heterosexuelle Fanclubmitglieder, wie u.a. unsere Kölner Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, Stadionsprecher Michael Trippel oder auch Zimmer Frei – Moderatorin Christine Westermann.
Offenheit und Toleranz und Liebe zum FC, das sind unsere einzigen Aufnahmekriterien.

Wie gehen die anderen FC-Fans mit Euch um? Und wie werdet Ihr bei Auswärtsspielen von den Heimfans aufgenommen?

Wir sind im Dachverband der Fanclubs sehr aktiv vertreten, sicherlich gibt es bei denen immer auch noch einigen Vorbehalte, denen man aber am Besten entgegentritt, indem man gerade zeigt, dass wir keine Extrawurst gebraten bekommen.
Wir sind genauso echte FC-Fans, wie alle anderen auch. Dazu ist uns wichtig klar zu machen: Dass Homosexualität weder ein Makel noch eine Qualifikation ist. Bis das aber alle so klar haben, ist es sicherlich auch in Köln noch ein weiter Weg.

“Schwule Sau” gehört für viele Fans immer noch ganz selbstverständlich zum Beleidigungs-Repertoire. Kann man dagegen einschreiten, soll man dagegen einschreiten, schreitet Ihr ein? Wenn ja, wie sind die Reaktionen dann?

Wir müssen einfach auch mal sagen, dass es in Köln sehr selten zu direkten Konfrontationen kommt. Wir kennen nur ganz wenige Beispiele und da haben die Leute die von unserer Seite darauf angesprochen wurden, dass sie uns damit auch verunglimpfen, oft überraschend einsichtig reagiert. Wenn auch meist erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung.
Sicherlich würde man sich eine eskalierenden Situation schon zurückhalten, weil das nichts bringt, da auf offene Konfrontation auszugehen. Das hat noch nie jemanden überzeugt.
Es ist wichtig ein offenes und tolerantes Umfeld im Stadion zu schaffen, sicherlich durch bloße Präsenz aber auch dadurch, dass man sich immer mal wieder Gehör verschafft, das ist ein permanenter Prozess.

Vor einigen Tagen war “Homosexualität und Fußball” Thema einer Sendung im italienischen Fußball. Die meisten Vereine verboten ihren Spielern die Teilnahme – was glaubt Ihr, warum in der Sportart Fußball so verdruckst mit dem Thema Schwulsein umgegangen wird?

Ich glaube ganz einfach, dass Fußballer und Funktionäre da ein falsches Bild vor Augen haben und vor allem Angst haben, dass das ungezwungene Miteinander in der Kabine und in den Duschen darunter leiden könnte. Fußball ist in der Beziehung irgendwie noch immer ein echtes Machoreservat mit einem eher altertümlichen Weltbild, aber das wird sich auch noch geben ;-).

In deutschen Medien ist das Thema “schwule Fußballer” auch immer wieder präsent – man hat den Eindruck, als warte man gespannt auf den ersten aktiven Kicker, der sich outet. Findet Ihr die entsprechenden Berichte wichtig oder seht Ihr sie eher als gespanntes Warten auf die große Sensations-Meldung?

Aus einem Profispieler-Outing könnte einerseits ein Kult entstehen (wenn`s der medienwirksame Typ Marke David Beckham ist), genauso gut ist das genaue Gegenteil möglich (wenn`s z.B. der zwangsgeoutete No Name-Ersatzspieler bei einem x-beliebigen Bundesligaclub ist). Das kann wirklich keiner Vorhersagen.

Wir alle gemeinsam können nur für ein gesellschaftliches und auch für ein Stadion-Umfeld mitsorgen, in dem es leichter wird, zu sich und zu seiner Sexualität auch im immer noch Machosport Nr. 1 offen ein zu stehen, egal ob als Profifußballer oder Amateurkicker.

Theoretische Frage: Ein Freund ist ein bekannter Bundesligaspieler – und schwul. Soll er sich outen, was wären die Folgen? Oder geht die sexuelle Orientierung einfach niemanden was an?

Die Entscheidung soll und muss jeder für sich selber treffen. Zwangsouting im Fußball ist für uns das Allerletzte!

Kommentare

2 Kommentare zu “Schwule Fanclubs, Teil 1: “Andersrum Rut Wiess” (1. FC Köln)”

  1. Andersrum Rut-Wiess » Blog Archive » Interview mit Andreas über ARW bei Sports-Wire am 01.17.09 14:15

    […] Bei SportsWire hat Andreas Stiene zu unserem Fanclub und schwul-lesbischen Belangen im Fußball Frage und Antwort gestanden. Hier nachzulesen. […]

  2. lesnews.de am 01.16.10 16:28

    Schwule Fanclubs, Teil 1: “Andersrum Rut Wiess” (1. FC Köln) : SportsWire…

    Sportswire sprach mit Andreas Stiene von “Andersrum Rut Wiess” darüber, was einen schwulen Fanclub so ausmacht, über das Machoreservat Fußball und das gespannt-sensationslüsterne Warten der Medien auf den ersten Kicker,…

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