Im Bemühen, dem Klitschko-Comebacks historische Dimensionen zu verleihen, werden eine Menge doofer Klischees benutzt – zu den ganz besonders doofen gehören Analogien zu den römischen Gladiatoren.
Boxhandschuhe überzustreifen kam den ersten Faustkämpfern allerdings nicht in den Sinn. Jedenfalls nicht in ihrer heutigen Funktion, denn im alten Rom verwendete man zwar Handschützer, die aber eigentlich als tödliche Waffen dienten.
Erst 1866 wurden Boxhandschuhe obligatorisch – und aus blutigen Prügeleien wurde ein halbwegs sicherer Sport.

Bittet man willkürlich ausgewählte Personen, eine Sportart bildlich auf den Punkt bringen und die eine Sache zu zeichnen, die für diese Sportart steht, ist das den Boxsport repräsentierende Piktogramm unweigerlich der Boxhandschuh.

Die ersten Boxhandschuhe, die in historischen Quellen erwähnt werden, waren allerdings im Grunde nichts anderes als Waffen. Denn als im Jahr 688 v. Chr. Boxen ins olympische Programm aufgenommen wurde, schützten sich die Kämpfer ihre Hände zwar noch mit einfachen Lederstreifen vor Verletzungen, nur wenig später wurden diese jedoch mit speziellen Verfahren gehärtet und als “cestus” bekannt.
Die Faustkämpfer im antiken Rom gingen noch eine Schritt weiter und verstärkten die Bänder mit Eisen oder brachten Messingstollen daran an. Die so verstärkten Handschuhe konnten einen Gegner mit einem Schlag töten, die blutigen Spektakel waren beim Publikum gleichwohl äußerst beliebt.
Die späteren Boxer verzichteten dann auf solche Hilfsmittel, die Kämpfe wurden mit bloßen Händen ausgetragen.

Vorläufer der heutigen Boxhandschuhe waren allerdings bereits im späten 18. Jahrhundert bekannt, der britische Champion Jack Broughton entwickelte 1743, zwei Jahre nachdem er einen Gegner bei einem Kampf getötet hatte, nicht nur die “London Prize Rules” in denen das Tiefschlag-Verbot und das Verbot, einen am Boden liegenden Gegner zu weiter zu traktieren, enthalten war. Sondern eben auch “mufflers” – das englische Wort bezeichnet einen dicken Wollschal.
Die Handschuhe benutzte er allerdings zunächst nur im Training, um Schäden bei seinen Sparringspartnern zu vermeiden – und bei sich selber.
Denn Handschuhe schützen nicht nur die empfindlichen Gesichtspartien vor schweren Verletzungen, sondern auch den Schlagenden, denn die Handknochen sind nicht sehr robust und können leicht brechen.
Allerdings wurden die Lederfäustlinge zunächst hauptsächlich im Training übergestreift oder bei unoffiziellen Kämpfen, in den Ring trat man nach wie vor meistens barhändig.

Die Boxereien in dieser Zeit waren entsprechend häufig blutige Angelegenheiten, bei denen durchaus auch Kämpfer sterben konnten. Trotzdem wollten die meisten Sportler lieber mit bloßen Fäusten gegeneinander antreten, manche, weil sie mit dem Schutz nicht das richtige Gefühl für die Schlaghärte zu entwickeln meinten, andere, weil sie den puren Faustfight suchten.

Das Image der Sportart litt unter diesen Schlägereien, in vielen Ländern wurde das Boxen verboten. 1853 wurden in Großbritannien die “London Prize Rules” zwar noch einmal verschärft, trotzdem wurde das gewerbsmäßige Boxen gesetzlich verboten, was viele Boxer dazu bewog, in die USA auszuwandern

1866 veröffentlichte John Graham Chambers, Marquess of Queensberry, dann die Regeln, die unter dem Namen “Queensbury Rules” weltbekannt werden sollten und die heute noch teilweise Gültigkeit haben. Zum ersten Mal wurde die Anzahl der Runden beschränkt, und der Einsatz von gepolsterten Handschuhen obligatorisch.

Nicht alle Boxkämpfer waren von den neuen Vorschriften begeistert, vor allem die Handschuhe wurden von vielen abgelehnt.
Offiziell gilt der 7. September 1892 als das Datum, an dem sich die Boxhandschuhe endgültig durchsetzten. Damals wurde mit John L. Sullivan der letzte Boxer, der mit bloßen Händen antrat, von einem Handschuhträger durch KO besiegt. Der über 21 Runden gehende Kampf zwischen James J. Corbett und dem Schwergewichts-Weltmeister John L. Sullivan war allerdings weder der erste Profi-Schlagabtausch nach den Regeln des Marquess of Queensberry noch ein klarer Punktsieg der Boxhandschuhe:
Einerseits war Corbett acht Jahre jünger als der alternde Sullivan.
Und andererseits hatte Sullivan während seiner Karriere schon drei Mal mit Handschuhen
gekämpft. Diesmal allerdings vertraute er auf seine bloßen Hände, um den Jüngeren in die Schranken zu weisen- und hatte sich damit gründlich verspekuliert.
Mit der KO-Niederlage war nicht nur Sullivans Regentschaft als Weltmeister
beendet – er trat nie wieder als Profi an.

Kommentare

1 Kommentar zu “Schutz des Schlagenden – eine Geschichte der Boxhandschuhe”

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