Jul
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Gewöhnliche Menschen sind mit 2,6 Promille Alkohol im Blut dem Koma mindestens ziemlich nahe – Sergej Schmolik jedoch, weißrussischer Fußballschiedsrichter, hat mit diesem Wert ein Erstligaspiel gepfiffen. Bei der Partie zwischen Witebsk und Nowopolozk wunderten sich die Zuschauer lediglich über die Lauffaulheit des Referees. Ab der 70. Minute verfolgte er mit der Routine aus 247 Ligaspielen die Begegnung ausschließlich vom Mittelkreis aus.
Erst nach dem Abpfiff entfaltete das Desaster seine volle Pracht, als Schmolik eine kurios anmutende Schräglage einnahm, ins Torkeln geriet und sich nur sehr widerwillig vom Platz führen ließ. Eine Blutprobe nach dem Match ergab dann den Wert von 2,6 Promille. Das Weblog Trainer Baade hat ausgerechnet, dass man dafür eine Flasche Wodka binnen einer Stunde konsumieren muss. Schmolik erklärte seine schiefe Haltung mit einem alten Rückenleiden und behauptete, sich erst nach dem Spiel betäubt zu haben. Weißrusslands „Schiedsrichter des Jahres 2005“ muss sich nun vor dem Schiedsrichter-Ausschuss verantworten.
Die Szenen wecken hierzulande Erinnerungen an das Bundesligaspiel zwischen Werder Bremen und Hannover 96 vom 8. November 1975. Damals beendete Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder aus Oberhausen die erste Halbzeit bereits nach 32 Minuten und wurde deshalb verdächtigt, angetrunken gewesen zu sein. Entsprechende Nachfragen konterte er in der ihm eigenen Diktion: „Ein Bier und ein Malteser zum Mittagessen, das wird doch wohl erlaubt sein!“ und „Wir sind Männer und trinken keine Fanta!“. In einem lesenswerten Interview mit der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen erinnert sich Ahlenfelder nun an jenen Tag, an dem ihn „irgendwie die Lust geritten“ habe:
Das war mein drittes Bundesligaspiel. Die beiden ersten waren Granaten. Und beim dritten Spiel habe ich mir wohl gedacht, typisch Rheinländer: Was kostet die Welt? Und dann habe ich die Nudel da durchgepfiffen. […] Damals spielte der Höttges noch in Bremen. Er sagte zu mir: Schiri, das kann nicht sein. Ich fragte: Warum kann das nicht sein? Und er sagte: Mein Trikot ist noch nicht nass. Dann hat mein Linienrichter mit seinem Zeigefinger an seine Stirn gefasst und dann auf die Uhr getippt. Er wollte mir signalisieren: Du spinnst wohl. Ich habe gesagt: Her mit dem Knicker – und habe Schiedsrichterball gegeben. […] Die Bild-Zeitung hat gefragt, was ich getrunken hätte, und ich antwortete: Eine Kiste Bier und eine Flasche Asbach. Da war der Bock natürlich fett, auch wenn einige gemerkt haben, dass ich scherze.
Noch heute bekommt in manchen Bremer und Oberhausener Kneipen ein Bier und ein Malteser, wer einen „Ahlenfelder“ bestellt. Ob weißrussische Gaststätten demnächst Wodka in rauen Mengen servieren, wenn man einen „Schmolik“ ordert, bleibt abzuwarten.
Kommentare
2 Kommentare zu “Schräge Schiris”
Zur multimedialen Ergänzung: Hier findet sich das Video von Schiri Schmolik: http://www.netzeitung.de/sport/1088177.html
Schmolik wurde mittlerweile als Richter disqualifiziert, und zwar ein für alle Mal. Die Sitzung des Komitees, auf der die Frage um den einstigen Vorzeigeschiedsrichter diskutiert wurde, dauerte fast acht Stunden. Die Weissrussen schreiben aber „nur“ von 1,17 Promille