Der Fußball-Bundesligist FC Schalke 04 hat 123 bundesweite Stadionverbote mit der derzeit möglichen Höchstdauer von drei Jahren verhängt.  Nicht weniger als 121 davon richten sich gegen Fans des Erzrivalen Borussia Dortmund…

… was angesichts der seit Wochen laufenden Auseinandersetzungen um Gewalt beim Ruhrderby eines gewissen Geschmäckles nicht entbehrt.  “Das ist das Ergebnis der Ermittlungen der Polizei und unserer Umsetzung der Stadionverbotsrichtlinien”, meint Schalkes Sicherheitschef Volker Fürderer. 

Ob diese Maßnahme zur Deeskalation beiträgt, darf indes bezweifelt werden, denn zweifelsohne wird man kaum 123 Personen konkrete Straftaten nachweisen können. Sollte es sich dabei tatsächlich um mehrheitlich gewaltbereite Fans handeln, werden diese überdies zukünftig samstags nachmittags wohl kaum zum Karnickelzüchter-Treffen fahren. Auch die Spannungen zwischen beiden Lagern dürften kaum dadurch abnehmen, dass sich auf Seiten der BVB-Szene der Eindruck verfestigen wird, dass man auf Schalke die eigenen Probleme klein redet und den Schwarzen Peter den Schwarzgelben zuschieben will.

 

Kommentare

9 Kommentare zu “Schalke verhängt 123(!) Stadionverbote”

  1. Andre am 03.19.09 18:23

    Wie kann eigentlich ein Verein ein bundesweites Stadionverbot verhängen? Wäre sowas nicht eher beim DFB angesiedelt?

  2. Jean-Claude am 03.20.09 01:37

    Nein, das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Es handelt sich um eine Maßnahme des Hausrechts, wobei die Vereine miteinander vereinbart haben, dass jeder Verein sein Hausrecht auf jeden anderen Verein überträgt. Somit spricht der Verein in der Tat ein bundesweites Stadionverbot aus, so er dies will. Zuwiderhandlungen sind dann Hausfriedensbruch, auch wenn man im Besitz einer gültigen Karte ist.

    Rechtlich gesehen ist das zunächst einmal natürlich ein glasklarer Fall: Jeder kann entscheiden, wen er zum Geburtstag einlädt und jede Türsteherin entscheidet, ob Du in die Disko kommt. Auf unfassbar dünnem Boden steht allerdings nach Meinung mancher Juristen im Grunde genommen diese übergreifende Hausrechts-Konstruktion, die ja sehr umfassend in den zumeist wichtigsten Freizeit-, wenn nicht Lebensbereich der Betroffenen eingreift. Ist ja schließlich kein Shopping-Verbot bei Media Markt nach Ladendiebstahl.

    Das wäre verfassungsrechtlich sicherlich sehr spannend, ob ein derartiger Eingriff in die Privatsphäre (Freizeitgestaltung) der Betroffenen wirklich mit dem “schwachen”, zivilrechtlichen Hausrecht begründet werden kann oder ob da ganz andere Rechtsbereiche berührt werden, für die ungleich höhere Hürden und Rahmenbedingungen (Unschuldsvermutung!) zu gelten hätten. Aber dazu muss es erst einmal kommen. Momentan sind Anhörungsrecht und Aufhebungschancen minimal, selbst dann, wenn die polizeilichen Ermittlungen eingestellt werden. Oft hilft nur noch klagen, aber selbst da wird es schwierig, eben weil Hausrecht ja zunächst mal Zivilrecht ist (siehe oben).

    Kompakte Zusammenfassung hier und die ganze DFB-Richtlinie als PDF hier.

  3. MisterAltravita am 03.20.09 12:16

    Interessante Diskussion auch. Natürlich kann ich willkürlich entscheiden, wer zu mir zum Geburtstag kommt. Ich wusste nur nicht, dass ich auch entscheiden kann, ob diejenigen überhaupt jemals wieder zu irgendeinem Geburtstag gehen können.

  4. Elke Wittich am 03.20.09 13:13

    @MisterAltravita:
    Wenn man´s unter dem Aspekt sieht, wird es vollkommen obskur – und das würde dann ja auch bedeuten, dass, um bei Jean-Claudes Beispiel vom Ladendiebstahl zu bleiben, ein Hausverbot bei MediaMarkt ein Verbot, jeden einzelnen deutschen Laden zu betreten, nach sich ziehen würde.
    Das kann doch einfach nicht legal sein

  5. Houtbay am 03.20.09 13:44

    Ist eine heikle Geschichte.

    Einerseits verstehe ich die Maßnahmen, unabhängig davon ob so etwas rechtens ist oder nicht. Die meisten Delinquenten haben in Stadien einfach nichts zu suchen!

    Die Vorkommnisse letzte Woche in der Hochwasserstadt beim Derby gegen MG zeigen, dass einige Irre mit dem Event an sich überhaupt keinen Vertrag haben, denen geht es nur um eins – Randale!

    Dazu kommt, dass es nicht mehr so wie früher ist, dass die sogenannten Hools – so bescheuert sie auch sein mögen – ihren “Kodex” hatten und Normalos nicht zu ihrer Zielgruppe zählten…

    Das ist leider heutzutage Wurscht!

    Dass sich dann Vereine zusammenschließen ist dadurch zumindest nachzuvollziehen…

  6. Jean-Claude am 03.20.09 16:13

    @Mister Altravita:
    Genau deswegen sind ja auch einige Anwälte der Meinung, dass hier noch ganz andere Rechtsgüter berührt sind. Aber welcher Fußball-Fan hat schon das Geld und den Atem bis nach Karlsruhe? Da sind ja vorher Deine drei Jahre Stadionverbot rum…

  7. MisterAltravita am 03.20.09 20:27

    @Houtbay: Nun ja, wenn wir jetzt aber Maßnahmen gutheißen, die zwar nicht rechtens sind, die wir aber dafür sympathisch finden, dann wird es aber wirklich spannend: Wer bestimmt denn dann (wenn nicht der Gesetzgeber), wer ein Fußballstadion darf? Und wenn ich da auch keine langhaarigen, Punks, Schwulen und Schalker sehen will? Ich meine, das wäre zwar nicht rechtens, aber auf Anhieb könnte ich dir einige nennen, die der Meinung sind, “solche” gehörten nicht ins Stadion. Ich finde das mit dem “rechtens” durchaus wichtig und nicht nur ein störendes Detail auf meinem Weg zur Weltpräsidentschaft…

    @Elke Wittich: Och, der Beispiele lassen sich da viele finden. Ich stell mir gerade vor, wie mein Lokalverbot im “Uschi’s Trinkhalle” dazu führt, dass ich überhaupt niemals mehr überdacht Bier trinken kann… 😉

  8. Houtbay am 03.22.09 15:38

    @ MisterAltravita

    Versteh’ ich nicht?!

    Wenn Deine sogenannten “Schwulen”, Punks oder Schachtaffen… ;o) an Randale beteiligt waren, haben auch diese in Stadien nichts zu suchen!

    Es ging nicht um die Frage, ob es bundesweite Stadionverbote geben soll, sondern warum so mit solchen Idioten verfahren wird.

    Wenn ein Rentner mit Pflastersteinen in eine wartende Menge vor dem Stadiontor wirft, ist es mir wurscht ob das ein demokratischer oder ein kommunistischer Rentner ist, er gehört in kein Stadion der Welt!

  9. Jean-Claude am 03.23.09 18:24

    @Houtabay:
    Ich glaube, Mister Altravita ging es einfach darum, dass es schon immens wichtig ist, ob Dinge rechtens sind oder nicht. Klar, kannst Du sagen, es trifft schon nicht die Falschen, aber häufig tut es dies eben doch. Und die Leute, die in Köln weit außerhalb des Stadions die Straßenbahnen mit Flaschen eingedeckt haben, kriegen dafür noch lange kein Stadionverbot, also trifft es noch nicht mal automatisch die Richtigen.

    In jedem Fall kann es unter Aspekten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schlichtweg nicht egal sein, ob Leute selbst dann weiterhin Stadionverbote haben, wenn ihre Ermittlungsverfahren eingestellt sind. Genau das wird nämlicch auch im aktuellen Fall passieren: Die Staatsanwaltschaft wird niemals 123 Verurteilungen erzielen oder auch nur anstreben!

    Stattdessen wird man sich gezielt diejenigen raussuchen, denen besonders schwere Straftaten zur Last gelegt werden und/oder denen man die Beteiligung besonders gut nachweisen kann. Der Rest wird eingestellt werden oder mit Freisprüchen aus Mangel an Beweisen enden. Die Stadionverbote beleiben aber trotzdem bestehen und haben so durchaus den Charakter einer außergerichtlichen Strafe, was rechtsstaatlich extrem bedenklich ist, genauso wie die defacto Umkehr der Beweislast und der Unschuldsvermutung.

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