Für Feinfühligkeit und eine ausgewogene Wortwahl war der Gouverneur des Krasnodarer Gebietes noch nie bekannt. Nun setzt er zum Angriff an. Alexander Tkatschew beschuldigte die Bevölkerung der ihm unterstehenden Region schlichtweg der Sabotage. Gemeint sind die Bewohner der zu Sotschi gehörenden Imeretinskij-Niederung, wo baldmöglichst mit dem Bau des Olympischen Dorfes für die Winterspiele 2014 begonnen werden soll.

Doch nichts läuft wie es soll. Die Behörden stoßen laut Aussage von Tkatschew am 18. Juli auf einer Sitzung in Sotschi bei der Ausführung ihrer Pläne auf wohl organisierte Sabotage. Die Vorbereitung zur Olympiade sei aber eine Frage von staatlicher Bedeutung und deshalb kündigte er harte Maßnahmen an. Selbstverständlich im Rahmen der geltenden Gesetzgebung.

Genau die aber stellt für die Bewohner der idyllisch an der Schwarzmeerküste gelegenen Niederung ein existenzielles Problem dar. Denn aufgrund der extra für das gigantische Olympiabauvorhaben geänderten Gesetze soll die davon betroffene Bevölkerung in einem beschleunigten Verfahren mit Grundstücken entschädigt werden, deren Wert nicht annähernd dem ihres derzeitigen Eigentums entspricht. Zwar sichert beispielsweise die auf dem umstrittenen Territorium gelegene Sowchose deren Mitarbeitern nur ein lächerliches Einkommen, aber in der Badesaison verdienen sie ihren Lebensunterhalt mit der Vermietung von Wohnungen an Urlauber. Die Behörden versprechen ihnen die Umsiedlung in ein neues Wohngebiet mit kompletter Infrastruktur. Allerdings bedeutet der damit einhergehende Verlust der derzeitigen exklusiven Wohnlage auch entscheidende Einkommenseinbußen. Dafür sieht das Gesetz indes keine Entschädigung vor. Und der Gouverneur auch nicht.

In Sotschi regt sich Widerstand. Nicht gegen die Olympiade an sich, aber gegen die mit dem Bau der geplanten Anlagen verbundenen Umweltzerstörung und der Umsiedlung eines Teils der Einwohner. Für Tkatschew mag der nicht nachlassende Protest einem Sabotageakt gleichkommen, aber das bedeutet noch lang nicht, dass er damit Recht hat. Denn schließlich geht das vermeintliche Wohl der Nation längst nicht immer über die Sicherung der eigenen Existenzgrundlage.

(Foto: IOC)

Kommentare

1 Kommentar zu “Sabotage contra Existenzentzug”

  1. SportsWire aktuell | Gameproject Blog am 07.20.08 19:54

    […] Winterolympiade in Russland: Konsequenzen für die Bewohner der Region um Sotschi […]

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