Cheers, mate! In einer kleinen Serie berichte ich über meinen Ausflug zu einem Spiel im Fußball-Mutterland. Lesen Sie im ersten Teil, warum Sie keinen Grund haben, neidisch zu sein.

Fußball in England ist das Größte: Die besten Spieler der Welt auf dem Rasen, die härtesten Fans der Welt auf den Rängen, Stadien voller Glückseligkeit. Arsenal London, Liverpool FC, West Ham United. Wer nach England reist, atmet die faszinierende Historie des schönsten Sports an jeder Ecke ein. Oder den Muff des Mittelmaßes – jedenfalls, wenn man ins beschauliche Norwich reist, um sich das völlig unbedeutende Zweitligaspiel Norwich City FC gegen Preston North End anzusehen. Genau das habe ich vor. Am 8. November ist es soweit.

Und das kam so: Zwecks Aufnahme eines Praktikums zog ich Ende der 90er mal für kurze Zeit in die ostenglische Kleinstadt Norwich (120.000 Einwohner).
Wie überall in England leben dort hochsympathische Menschen, die jedes Lied von Serious Drinking und The Jam mitsingen können, Real Ale trinken und sich leidenschaftlich einem Fußballverein verschrieben haben. In diesem Fall leider dem örtlichen Norwich City FC – für den ich mich automatisch mitbegeistern musste, wollte ich es mir mit meinen Gastgebern nicht verscherzen. Meine Mimikry war perfekt, und man lud mich über die Jahre immer mal wieder ein, auf ein Heimspiel vorbei zu kommen. Mir gingen jetzt ganz einfach die Ausreden aus.

Auf seinem Briefkopf braucht der Club nicht gerade viel Platz für die Auflistung der Erfolge. Als herausragend gilt der dritte Platz in der Premier League-Saison 1992/93. Legendenstatus genießen die Spieler des 1958/59-Teams: Sie zogen als Third-Division-Mannschaft in das Halbfinale des FA-Cups ein. Tja.
Aufgrund der agrarisch geprägten Wirtschaftsstruktur der Region sind die Einwohner von Norwich so etwas wie die Ostfriesen Großbritanniens. Lieder über beschränkte Traktorfahrer gehören zum festen Repertoire der Auswärts-Fans.
Das Lokalderby gegen das noch piefigere Ipswich wird – in Anlehnung an das Glasgower Städteduell – „Old Farm“ genannt. Damit ist das Wichtigste gesagt.

Der Rest der Vereinsgeschichte in a nutshell:

1902: Gründung in einem Imbiss
1920: Im Stadion stürzt eine Wand ein
1950: Nach dem Kauf von Flutlichtmasten steht der Verein vor dem Ruin
1993: In der zweiten Runde des UEFA-Pokals gelingt ein 2:1 Sieg bei Bayern München. Damit ist Norwich City der einzige englische Club, der die Bayern im Olympiastadion geschlagen hat
1996: Die Fernsehköchin Delia Smith übernimmt die Mehrheit der Club-Anteile
2001: Im Film „Mike Bassett: England Manager“ spielt Ricky Tomlinson einen erfolgreichen Norwich-City-Trainer. Die wesentlichen Szenen des Films werden nicht in Norwich gedreht

Die Sache mit dem Sieg gegen Bayern gefiel mir. Außerdem habe ich mich in das Wappentier verliebt – ein putziger Kanarienvogel, der auf einem Ball sitzt. Wenn man nur lang genug sucht, findet man bei jedem Verein etwas Gutes.

Weiter geht es hier in den nächsten Tagen mit Berichten über Senf-Imperien, fette Katzen und den ältesten Fan-Gesang der Welt. Ich würde mich freuen, Sie wieder als Leser begrüßen zu dürfen.

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