Prekäre Besserverdiener

von Elke Wittich und Boris Mayer

Der Fall Plaxico Burress ist weit mehr als ein selbst beigebrachter Beinschuss, denn er zeigt symptomatisch, wie nachlässig NFL und Football-Clubs mit Verhaltensauffälligkeiten von Spielern umgehen.

So schnell kann das gehen: Im Februar haben die New York Giants noch den Superbowl gewonnen, seit dem 29. November steht das Team allerdings hauptsächlich wegen eines Pis­tolenschusses in den Schlagzeilen.
Abgefeuert wurde die Waffe einen Tag zuvor aus­gerechnet von dem Spieler, dem die Giants den Erfolg im Superbowl zu verdanken haben: Plaxico Burress. Der Wide Receiver, der mit seinem Touchdown den Sieg gegen die New England Patriots perfekt gemacht hat, hat mit dem Schuss zwar lediglich sich selbst verletzt, aber dass ein Star der NFL eine illegale Waffe mit sich herumträgt, gilt auch in den USA als Skandal.

Nun ist Waffenbesitz auch Footballspielern erlaubt, und viele Athleten scheinen auch Pistolen mit sich herumzutragen, denn die Regeln der Football League enthalten ganz ausdrücklich einen Passus, wonach den Spielern das Betreten des Vereins- sowie des jeweiligen Trainingsgeländes nur dann erlaubt ist, wenn keine Schusswaffen mitgeführt werden.

Hintergrund dieser Vorschrift dürfte das Sicherheitsbedürfnis der Spieler sein, in den vergangenen drei Jahren wurden zwei NFL-Athleten ermordet, mehrere wurden Opfer von Raub­überfällen.

Was nicht überraschend ist, denn Footballspieler bieten sich als Ziel für Straftaten an, da ihre Gehälter bis auf den letzten Cent veröffentlicht werden. Darüber hinaus gehört es in der NFL zum Lebensstil, auch zu zeigen, wie viel Geld man verdient, die Stars fahren teure Autos, tragen exklusiven Schmuck und hochwertige Garderobe und wohnen in luxuriösen Anwesen, die zudem gern in Homestorys öffentlich gezeigt werden.

Dass viele der Sportler aus prekären Milieus stammen und den alten Freundeskreis gern als Angestellte beschäftigen, ist ebenfalls kein Geheimnis. Im vergangenen Jahr sorgte der Fall des Atlanta-Falcon-Quarterback Michael Vick für Schlagzeilen, der mit seinen Kumpels nebenher einen Hundekampf-Ring aufgezogen hatte. Die blutigen Details beschäftigten die US-ameri­kanische Öffentlichkeit über Monate hinweg, bis der kooperationswillige Vick schließlich zu ­einer 22monatigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde.

Obwohl Millionenverdiener, ist Vick mittlerweile pleite, eine detaillierte Bilanz seiner Ausgaben weist aus, dass er sein Vermögen regelrecht verschleuderte – und Freunde und Familie dabei äußerst tatkräftig mithalfen.

Die Geschichte von Plaxico Burress ist dagegen lange nicht so blutig, auch wenn er aufgrund der Verletzung, die er sich selbst beigebracht hat, eine Nacht im Krankenhaus verbringen muss­te. Burress’ Geschichte zeigt jedoch symptomatisch, wie allein plötzlich zu Ruhm gekom­mene Spieler von NFL und Vereinen gelassen werden.

Seit seinem Superbowl-Touchdown hatte Plaxico Burress Probleme, die jedoch nicht weiter thema­tisiert wurden. Zunächst fühlte er sich, ob­wohl doch nun ein großer Star, im Vergleich zu anderen Kollegen mit einem Gehalt von 3,25 Millionen Dollar unterbezahlt. Burress wurde immer unmotivierter und täuschte im September schließlich sogar eine Verletzung vor, um im Trainingslager nicht an den Übungen teilnehmen zu müssen. Im Oktober dann erschien er einfach nicht zum normalen Teamtraining und war zwei Tage lang für niemanden zu erreichen, daraufhin wurde er vom Verein für ein Spiel gesperrt.

In der Zwischenzeit traten auch private Probleme auf, zwei Mal wurde die Polizei von Vicki, Burress’ Ehefrau, alarmiert, weil er sie allem Anschein nach geschlagen hatte. In beiden Fällen wurde der Sportler von den Beamten des Hauses verwiesen, diese Anordnungen wurden jedoch jeweils später vom Gericht wieder aufgehoben.

Diese deutlichen Anzeichen dafür, dass Plaxico Bur­ress dringend Hilfe benötigte, wurden jedoch von den Trainern und Betreuern der New York Giants ignoriert. Und so wurde aus dem frei­täglichen Nachtclub-Besuch der beiden New-York-Giants-Spieler Plaxico Burress und Antonio Pierce schließlich ein Kriminalfall, der für Burress das Karriereende bedeuten könnte. Und der sowohl die NFL als auch die Giants in sehr schlechtem Licht dastehen lässt.

Burress, der als VIP von den Türstehern des Manhattaner Nobel-Clubs im »Escalade« nicht durchsucht worden war, hatte aus ungeklärten Gründen eine Glock Kaliber .40 im Hosenbund versteckt.

Rund 30 Minuten später geschah es: Durch eine ungeschickte Bewegung rutschte die Waffe das Hosenbein hinunter, und als Burress nach ihr griff, löste sich ein Schuss.

Anschließend ging alles ganz schnell: Pierce kümmerte sich um den blutenden Mannschafts­kollegen, der verlangte, in ein Krankenhaus gebracht zu werden. In der Zwischenzeit hatte ein Security-Mitarbeiter des Clubs die ungesicherte Waffe an sich genommen und gesichert. Nachdem die beiden Footballspieler ihren Wagen bestiegen hatten, übergab der Sicherheits-Mann Pierce die Pistole, die zunächst im Handschuhfach deponiert wurde.

Unterwegs – das Auto wurde von einer bislang unbekannten Frau gesteuert – rief Pierce den Team-Trainer Ronnie Barnes an, der ihn anwies, Burress ins New York Presbyterian Hospital/Weill Cornell Medical Center zu bringen. Dort wurde der Verletzte gegen 2 Uhr nachts unter dem falschen Namen Harris Smith eingeliefert. Schon kurze Zeit später stand fest, dass die Schusswunde nicht lebensbedrohlich war.

Warum das Krankenhaus nicht, wie in solchen Fällen vorgeschrieben, die Polizei alarmier­te, ist nicht bekannt. Auch die vom Verein in­for­mier­te NFL unterrichtete die Behörden nicht, obwohl die Giants angeblich darum gebeten hatten.

Erst am Morgen gegen 10.30 Uhr rief das ­Security Department der NFL die Polizei an, allerdings nicht, um über den Schuss zu informieren, sondern, so ein Beamter, »ganz offensichtlich, um herauszufinden, wie viel wir wissen, das war eindeutig Fischen nach Informa­tionen«.

Die New York Police hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mit Ermittlungen begonnen, denn die Beamten hatten Fernsehen geschaut und erste Berichte gesehen, in denen von Gerüchten rund um Burress und eine Schussverletzung gesprochen wurde.

Mittlerweile wurden alle Beteiligten ausführlich vernommen, die genauen Aussagen sind nicht bekannt. Auch, was aus Burress wird, ist unklar. Bis zum Ende der Saison suspendiert, muss sich der 31jährige ab dem 31. März 2009 vor einem Gericht wegen illegalen Waffenbesitzes verantworten. Der Spieler war zwar im Be­sitz einer Waffenerlaubnis, aber die war auf den Staat Florida ausgestellt und schon lange abgelaufen.

Die Mindeststrafe für illegalen Waffenbesitz beträgt in der Stadt New York dreieinhalb Jahre. Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg erklärte gleich mehrmals, kein Verständnis für das Verhalten des Teams, der Liga und des Krankenhauses zu haben.

Ob auch andere Personen wie Antonio Pierce oder gar Angestellte des Krankenhauses oder von Verein und NFL mit einer Anklage rechnen müssen, steht noch nicht fest.

Die New York Giants scheinen ihren ehema­ligen Superbowl-Helden schon weitgehend abgeschrieben zu haben: Burress wurde offiziell auf die Reserveliste gesetzt, eingesetzt werden kann er damit nun in dieser Saison nicht mehr.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Wochenzeitung Jungle World. Die vollständige Wiedergabe des Textes in anderen (Online-)Publikationen ist nur mit Genehmigung der Autoren gestattet.

Kommentare

Comments are closed.

blogoscoop