Mehdi statt Mahdi!

von Lizas Welt

Normalerweise soll der Käpt’n ja als Letzter das sinkende Schiff verlassen. Wenn er es aber als Erster tut, kann man das durchaus als Aufforderung verstehen: Mir nach, rette sich, wer kann! So dürfte es jedenfalls Mehdi Mahdavikia gemeint haben, Fußballspieler in Diensten von Eintracht Frankfurt und Kapitän der iranischen Nationalmannschaft, als er vorgestern in einem handgeschriebenen dreiseitigen Brief an „die Bevölkerung im Iran und in der ganzen Welt“ seinen Rücktritt als Nationalspieler erklärte.

Der 31-Jährige gab für diesen Schritt allerlei sportliche Gründe an, aber er hatte auch eine politische Botschaft an das Regime und seine medialen Büttel zu verkünden: „Meine letzten Worte gehen an diejenigen, die Nationalspieler als Verräter bezeichnet haben. Wie könnt ihr es wagen, ohne Beweise so über Spieler zu sprechen, die jahrelang alles gegeben haben – ihre Körper, ihre Seelen und ihre Familien eingeschlossen –, um den Iran stolz zu machen und um den Menschen im Iran Pokale und Freude zu schenken? Ich schlage vor, dass ihr eure Bilanz vorlegt und uns die Ehre gebt, Loyalität von euch zu lernen – obwohl ich sicher bin, dass das Volk gut zwischen uns Landesverrätern und euch Loyalisten unterscheiden kann.“

Hintergrund für Mahdavikias Schreiben sind die Vorfälle während des WM-Qualifikationsspiels des Iran in Südkorea am 17. Juni und im Anschluss daran. Sechs iranische Spieler waren zu dieser Partie mit grünen Schweißbändern an den Armgelenken aufgelaufen – als „Zeichen der Solidarität mit den Menschen daheim auf der Straße“, wie ein Teambegleiter zu Spiegel Online sagte. Mahdavikia hatte außerdem eine grüne Kapitänsbinde am Oberarm getragen. In der Halbzeitpause hatten die Kicker die Bänder jedoch abgelegt – offenbar auf Intervention eines iranischen Sportfunktionärs, der gleichzeitig ein Schwager von Mahmud Ahmadinedjad ist. Der iranische Fußballverband kündigte nach dem Match Sanktionen gegen die betreffenden Spieler an; die britische Tageszeitung The Guardian berichtete sogar, vier Akteure sollten dauerhaft aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen werden. Davon betroffen seien neben Mahdavikia die aus der deutschen Bundesliga bekannten Ali Karimi und Vahid Hashemian sowie der für Persepolis Teheran spielende Hossein Kaabi. Dem Blatt zufolge erhielt außerdem kein iranischer Spieler nach der Rückkehr nach Teheran seinen Reisepass zurück, was Vahid Hashemian allerdings dementierte. In der regimetreuen iranischen Presse wurden die Kicker, die ein grünes Band trugen, als „Landesverräter“ beschimpft.

Mahdavikia schrieb Chamenei, Ahmadinedjad & Co. mit seinem Brief außerdem ins Stammbuch, mögliche Vergehen in internationalen Begegnungen dürften nur von der Fifa untersucht werden „und von keiner anderen Person oder Organisation“. Damit machte der 110malige Nationalspieler deutlich, dass er sich für seine Aktion und die seiner Mitspieler ausschließlich gegenüber dem Weltfußballverband zu rechtfertigen gedenkt, nicht aber vor dem Mullah-Regime. Die Fifa untersagt zwar in ihren Statuten politische oder religiöse Äußerungen während eines Spiels, hat jedoch beschlossen, keine Maßnahmen gegen die iranischen Kicker zu ergreifen. Zur Begründung hieß es, der Schiedsrichter habe nichts in seinem Spielbericht vermerkt, weshalb kein Grund zum Einschreiten bestehe – eine beachtliche Entscheidung. Der Vizepräsident des iranischen Fußballverbands, Mehdi Taj, versucht unterdessen, die Fifa präventiv zu beschwichtigen. Denn die verbittet sich den Eingriff der Politik in die Belange der nationalen Verbände und droht bei Zuwiderhandlungen mit dem Ausschluss. „Wir sind gegen die Einmischung von Parlamentsmitgliedern in die Angelegenheiten des Fußballs unseres Landes“, sagte Taj Press-TV zufolge dann auch pflichtschuldig.

Mag sein, dass Mehdi Mahdavikia nach dem schon jetzt feststehenden Scheitern der iranischen Fußballauswahl in der WM-Qualifikation ohnehin zurückgetreten wäre. Entsprechendes hat er jedenfalls der Frankfurter Rundschau gesagt. Doch seine politische Stellungnahme bleibt – sowohl die während des für ihn und seine Mannschaftskollegen so entscheidenden Qualifikationsspiels in Südkorea als auch die in seinem Brief. Im fußballbegeisterten Iran wird die Botschaft jedenfalls angekommen sein, und sie hat den Schergen des Regimes offenkundig gar nicht gefallen. Man muss es deshalb zutiefst bedauern, dass der Iran sich nicht mehr für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Südafrika qualifizieren kann. Denn anders als beim Turnier in Deutschland vor drei Jahren wäre es den iranischen Machthabern dann vermutlich nicht ohne Weiteres möglich gewesen, den Auftritt der Nationalmannschaft propagandistisch auszuschlachten. Nun darf man aber immerhin gespannt sein, ob zumindest ein Teil der Besatzung ihrem Kapitän folgt.

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