Manipulieren auf den Punkt

von Boris Mayer

Korruption wird im Cricket zu einem immer größeren Problem.

Spätestens seit der Affäre um den Berliner Schiedsrichter Robert Hoyzer ist auch in Deutschland bekannt, dass die Manipulation von Spielen durch korrupte Spieler, Trainer oder Schiedsrichter nicht allzu schwierig ist.
Doch es müssen nicht immer gleich ganze Matches sein. Seit dem Boom der Internetwetten kann man nicht nur auf den Spielausgang, sondern auf zahlreiche Spielsituationen wetten. Dabei ist der Einfallsreichtum der Anbieter praktisch unbegrenzt, was es besonders schwierig macht, eine Manipulation bei diesen Wetten nachzuweisen. Beliebt sind im Fußball beispielsweise Wetten auf den ersten Einwurf in einem Spiel für eine Mannschaft, auf das erste Foul oder die erste Abseitsstellung.
In anderen Sportarten, wie im gerade erst durch einen Skandal erschütterten Cricket, sind wegen der Vielzahl der Spielsituationen die Manipulationsmöglichkeiten noch deutlich größer.

Schiebereien bei Wetten auf diese eigentlich oft unbedeutenden Ereignisse, die nur in den Statistiken festgehalten werden, sind ungleich schwieriger zu erkennen als vorher festgelegte Spielausgänge, während sie sich gleichzeitig nicht unbedingt auf das Endergebnis auswirken.
So unterscheidet man im englischen Sprachraum sehr genau zwischen Match Fixing, bei dem es darum geht, das Ergebnis eines Spiels zu beeinflussen, und Spot Fixing, dem bewussten Herbeiführen von bestimmten Ereignissen in einem Spiel. Illegal ist natürlich beides. Im Cricket wird Spot Fixing inzwischen vom internationalen Verband ICC (International Cricket Council) als nicht so schwerwiegend und verwerflich wie Match Fixing bezeichnet. Schließlich werden im ersten Fall nur die Wettenden und nicht zusätzlich noch andere Spieler betrogen. Die wegen der unterschiedlichen Auswirkungen beider Manipulationsarten zunächst logisch klingende Aussage zeigt jedoch vor allem, wie verbreitet die Mainpulation von Spielsituationen inzwischen ist, jedenfalls im Cricket.

In einem aktuellen Fall von Spot Fixing werden gerade drei Spieler aus Pakistan beschuldigt, gegen Geld jeweils einen No-Ball in einem Spiel fabriziert zu haben. Ein No-Ball ist ein Überbegriff für einen illegalen Wurf, im Cricket gibt es dabei 15 verschieden Gründe für einen No-Ball. Ein No-Ball ist in der Sportart nicht selten, zehn bis 30 Mal kommt er in einem Match vor.

Der Auftraggeber der drei beschuldigten Spieler hatte jedoch nichts mit Sportwetten zu tun, sondern war ein undercover arbeitender Reporter der für ihre rüden Methoden berüchtigten britischen Boulevard-Sonntagszeitung News of The World. Dieser hatte sich mit dem Agenten der Spieler Salman Butt, Mohammad Amir und Mohammad Asif getroffen. Der Agent, Mazhar Majeed, bekam 150 000 britische Pfund für die auf die Minute genau geworfenen Fehlbälle. Da die Seriennummern der Geldscheine notiert worden waren, konnte die Polizei später mehrere Scheine bei den Spielern sicherstellen.

Von den Cricketverbänden wird nun gefordert, die drei Spieler lebenslang zu sperren, die Sportler beteuern hingegen, hereingelegt worden zu sein.

Natürlich gilt für sie zunächst die Unschuldsvermutung. Cricket gilt jedoch als eine der korruptesten Sportarten der Welt. Immer wieder wurden in der Vergangenheit Match Fixings nachgewiesen, häufig auch mit Beteiligung pakistanischer Spieler.

In einem Artikel für den britischen Telegraph beschrieb der Autor Scyld Berry kürzlich die Ursachen für die pakistanische Cricket-Korruption. Berry, der Pakistan seit 1977 immer wieder bereist hat, berichtet, dass die Atmosphäre in den Kabinen durch strikte Hierarchie geprägt sei. Der Teamkapitän hat das Sagen, die anderen Spieler haben sich kritiklos seinen Anweisungen unterzuordnen, wenn sie ihren Platz in der Mannschaft behalten möchten. Die meisten pakistanischen Cricketspieler können nicht allein vom Sport leben, sondern müssen nebenher arbeiten – im Gegensatz zu ihren indischen Kollegen, die von ihren Clubs gut bezahlt werden. Pakistan verfügt schließlich nicht über große privat geführte Unternehmen und Industriefirmen, die als Sponsoren auftreten könnten.

Nackte Gier sei jedoch nicht der Hauptgrund für die Korruption im pakistanischen Cricket, schreibt Berry, auch wenn viele Pakistani angesichts von Mauscheleien in Verwaltung und Behörden, bestechlichen Beamten und grassierender Vetternwirtschaft das Gefühl hätten, einfach nur mit Ehrlichkeit und Arbeit kaum den Lebensunterhalt verdienen zu können. Auf manche Spieler sei immenser Druck ausgeübt worden: »Es ging auch um verständliche menschliche Schwächen. Wenn Sie ein halbtags bei einer inzwischen bankrott gegangenen Bank beschäftigter pakistanischer Cricketspieler gewesen wären und wenn nun einige Leute, die Sie dazu überredet hatten, ihre Ersparnisse dort anzulegen, ihr Geld wiederhaben wollten, und zwar von Ihnen und das schnell, ansonsten wird Ihrer Familie etwas zustoßen – was würden Sie und die meisten von uns wohl tun?« Die Hintermänner der Wettmafia arbeiten mit perfiden Methoden, um junge Spieler zu verpflichten. Wie Lord Condon, Vorsitzender der Anti-Corruption and Security Unit (ACSU), des Anti-Korruptions-Ausschusses des internationalen Cricketverbandes, in einem Interview erklärte, werden Junioren mit Geschenken und Geld für das Ausplaudern von Interna belohnt, bis sie sich endgültig in der Hand der gewerbsmäßig organisierten Kriminalität befinden.

Allzu schwer dürfte ihnen der erste Schritt dabei nicht fallen, sind doch die Teamkapitäne oft selbst in illegale Machenschaften verstrickt. Aber selbst unbestechliche Spieler können nicht sicher sein, nicht doch eines Tages erzwungenermaßen auf der Lohnliste der Wettkriminellen zu landen: Zum Repertoire der Mafia gehören auch Sex-Fallen und Erpressung – die Hintermänner sind es nämlich gewohnt, mit harten Bandagen zu kämpfen.
Zwei von ihnen, die derzeit mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, haben ihre Karriere im ebenfalls Mafia-verseuchten Bollywood gewonnen. In einem Dubaier Hotelzimmer in kompromittierenden Situationen fotografiert oder gefilmt worden zu sein, dürfte für junge pakistanische Sportler als Motiv ausreichen, alles zu tun, was verlangt wird. Derzeit wird auch gegen einen der besten Cricketspieler aus Sri Lanka ermittelt. Was genau dem ungenannt bleibenden Mann vorgeworfen wird, ist noch nicht bekannt. Aus dem Anti-Korruptions-Ausschuss nahestehenden Kreisen hieß es lediglich, er sei von seinem Team-Manager mit jemandem gesehen worden, der des Match Fixing verdächtigt werde, und daraufhin bei der ACSU angezeigt worden.

Der Artikel erschien zuerst in der Wochenzeitung Jungle World

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