love sport, hate neonazism

von Elke Wittich

Als Reaktion auf Übergriffe, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie in Stadien und auf Sportplätzen haben die Roter Stern-Vereine die Initiative love sport, hate neonazism gestartet. SportsWire dokumentiert die Erklärung im Wortlaut

“Ob Aerobic, Nordic Walking, Schach, Basket- oder Fußball: Sport erfreut sich in Deutschland großer Aufmerksamkeit und Beliebtheit. Er wird von der Gesellschaft gefördert und für die Gesundheit gefordert. Jugendliche werden angehalten, statt den ganzen Tag vor Fernseher und Computer zu verplämpern, lieber ihre müden Knochen zu bewegen. Und dies hat auch einen guten Grund: Vor allem in den unterschiedlichsten Teamsportarten wird mit anderen Menschen interagiert und so Gesellschaft im Kleinen gelebt. Gerade deshalb eignet sich Mannschaftssport hervorragend um die gesellschaftliche Integration und politische Willensbildung zu fördern.
Natürlich kann es aber auch eine gegensätzliche Tendenz annehmen. Dann werden Stadien und Sportplätze zum Kundgebungsort für rassistische Verunglimpfungen, homophobe Schmähungen, antisemitische Sprechchöre oder anderer Spielarten von Diskriminierungen. In Extremfällen kommt es gar zu brutalen Angriffen von Neonazis und Stammtischrassisten auf Spieler oder Fans, wie zum Beispiel in den letzten Jahren geschehen bei Spielen der Vereine TUS Makkabi Berlin, Roter Stern Leipzig oder Tennis Borussia Berlin.

Die Öffentlichkeit reagiert reflexhaft bei jedem dieser Angriffe mit verbalen Trostpflastern. Langfristige Konsequenzen folgen jedoch kaum oder versanden in der bundesdeutschen Bürokratie. Nach ein paar Tagen, höchstens Wochen, ist das Thema erledigt und die Normalität von Wegschauen und Mitmachen ist wieder Herr der Lage. Vor den Schiedsgerichten der regionalen Fußballverbände erleben die angegriffenen Vereine wie jedes Mal ein juristischer Eiertanz um das Urteil aufgeführt wird, an deren Ende in der Regel dann steht, dass die in den Regularien vorgesehenen harten Strafen kaum oder gar nicht umgesetzt werden.

Mit dieser Realität wollen wir uns nicht mehr abfinden. Es ist an der Zeit diesen Zustand von ganz unten aufzurollen. Als Sportvereine und Faninitiativen sehen wir uns in der Pflicht, ebenso wie in der Lage, gegen jede Art von Diskriminierung auf und neben dem Sportplatz offensiv Stellung zu beziehen. Aber statt der üblichen großen Transparente mit den hübschen Absichtserklärungen sind vor allem mehr nachhaltige Initiativen im Jugendbereich gefordert. Darauf wollen wir uns, gemeinsam mit unseren Bündnispartnern, in den nächsten Jahren konzentrieren. Kontinuität ist die beste Antwort auf die tieffliegenden Eintagsfliegen der Presse.

Und, statt uns ständig mittels verwaltungsrechtlicher Gebaren Steine in den Weg zu legen, sollten die lokalen Behörden endlich einmal begreifen, dass zivilgesellschaftliches Engagement im Sportbereich eine der besten Präventivmassnahmen gegen Diskriminierungen jeglicher Art ist. Genau aus diesem Grund muss zum Beispiel die Platzvergabe nicht nur an dem Erfolg und der Größe des Vereins, sondern auch an dem zivilgesellschaftlichen Engagement festgemacht werden. Dies ist eine der Hauptgrundlage um unsere (Jugend-)Arbeit weiter erfolgreich organisieren zu können.

Doch damit nicht genug. Zusammengefasst fordern wir von den zuständigen Sportfachverbänden, dem DFB, der DFL und der überregionalen und lokalen Politik ein komplettes Maßnahmenpaket:

Urteilssprechung: Die Einhaltung der eigenen Regularien von den Fußballlandesverbänden zu fordern klingt verdammt komisch, ist aber dringend notwendig. Und zwar seitdem Schiedsgerichte nicht nur einmal jenen Vereinen, die von Rassisten bzw. Neonazis während eines Spiels angegriffen wurden, Nachholspiele aufs Auge gedrückt haben, statt die Partien, wie in den Regeln festgeschrieben, zugunsten dieser zu werten.

Platzvergabe: Bei der Vergabe von Platz- und Hallenzeiten darf nicht nur der Erfolg und die Masse der Mitglieder ausschlaggebend sein. Daher fordern wir, dass die Platzordnungen und Sportanlagennutzungsverordnungen um einen Passus zur Förderung von Sportvereinen erweitert wird, die zivilgesellschaftliche Standards umsetzen und sich dem Engagement gegen Diskriminierung widmen.

Raumvergabe in öffentlichen Einrichtungen: Derzeit ist es so, dass organisierte Gruppen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen für die Nutzung von staatlichen Räumlichkeiten, wie zum Beispiel Jugendclubs, Geld bezahlen müssen. Sich selbst organisierende Menschen werden dadurch extrem benachteiligt. Das ist so keineswegs hinnehmbar!

Politische Symbolik in Stadien: Unverständlich ist, dass Transparente und Zaunfahnen, die sich gegen Diskriminierung und Neonazismus richten aus den Stadien verbannt wurden und werden. Diese politischen Symbole dürfen nicht verboten werden, sondern sollten eine willkommene Botschaft für ein solidarisches Miteinander sein.

Kollektive Stadionverbote: Am 30. Oktober 2009 hat der BGH beschlossen, dass Stadionverbote auf Verdacht rechtmäßig sind. Solch eine kollektive Sippenhaft ist ein nicht hinzunehmender Verstoß gegen die individuellen Grundrechte eines jeden Bürgers und steht einer demokratischen Gesellschaft äußerst schlecht zu Gesicht.”

Wer mitmachen möchte, kann sich bei Roter Stern Berlin weiter informieren. Auf der Seite finden sich auch Banner und Druckvorlagen

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