Lesley Visser war die erste Journalistin, die es in die Hall of Fame schaffte. Ihre Karriere als Football-Reporterin begann sie zu einer Zeit, als Frauen der Zugang zum Pressebereich noch verboten war. Und es so etwas Exotisches wie Damentoiletten dort natürlich auch nicht gab…

American Football dürfte zu den testosteronhaltigsten Sportarten überhaupt zählen. Totzdem schaffte es mit der Fernsehreporterin Lesley Visser die erste Journalistin in die Hall of Fame. Die 56-Jährige ist eine Pionierin. Als sie ihre Karriere begann, galt für die Pressetribünen der Footballstadien noch, wie in den Arbeitsgenehmigungen für Reporter vermerkt: »Keine Frauen, keine Kinder.« Entsprechend gab es auch nirgendwo in den Medienbereichen Damen­toi­letten.

Noch während ihrer Collegezeit hatte die Englisch-Studentin Visser 1974 eine Praktikumsstelle im renom­mierten Sportressort der Tageszeitung Boston Globe ergattert. Finanziert wurde das Praktikum von einer Stiftung, die Studentinnen, die Berufe ergreifen wollten, in denen zu 95 Prozent Männer arbeiteten, unterstützte. Visser hatte sich immer für Sport und vor allem für Football interessiert, allerdings kaum Chancen gesehen, daraus einen Beruf zu machen.

Sportjournalismus war damals in den USA ein eindeutig männlich dominiertes Genre, die wenigen Frauen in dem Job beschäftigten sich mit traditionell als weiblich geltenden Sportarten wie Kunstturnen, Eiskunstlaufen und Gymnastik. Wagten sie sich in andere Bereiche, wurden sie von Athleten, Trainern und Funktionären oft ausgesprochen rüde behandelt. Verweigerte Interviews waren für sie an der Tagesordnung.

Visser, bereits als kleines Mädchen Boston-Celtics-Fan und zu Halloween lieber als Quarterback denn als Fee oder Prinzessin kostümiert, ging es zunächst nicht viel besser. Sie ließ sich allerdings nie provozie­ren, weder durch verbale Unverschämtheiten noch von Spielern, die sich für Zeitungsinterviews schon mal nackt vor ihr aufbauten. Wenn ein Coach ihr ver­bot, mit den männlichen Kollegen die Kabine zu betreten, sprach sie eben vor der Tür mit dem Quarter­back oder Linebacker. »Was hätte ich auch sonst tun sollen? Mein Boss erwartete pünktlich um 18.30 Uhr meine Story, ganz einfach.«

Von den Spielern wurde sie nicht immer sofort als Journalistin erkannt: Als sie mit Stift und Block auf den mittlerweile legendären Quarterback Terry Brad­show zuging und gerade die erste Frage stellen wollte, kritzelte er ihr rasch ein Autogramm auf den Block und wandte sich zum Gehen. »Ich musste hinter ihm herlaufen und ihm sagen, dass ich Re­porterin bin«, erinnerte sie sich in einem Interview, »und dann schaute er mich an, als sei ich ein Marsmensch.«

Lesley Visser überzeugte nach und nach selbst die größten Machos durch ihre Kompetenz und wurde schließlich von ihrer Zeitung als Team-Berichterstat­terin für die New England Patriots eingesetzt. »Es liegt Jungs weder in den Genen, Sport zu lieben noch ihn zu verstehen«, beschied sie damals männlichen Kritikern kühl. Und wechselte 1987 zum Fernsehsender CBS, wo sie hauptsächlich als Football-Reporterin arbeitete. »Ich weiß nicht, ob jeder so weit ist, von einer Frau zu hören, dass dieser oder jener am linken Tackle vorbeirennen wird. Aber wissen Sie was? Sie werden es hören«, erklärte sie und fügte hinzu: »Glaub­würdigkeit hat nichts mit Geschlecht, sondern mit Können zu tun.«

Aufgrund ihres Könnens schaffte Visser im Verlauf ihrer Karriere eine ganze Menge inoffizieller Rekorde: Sie war die erste weib­liche NFL-Berichterstatterin des Boston Globe, die erste Frau, die zur Expertenrun­de von »Monday Night Football« gehörte, die erste Reporterin an der Seitenlinie bei einer Superbowl-Übertragung, die erste Fernsehjournalistin mit dem Spezialgebiet Mannschafts- und Taktik­analyse.

Alle diese Erfolge verhinderten jedoch nicht, dass im Jahr 2000 auch der Reporte­rin das passierte, was Männern im Fernsehen so gut wie nie widerfährt: Sie wurde als Reporterin der renommierten ABC-Sendung »Monday Night Football« durch eine fachlich schlechtere, aber besser aussehende, jüngere und vor allem faltenfreie­re Kollegin ersetzt – der man zur Sicherheit gleich auch noch einen Mann zur Seite stellte.

Auf Lesley Vissers Kompetenz wollte ihr alter Sender CBS, für den sie 1989 live vom Fall der Berliner Mauer berichtet hatte, allerdings nicht verzichten und verpflichtete sie umgehend. Unter anderem übernahm die Reporterin dort die Olympiaberichterstattung und Football-Übertragungen.

An ihrem Arbeitsplatz hängt ein gerahm­ter Gruß, der ihr einmal von der Tennis­spielerin Billie Jean King geschickt wurde. »Champions kommen damit klar, denn Druck ist ein Privileg«, schrieb die Sportlerin, die 1973 das erste Geschlechter-Match gegen Bobby Riggs für sich entschied, in Anspielung darauf, wie schwer es Sportpionierinnen hatten, die Männer herausforderten. Dieser Satz sei für sie sehr wichtig gewesen, sagte Visser später, denn sie habe ihn stets als Ermutigung empfunden.

King, die schon während ihrer aktiven Zeit eine Vorkämpferin der Gleichberechtigung war, musste vor der Begegnung mit Riggs viel Häme männlicher Sportfans ein­stecken. Das zum »Krieg der Geschlechter« hochstilisierte und in 37 Ländern live übertragene Match wurde von der sechsmaligen Wimbledon-Siegerin klar 6-4, 6-3, 6-3 gewonnen. »Ich bin mit dem Gedanken da rangegangen, dass eine Niederlage das Frauentennis um 50 Jahre zurückwerfen würde«, sagte King später, »und sicher auch das Selbstwertgefühl vieler Frauen verletzt hätte.«

Stattdessen wurden vermutlich viele männliche Egos angekratzt, denn bis heute hält sich ein vor allem in letzter Zeit wieder verstärkt im Internet kursierendes Gerücht, wonach »the battle of the sexes« unter ungleichen Bedingungen geführt worden sei und die Regeln zugunsten von Billie Jean King verändert worden seien – in Wirklichkeit spielten beide aber unter gleichen Voraussetzungen.

Unter den Frauen, die der Tennisspielerin die Daumen drückten, war auch Lesley Visser. »Billie Jean King war mein Idol«, sagt sie, die ihrerseits vielen jüngeren Frauen als Vorbild gilt und entsprechend Ehrungen fast aller US-amerikanischen Journalistinnen-Verbände erhielt. In den Laudatios wird meistens darauf verwiesen, dass sie dafür gesorgt habe, dass »kleine Mädchen heute nicht mehr nur sagen können, eines Tages Präsidentin oder Verfassungsrichterin werden zu wollen, sondern auch, dass ihr Berufswunsch Football-Reporterin ist«.

»Ich war wohl eine ehrenwerte Pionierin«, lachte Visser einmal während einer Preisverleihung (ihr lautes Lachen ist in den USA berühmt und wird manchmal zur Untermalung lustiger Szenen benutzt). »Schließlich habe ich dafür gesorgt, dass es mittlerweile Frauen­toiletten in den Pressebereichen der Football­stadien gibt.«

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1 Kommentar zu “Lesley Visser: Pionierin im Football-Journalismus”

  1. Lesley Visser: Pionierin im Football-Journalismus : SportsWire | bestpenalty.com am 01.18.09 08:43

    […] Lesley Visser: Pionierin im Football-Journalismus : SportsWire […]

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