Oct
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Seit dem letzten Interview mit der Faninitiative “Kein Kick vor Zwei” im Juni ist eine Menge passiert.
De Deutsche Fußball-Liga (DFL) wird die Rechte für die 1. und 2. Liga nun allein vermarkten, der Pay TV-Sender Premiere musste eingestehen, die Zahl seiner Abonnenten drastisch geschönt zu haben.
Was dagegen nicht passiert ist: Die Pläne für frühere Anstoßzeiten sind immer noch nicht vom Tisch.
Viele Gründe also für ein erneutes Gespräch mit Sebastian Elbe, über Anstoßzeiten und Fanproteste, Geldverdienen und Stadionbesuche.
Seit das Bundeskartellamt die Pläne der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zur Vermarktung der Bundesligaspiele gekippt hat, ist eine Menge passiert. Der Vertrag mit Sirius, der zu Leo Kirch gehörenden Sportrechteagentur, ist gekündigt, die Liga wird die Vermarktung der Spiele wohl in Eigenregie übernehmen.
Ist das nun eher gut oder schlecht für alle, die keinen Fußball zu ungünstigen Zeiten wollen?
Das kommt ganz darauf an, was die DFL jetzt wirklich als Alternativplan präsentieren wird. Grundsätzlich wäre das ja eine gute Gelegenheit, in das neue Modell Faninteressen einzuarbeiten ohne dabei das Gesicht zu verlieren.
Am Ende könnten alle gewinnen. Den Fans wird der Stadionbesuch nicht weiter erschwert, die DFL kann was fürs Image tun, die Vereine können beweisen, dass ihnen Faninteressen wichtig sind und wieder näher an den eigenen Anhang heranrücken und das alles wird der deutsche Profifußball sicher überleben.
Es ist ja nicht so, dass hier am Hungertuch genagt wird, die Stadien sind rappelvoll, die Liga ist wirtschaftlich kerngesund und verdient gutes Geld.
In Italien oder Spanien sieht das streckenweise schon ganz anders aus. Das sind viele Vereine hochverschuldet oder spielen vor halb leeren Rängen.
Ihr habt mit einem Offenen Brief an die DFL unter anderem auf Gerüchte reagiert, nach denen sowohl in der 1. als auch in der 2. Liga 13.30 Uhr als eine mögliche neue Anstoßzeit diskutiert wird. Gibt es in Bezug auf diesen Termin Neuigkeiten?
Diese Gerüchte scheinen fundiert zu sein, da sie von Zeitungen veröffentlicht wurden, die traditionell sehr DFL-nah sind.
Die neueste Spekulation ist, dass jetzt auch noch samstags in der 2. Liga gespielt werden soll. Ebenfalls um 13.30 Uhr. Also noch eine Anstoßzeit mehr.
Wenn man bedenkt, dass die DFL nicht selten die endgültigen Terminierungen erst drei Wochen vor den Spielen festlegt, kann man so ein Szenario getrost einreihen in die lange Reihe der Erschwernisse für Fans, Spiele ihres Vereins zu besuchen.
Ganz zu schweigen davon, dass es für Fanprojekte immer unmöglicher wird, mit so wenig Vorlauf preisgünstige Busse oder Züge zu buchen.
In dem Brief erklärtet Ihr “warum die 14 Uhr-Grenze für uns eine nicht verhandelbares Ziel darstellt. Davon werden wir nicht um eine Minute abrücken”.
Euch ist aber schon klar, dass es dem Unternehmen DFL ziemlich wurscht sein kann, wenn ein paar tausend Fans Anstoßzeiten doof finden?
Die paar tausend Fans sind immerhin über 20.000 Leute alleine bei uns. Und ich unterstelle mal, dass von diesen Fans, die allesamt Mitglieder in Fanclubs sind, der überwältigende Teil Dauerkarten besitzt und und dem eigenen Verein nicht erst seit gestern die Treue hält.
In der Sprache der DFL nennt sich das vermutlich Stammkunden.
Von dem Pizzaservice, bei dem ich Stammkunde bin, bekomme ich regelmäßig Gutscheine geschickt. Mein Stammkiosk hat extra für mich eine bestimmte Zeitung ins Programm genommen. Die haben verstanden, wie man sein Geschäft erfolgreich führt und es wäre doch schade, wenn das bei der DFL anders wäre…
Mit TV-Zuschauer-freundlichen Übertragungszeiten erzielte Einnahmen betragen ein Mehrfaches von dem, was beispielsweise durch einen Boykott einiger hundert Auswärts-Fans an Eintrittsgeldern fehlen würde. Diese fiktiven Fans würden zudem das Spiel statt im Stadion vor dem Fernseher verfolgen – richtig gut ist Eure Verhandlungsposition nun wirklich nicht…
Es ist ja nicht mal so, dass die Leute dann nicht mehr zu ihren Verein gehen würden, sondern das es viele zeitlich schlicht nicht mehr können.
Richtig ist, dass der rein finanzielle Verlust durch ein paar Zuschauer weniger vernachlässigbar wäre.
Aber wenn wir anfangen, Fankultur in Euro umzurechnen, ist das der Anfang von Ende. Und ausserdem: Es kann doch niemand ernsthaft glauben, dass die Sponsoren-Einnahmen der Vereine stabil bleiben würden, wenn der Fußball immer mehr in die Nische Pay-TV wandert.
Ohne eine aufmerksamsstarke Sendung wie die Sportschau in einer zeitnahen Ausstrahlung mit – wie jetzt – im Schnitt knapp 6 Millionen Zuschauern fallt die beste Werbung für den Fußball und seine Sponsoren weg. Was an der einen Ecke reinkommt, wird an der anderen Ecke wieder verloren.
Je globaler man das Problem betrachtet, desto paradoxer erscheinen einem die von der DFL angebotenen Lösungen.
Was die ausschließliche Präsentation eienr Sportart bzw von Ereignissen im Pay-TV angeht, ist vielleicht die Golden League in der Leichtathletik ein gutes Beispiel. Nachdem man für einige Zeit von den Öffentlich-Rechtlichen zu Premiere wechselte, verschwand das Event praktisch aus dem öffentlichen Bewusstsein. Habt Ihr solche Beispiele gesammelt bzw Kontakt zu Medienforschern, die solche Fälle dokumentieren?
Ein gutes Beispiel ist der Ligapokal. Den hat Premiere drei Jahre lang exklusiv gezeigt, daraufhin ist er aus der Öffentlichkeit verschwunden und nun völlig abgeschafft worden.
Die Mischung macht es einfach. Es ist ja grundsätzlich kein schlechtes Angebot, sich jedes Spiel seiner Mannschaft komplett im Fernsehen anschauen zu können. Dem Eishockey hat es zum Beispiel geholfen, dass Premiere angefangen hat, Spiele zu übertragen, weil gleichzeitig auch die Zuschauerzahlen hochgegangen sind. Da wurde eine spannende Sportart sozusagen wachgeküsst.
Aber was den Fußball betrifft, sind die Prioritäten einfach falsch gesetzt. Der Fan sollte im Mittelpunkt stehen. Mit Dauerkarte, Verzehr im Stadion, Vereinsmitgliedschaft oder Merchandise steckt er ja auch richtig Geld in seinen Verein.
Bei der DFL steht der Fan aber ganz hinten in der Reihe und das Pay-TV ganz vorne. Das geht so nicht.
Glaubt Ihr, dass die jüngsten Enthüllungen über die gefälschten Zuschauerzahlen bei Premiere einen Einfluss auf die DFDL-Entscheidung haben könnten?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir haben ja in Deutschland quasi ein Monopol.
Für das Pay-TV gibt es nur Premiere und für das Free-TV nur die ARD. Alle anderen haben entweder nicht die nötige Infrastruktur oder können die Rechte nicht bezahlen. Die Verwertung im Internet steckt noch in den Kinderschuhen und wird auf Sicht keine Alternative darstellen.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass Premiere sich jetzt ein bisschen mehr auf unsere Seite schlägt, um das eigene ja eh schon schlechte Image bei den Fußballfans aufzupolieren. Der Unternehmenssprecher von Premiere hat sich, wie ich das mitbekommen habe, auf jeden Fall vor einiger Zeit meine Nummer besorgt und wenn er anruft, werde ich ihn sicher nicht wegdrücken.
Wie wollt Ihr nun bei den DFL-Verantwortlichen weiter Druck machen? Welche konkreten Aktionen sind geplant?
Wir haben fertige Pläne für große Stadionaktionen in der Schublade, die zeitnah umzusetzen wären.
Alles hängt jetzt erstmal davon ab, was die DFL für ein neues Modell ausschreibt. Dann reagieren wir.
Unsere Hauptaufgabe sehen wir aber eher im übergeordneten Bereich. Sprich: Kontakte vermitteln, Netzwerke bilden, Pressearbeit forcieren oder die starke Bündelung von Aktionen in Form von Dokumentation an einem zentralen Punkt.
So bilden wir beispielsweise jetzt schon Material von Protestaktionen aus über 20 Zweitligaspielen auf unserer Website www.keinkickvorzwei.de ab. Ausserdem erarbeiten wir gerade Maßnahmen, um die Vereine selber und die Vereinssponsoren mehr in die Verantwortung zu nehmen. Der Zettel ist also ziemlich voll.
Wieviele Unterstützer habt Ihr mittlerweile, sind auch Prominente darunter?
Im Moment sind uns bundesweit 570 Fanclubs angeschlossen.
Wie ich schon sagte, beziffert sich die Gesamtzahl an einzelnen Personen auf über 20.000 Fußballfans, die in diesen Fanclubs organisiert sind. In Nürnberg, Kaiserslautern, Fürth und Augsburg haben sich gar eigene Initiativen und Arbeitskreise gegründet, die die Proteste vor Ort zentral organisieren.
Ausserdem sind wir im Kontakt mit dem Management einer bekannten deutschen Band, vielleicht gibt es also bald auch Unterstützung von prominenter Seite.
Werdet Ihrs schaffen?
Wenn der Protest nach wie vor wächst und sich die Fußballfans in Deutschland weiterhin grade machen, dann schaffen wir es.
Bei den Anhängern von Zweitligavereinen klappt das schon gut, es wäre aber wünschenswert, wenn auch von den Erstligisten etwas mehr käme.
Denn wenn fanfeindliche Anstoßzeiten erstmal die Zweite Liga erreicht haben, wird es sicher nicht mehr lange dauern, bis auch das Oberhaus davon betroffen ist. Es geht ja nicht nur um Uhrzeiten, sondern eben auch darum, eine Entwicklung auszubremsen, die uns irgendwann englische Verhältnisse bringt mit Live-Fußball in reinen Sitzplatzstadien nur für Besserverdienende zu Anstoßzeiten, die gelebtes Fansein nicht mehr planbar machen.
14 Uhr dehnt ja für viele schon die Grenze der Zumutbarkeit weit aus, jede Minute früher ist da aus Fansicht einfach nicht mehr tragbar.
Kommentare
4 Kommentare zu “Kein Kick vor Zwei – Interview mit der Initiative gegen ungünstige Anstoßzeiten”
Die Pläne zu den früheren Anstoßzeiten sind nicht nur nicht vom Tisch, sondern sie werden gerade sehr konkret:
http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/artikel/230572/
Demnach gibt es künftig zwei Samstags- und drei Sonntagsspiele in der Zweiten Liga, die jeweils um 13.30 Uhr beginnen sollen. Schöne Scheiße. Und der “kicker” nennt das wie zum Hohn auch noch euphorisch “Fußball total am Samstag!”.
irgendeinen Preis muß man ja zahlen, um solche Dinge als erster zu erfahren.
für manche ist der eben auch dann nicht zu hoch, wenn man sich dafür zum kritiklosen Beklatschen von Schwachsinn verpflichtet.
kicker weiter:
“Die Fans werden sich mit dem neuen Modell wohl anfreunden müssen, denn: Bricht der Liga der Pay-TV-Markt weg, werden sich die Klubs nur noch über drastische Erhöhungen der Eintrittspreise finanzieren können.”
klar, wie sonst?!
Gemeint ist damit wohl:
`Fresse, sonst wirds teuer!´
Offensichtlich braucht es weniger den Fan als irre Gehälter und Transfersummen, da gäbe es nämlich noch einiges an Einsparpotential.
Aber vielleicht reicht es ja auch, man füllt die Stadien mehr oder weniger mit den Empfängern von Freikarten für Sponsoren.
Und vielleicht reicht es dem Kicker auch einfach keinen kritischen Sportjournalismus zu machen.
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