Dec
13
Für viele sind sie ein Mythos, SportsWire gaben sie ein ausführliches Interview: Die Karstadtindianer. Ein Gespräch über Fußball, Geld und darüber, ob es im Osten überhaupt Karstadt gibt.
Ihr seid Fans eines der unbeliebtesten Vereine Deutschlands. Warum? Reichte es Euch nicht, Ossis zu sein?
Wir sind nicht TSG Fans um gehasst zu werden. Wenn ein paar Unverbesserliche immer noch ein Problem mit gutem Fussball, Erfolg, leistungsorientierter Ausrichtung eines Gesamtvereins, perfekt strukturierter Jugendarbeit und einer jungen Fanszene haben, soll das mal schön so bleiben. Auch als Ostdeutscher hat man erkannt, dass Geld nicht stinkt!
Wo kommen die Mitglieder der Karstadt-Indianer eigentlich genau her? Wieviele seid Ihr?
Wir sind bis auf ein paar Ausnahmen Leipziger, ein paar Exil-Cottbusser und Berliner sind auch dabei. Und es werden ständig mehr. Wir können uns mittlerweile vor Aufnahmeanträgen kaum retten. Wir spielen mit dem Gedanken, uns ein Postfach zuzulegen, da unsere Briefträgerin das nicht mehr mitmacht. Sie hat schon angedroht, in den Streik zu treten, das wollen wir nun auch nicht riskieren. Ausserdem ist sie einfach eine nette Person, der man schonmal die Tür aufhält, oder die Post der anderen Hausbewohner an der Tür abnimmt, man will ihr lieber Arbeit ersparen als zusätzlich aufhalsen.
Und wie kommt man von dort aus auf die Idee, Hoffenheim-Fans zu werden?
Ich denke dass ist in der ersten Antwort schon hinreichend begründet worden.
Nochmal: Wir sind der Meinung Geld stinkt nicht und es muss nur richtig eingesetzt werden. Der Dietmar (Herr Hopp, Anm. d. Karstadtind.) hat ja nun auch nicht Unsummen in das Team investiert, vielmehr wurden Bankdrücker von Loservereinen wie Mönchengladbach verpflichtet, die dann in Hoffe unter dem besten Trainer(team) der Welt zu Nationalspielern wurden. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen: “Euer Hass ist unsere Macht.”
Sich über einen Dorfverein aufzuregen der Bundesliga spielt und dort auch noch die ganze Liga aufmischt und international in aller Munde ist, kann doch jeder. Wir Karstadtindianer stehen aber schon seit Zweitligazeiten zur TSG. Wir lassen uns die Tradition nicht wegnehmen, vielmehr schauen wir in die Zukunft und werden dort noch das ein oder andere Achtungszeichen setzen, soviel ist sicher. Stichwort: “Zukunft bewegen!”
Hoffenheim hat nach landläufiger Meinung der meisten Fans anderer Vereine gar keine richtigen Fans. Was seid Ihr dann?
Was bitte sind “richtige Fans”? Leute die auf Verlierervereine ohne Geld halten? (Gut, dann wären unsere Freunde aus Leverkusen kategorisch ausgeschlossen) Was zeichnet diese aus?
Wir gehen mit der TSG durch dick und dünn, für uns steht und fällt alles mit der TSG. Genau wie für die ganzen anderen fussballverrückten, die Woche für Woche für ein ausverkauftes Haus in Mannheim (da spielt die TSG bis zum Cottbus-Kick in der Rückrunde welche im neuen Sinsheimer Stadion gespielt wird), also quasi in Auswärtsspielen (!) sorgen, ihre Mannschaft zum Sieg schreien.
Gut, es wird selten über gewalttätige Hoffenheim-Ultras oder Hools berichtet, vielleicht ist das das gesuchte Alleinstellungsmerkmal, das uns nicht zu “richtigen Fans” werden lässt, oder?!
Wie wurdet Ihr in Hoffenheim empfangen?
Wir wurden stets vorbehaltlos und ohne Exotenbonus behandelt. Uns TSG-Fans verbindet nunmal die Liebe zum Verein, der Stolz auf unsere Tradition und die Vorfreude auf unsere strahlende Zukunft. Da gibt es keine Ressentiments, keine Aussenseiter oder Mitläufer.
Wir begreifen uns alle als Teil einer starken Gemeinschaft, unsere Waffen sind Toleranz, faires Miteinander und erfolgreicher Fussball.
Niemand wird einen Keil zwischen uns Hoffenheim Fans treiben, abgesehen vielleicht von den Quertreibern und Dauernörglern von “Fanclub Marktfrisch”, die ständig versuchen Zwietracht zu säen. Das sind Trittbrettfahrer die gerne auf der Erfolgswelle mitschwimmen und sich ein Stück vom Profifussballkuchen abschneiden möchten. Nocheinmal: Die Karstadtindianer unterstützen die TSG seit Zweitligazeiten und wenn es sein muss auch in der Championsleague!!!
Fahrt Ihr zu Spielen?
Wir fahren überall mit der TSG hin mit, was sich mit unseren Berufen vereinbaren lässt.
So wäre es zum Beispiel zu riskant gewesen nach Cottbus zu fahren, man stelle sich vor, unseren Arbeitgebern gerieten Fotos in die Hände, die uns inmitten von Sandower (Stadtteil von Cottbus) Wohnsilos, wo eine Arbeitslosenquote von beinahe 50% herrscht, zeigen! Wo sie nichtmal befestigte Gehwege für Fussgänger haben und im Konsum um Rabattmarken gefeilscht wird! Nein, das könnten wir uns nicht so ohne weiteres erlauben, da muss man dann schonmal seine Identität als Privatperson vom Fandasein trennen können, was nicht immer einfach ist.
Gibt es Hoffenheim-typische Fangesänge oder Schlachtrufe? Vielleicht sowas wie “Wir kaufen Euch alle?”
Polemik ist uns ein Fremdwort. Wir unterstützen alle die TSG so lautstark und kreativ wir können. Dabei geht es uns nicht um das lauteste Grölen oder die fieseste Anfeindung von gegnerischen Fans. Wir wissen, wer wir sind und was wir können und haben, müssen uns nicht durch Schmährufe künstlich überhöhen. Die meisten Gegner erkennen das auch an, wenn nach dem Hoffenheim-Gastspiel in ihrer Stadt immer noch die gleiche Punktzahl hinter ihrem Team zu finden ist und sich nur das Torverhältnis ein wenig verschlechtert hat.
Der Präsident von Hoffenheim, Hopp, wurde in den letzten Monaten sehr angefeindet. Wie habt Ihr das alles erlebt, und was erlebt man so als Hoffenheim-Fan?
Diese Kritik, die unserer Meinung nach größtenteils von Neidern kommt ist mit der Zeit verstummt. Sie ist einem Respekt gewichen, der ehrliche Arbeit, Tradition und Fussball(fan)kultur anerkennt. Das soziale Engagement Dietmar Hopps kann unseres Erachtens nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auch wir als Karstadtindianer sahen uns immer wieder Anfeindungen einiger Unverbesserlicher ausgesetzt. Diese Tendenzen sind jedoch immer mehr Respekt und Anerkennung seitens unserer Gegner (eigentlich ein unschönes Wort, wir bevorzugen den Begriff “Spielpartner”) gewichen.
Wie sieht so ein Leben als ostdeutscher Hoffenheim-Fan denn nun aus?
Eigentlich garnicht so ungewöhnlich. Die meisten von uns stehen in Lohn und Brot, andere streben eine akademische Laufbahn an. Wir durchleben dieselben Hochs und Tiefs wie “normale” Menschen, die Wochenenden stehen dann jedoch ganz im Zeichen der TSG. Montags beginnt dieser Kreislauf von vorn, mit Elan und vom Sieg unseres Lieblingsvereins beflügelt, gehen wir unser Tagewerk an.
Warum heißt Ihr Karstadt-Indianer? Gibt´s überhaupt Karstadt im Osten?
Na klar! Viele von unseren Gründungsmitgliedern haben als Schüler und Studenten mal bei Karstadt gejobbt. Wir sind nach der Arbeit nicht gleich nach Hause gelaufen, sondern haben oft noch den Musikern, die die Menschen mit lateinamerikanischer Panflötenmusik zugesetzt haben, gelauscht und haben ihnen von unserem frisch verdienten Geld selbstgebrannte CDs abgekauft. So ist der Name entstanden. Ausserdem fühlen wir uns alle ein wenig als Indianer, Gojko Mitic (der “DDR-Winnetou”) soll Gerüchten zufolge auch mit dem TSG-Virus infiziert sein…
Die Myspace-Seite der Karstadtindianer findet sich hier
Kommentare
2 Kommentare zu “Karstadtindianer? Karstadtindianer! Interview mit dem ersten ostdeutschen Hoffenheim-Fanclub”
Die Karstadtindianer! Ostdeutsche TSG Hoffenheim Fans! Wie geil ist das denn?!
Nur dieses Geschimpfe auf Sandow finde ich nicht toll. Denn wir haben nur 48% Arbeitslosigkeit!
Tradition schlägt jeden Trend!
Ihr seid eine Schande für den Osten! Gegen Kommerz und Erfolgsfans!!!