karpatenbrasilianer

von Martin Krauss

Rumänien könnte heute Abend als Gruppenzweiter ins Viertelfinale einziehen. Dazu muss die Mannschaft nur gegen die Niederlande gewinnen, die ohnehin durch sind. Der rumänische Fußball ist besser, als der westeuropäische Kenntnisstand über ihn.

Heute soll an Helmuth Duckadam erinnert werden, einen früheren rumänischen Torwart. Der stand 1986 mit Steaua Bukarest gegen den FC Barcelona im Finale um den Europapokal der Landesmeister. Es kam zum Elfmeterschießen, und Duckadam hielt sämtliche Elfer Barcelonas. Seine Heldentat sorgte für den ersten Sieg eines osteuropäischen Vereins im Landesmeisterwettbewerb.  Der Aufschwung des rumänischen Fußballs wurde auch durch den politischen Systemwechsel 1989/90 nicht gestoppt: Bei der WM 1990 erreichten die „Tricolorii“, wie die rumänische Nationalelf genannt wird, das Achtelfinale, bei der WM 1994 das Viertelfinale und 1998 erneut das Achtelfinale. Im Jahr 2006 schafften es die rumänischen Klubs Rapid Bukarest und Steaua Bukarest ins Viertelfinale des Uefa-Cups, wo sie sich dann gegenseitig rausschmeißen durften.

In Westeuropa gilt Rumäniens Fußball bis heute als ein Rätsel aus den Karpaten. Schon die Person Helmuth Duckadam, ein deutschstämmiger Banater Schwabe, zog allerlei Gerüchte auf sich. Der „Kicker“ vermutete einmal, er sei „beim Staatspräsidenten Nicolae Ceausescu vermutlich wegen seiner deutschstämmigen Herkunft in Ungnade“ gefallen. Die „Bild“-Zeitung berichtete 1990: „Ceausescu jr. brach Star-Torwart beide Arme – er wollte sein Auto“. Die Gerüchte waren alle falsch, Duckadam legt noch heute Wert darauf, dass er Nicu, den einen Sohn, nicht gekannt habe und mit Valentin, einem anderen Sohn, befreundet gewesen sei.

Duckadams Dementi verrät mehr über den rumänischen Fußball, als man hierzulande heraushören möchte. Denn Valentin Ceausescu war der faktische Chef des Armeesportvereins Steaua, andere Mitglieder des Familienclans protegierten andere Vereine. Seine Mutter Elena zum Beispiel Dinamo Bukarest. Nachfolger Valentins wurde Gigi Becali, einer der reichsten Männer Rumäniens, der sich auch als Politiker hervortut, indem er beispielsweise antisemitische Reden schwingt und gegen Schwule hetzt.

Valentin Ceausescu und dem zehn Jahre jüngeren Gigi Becali sagt man in  Rumänien eine enge Freundschaft nach. Und Becali führt den Klub etwa so, wie Valentin und die Ceausescu-Familie den Fußball zu ihrer Zeit führten. Becali zahlt Gehälter, die sich über denen der Bundesliga bewegen sollen. Zur Bekämpfung von Fangewalt hat Becali den Song „We will rock you“ im Stadion verboten und religiöse Musik angeordnet. Und um seine Position im Verein auf ewig festzuhalten, ließ er Leonardos Gemälde „Das letzte Abendmahl“ nachmalen – mit sich selbst als Jesus und mit Jüngern, die die Köpfe von Spielern und Trainer tragen.

Gute Gaben generöser Gönner sind es, die den rumänischen Fußball so gut spielen lassen. Solche an Diktatoren gekoppelten Erfolgsursachen sind allerdings oft nicht langlebig. Valentin Ceausescu arbeitet  mittlerweile als Physiker, Helmuth Duckadam ist beim rumänischen Zoll beschäftigt, und Elena Ceausescu hat’s auf den Friedhof verschlagen.

Martin Krauß

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