Man hat den Eindruck, dass es niemanden interessiert, dass in einer Turnhalle in Gelsenkirchen wahrscheinlich ein Rekord für die Ewigkeit geschrieben wurde. Über siebenundsiebzigtausend Menschen sahen dort ein Eishockeyspiel. Und dazu noch einen historischen Sieg. Die deutsche Nationalmannschaft bezwang dort die USA. Manche Kommentatoren schwafelten sogar von einem neuen deutschen Sommermärchen. Und jetzt haben wir den Salat. Deutschland steht seit 1938! erstmals wieder in einem Halbfinale der Eishockey-WM. Doch da wird endlich Schluß sein mit Schwarz-Rot-Gold. Halbfinalgegener ist kein geringerer als der Dauerchampion aus Russland. Und diese Mannschaft ist bei der WM wohl nicht zu schlagen. Wohl auch, weil man das frühe Ausscheiden bei Olympia gegen Canada kompensieren muss. Warum das so ist, erklärt der Schweizer Benjamin Kaelin. Er hat das Viertelfinale Russland – Canada (5:2) für Sportswire analysiert.

In einem Spiel, das eigentlich viel mehr ist als nur ein Spiel, und welches außer echter Spannung wenig zu wünschen übrig ließ, bezwang Weltmeister Russland Olympiasieger Canada in Köln vor vollem Haus beeindruckend deutlich 5:2.
Wie schon bei Olympia kam es aufgrund der teilweise desolaten Leistungen der Kanadier in der Vor- und Zwinschenrunde, darunter etwa die historische erste Niederlage bei einer WM gegen die Schweiz, zum erneuten frühen Zusammentreffen der beiden Giganten. Doch anders als in Vancouver, als die Sbornaya mit 3:7 gedemütigt wurde, behielten dieses Mal die Russen mit einer überragenden Leistung die Oberhand. Schon nach zwei Dritteln war die Partie durch Treffer, die eigentlich den Begriff Kunstwerk viel eher verdient hätten, von Afinogenow, Malkin und Datsyuk entschieden.
Da die völlig überforderten Kanadier der spielerischen Überlegenheit nichts entgegenzusetzten hatten, beschränketen sie sich zunehmend auf die ihrem Team eigene Überhärte, die sich immer wieder in Schlägereien entlud, so dass sich die Schiedsrichter gezwungen sahen, nicht weniger als 46 Strafminuten gegen die Ahornblätter zu verhängen. Die russische Auswahl blieb davon aber völlig unbeeindruckt und entschied die Partie im Schlussdrittel mit Zauberhockey und durch Tore von Eishockeylegende Sergej Fedorow und erneut Jewgenj Malkin endgültig, was die vorwiegend von Russen besuchte Halle vollends in Verzückung versetzte und den Halbfinaleinzug perfekt machte.
Zyniker werden jetzt natuerlich einwenden, dass es sich beim Gegener der Russen höchstens um eine B-, wenn nicht gar um eine C-Auswahl gehandelt hat. Und in der Tat muss bemerkt werden, dass die Kanadier mit Correy Perry nur einen Olympiasieger in ihren Reihen hatten, während die Russen aus dem Vollen schöpfen konnten. Sie haben rund um die drei zur Zeit wohl besten Spieler der Welt Alexander Ovetschkin, Ilija Kowaltschuk und Jewgenj Malkin, die alle noch nicht 26 sind, die wohl beste Mannschaft der Welt aufgebaut. Das größte Duell, welches der Eishockeysport kennt, wurde also nicht mit gleich langen Spießen ausgetragen. Dennoch ist der Sieg natürlich als eine große Genugtuung für Trainer Slawa Bykow und seinen Stab anzusehen, waren diese nämlich nach Olympia in der Heimat heftigst kritisiert worden.
Auch die russische Eishockeyöffentlichkeit lässt sich von solchen Einwänden sicher nicht von ihrem Hochgefühl abbringen, dass allen, die nach Olympia keinen Schlaf finden konnten, ruhige Nächte beschert.
Was bleibt, ist also der 4. Sieg der Russen im 5. Aufeinandertreffen mit Kanada seit Beginn der Ära Bykows und die Antwort auf die Frage nach der momentanen Eishockey-Vormacht, denn am Weltmeistertitel der Russen scheint, auch aufgrund des Halbfinalgegners, der Deutschland heißt, niemand so recht zweifeln zu wagen.

Kommentare

1 Kommentar zu “Irgendwie ist doch Eishockey-WM in Deutschland? Oder nicht?”

  1. Hannes am 05.22.10 17:55

    Danke für die Analyse! Und jetzt Daumendrücken (für Russland)

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