Zu einer so seltenen wie kuriosen Szene kam es gestern Abend beim Qualifikationsspiel zur Champions League zwischen RB Salzburg und Hapoel Tel Aviv (Endstand: 2:3). Nachdem Itay Shechter in der 53. Minute den dritten Treffer für die Israelis erzielt hatte, zeigte er eine besondere Variante des Torjubels (siehe das oben eingebettete Video): Er zog eine Kippa aus einem seiner Strümpfe hervor, setzte sie sich auf und begann zu beten. Kurz darauf zeigte ihm Schiedsrichter Pedro Proença aus Portugal die Gelbe Karte – womöglich, so mutmaßt zumindest der englische Kommentator (und suggeriert die Bildregie), für seine ungewöhnliche Freudenbekundung.

Wie gesagt: womöglich. Denn durch die diversen Wiederholungen des Treffers im Fernsehen sieht man nicht, was nach dem Tor und dem Torjubel von Shechter im Einzelnen passiert ist. Was man im Anschluss an die Zeitlupen jedoch erkennt, ist, dass kurz vor dem Wiederanstoß erst der Salzburger Jakob Jantscher und dann Hapoels Itay Shechter vom Referee verwarnt werden. Daraus folgen zwei Erklärungsmöglichkeiten:

  1. Jantscher und Shechter sind nach dem Tor aneinander geraten und haben dafür jeweils die Gelbe Karte bekommen.
  2. Jantscher hat zu vehement protestiert (die Salzburger glaubten offenbar, dass der Torschütze im Abseits stand) und ist aus diesem Grund verwarnt worden; Shechter wiederum hat die Karte in der Tat wegen seines Torjubels gezeigt bekommen.

Wenn (!) man nun davon ausgeht, dass die zweite Variante zutrifft, dann hätte der Schiedsrichter falsch gehandelt. Denn in den Fußballregeln heißt es auf Seite 23:

Spieler dürfen keine Unterwäsche mit Slogans oder Werbeaufschriften zur Schau tragen. Die vorgeschriebene Grundausrüstung darf keine politischen, religiösen oder persönlichen Botschaften aufweisen. Ein Spieler, der sein Hemd oder Trikot auszieht, um Slogans oder Werbeaufschriften zur Schau zu tragen, wird vom Ausrichter des betreffenden Wettbewerbs mit einer Strafe belegt. Das Team des Spielers, dessen vorgeschriebene Grundausrüstung politische, religiöse oder persönliche Botschaften aufweist, wird vom Ausrichter des betreffenden Wettbewerbs oder der FIFA bestraft.

Zur Erklärung: Die „vorgeschriebene Grundausrüstung“ umfasst Trikot, Hose, Strümpfe, Schienbeinschoner und Schuhe. Trägt ein Spieler etwas, das nicht zu dieser Grundausrüstung gehört – beispielsweise Schmuck oder eine Kopfbedeckung, die nicht dem Schutz nach einer Verletzung dient –, dann weist ihn der Unparteiische an, den entsprechenden Gegenstand abzulegen; eine Gelbe Karte gibt es dafür nicht. „Wird vom Ausrichter des betreffenden Wettbewerbs mit einer Strafe belegt“ bedeutet, dass der entsprechende Verein nach dem Spiel mit einer (meist niedrigen) Geldstrafe belegt wird. Es bedeutet jedoch nicht, dass der Spieler vom Schiedsrichter verwarnt wird (der Schiri muss den Vorfall lediglich in seinem Spielbericht vermerken). Zwar kann übertriebener Torjubel mit einer Verwarnung geahndet werden, aber damit ist normalerweise das Erklettern von Zäunen oder eine anstößige Geste gemeint (etwa der gestreckte Mittelfinger).

Das heißt, der Referee hätte Shechter die Gelbe Karte nicht zeigen dürfen – jedenfalls nicht für das Aufsetzen der Kippa –, so wie er sie auch nicht zeigen soll, wenn ein Spieler sich bekreuzigt, zu Allah betet oder nach einem Tor kurz sein Trikot lüftet (nicht auszieht!), um das darunter getragene T-Shirt zu zeigen, auf dem er seine unverbrüchliche Liebe zu Jesus oder seiner Tochter bekundet. Bei Hapoel scheint der Vorfall gleichwohl nicht weiter für Aufregung gesorgt zu haben. Nun darf man gespannt sein, wie die Reaktionen ausfallen werden, wenn ein Schiedsrichter einem muslimischen Spieler, der ein Tor mit einer Takke feiert, irrtümlich den gelben Karton vor die Nase hält.

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