Die Beziehung der Fußballvereine zu ihren Fans ist derzeit in einer kritischen Phase. Wichtigster Grund dafür ist der Einfluss von Tradition und Moderne, zwischen denen der Profi-Fußball heute hin- und hergerissen wird. Zu diesem Schluss kommt der Historiker Florian Basel von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt im pressetext-Interview. Basel leitet mit dem Lateinamerika-Experten Thomas Fischer die Vortragsreihe “Fußballkulturen und Geschichte”, die anlässlich der WM in Südafrika nächste Woche startet.

Eintrittskarten verlieren Bedeutung

Die Fußballkultur hat sich in den vergangenen zehn Jahren durch Globalisierung und Modernisierung grundlegend geändert, so die Bilanz Basels. “Das zeigt sich in Deutschland besonders an Bayer Leverkusen, VfL Wolfsburg und TSG Hoffenheim, in denen das Vermarktungsprinzip besonders stark umgesetzt wurde.” Am Vorgehen des Vereins Leverkusen, der hier Pionierarbeit leistete, stoße sich heute kaum mehr jemand. Wolfsburg und TSG Hoffenheim seien hingegen weiter bemüht, an Traditionen anzuschließen.

Einen völlig neuen Weg geht der Oberliga-Führende Leipzig, der mit Red Bull einen Sponsor erhielt, der nichts mit der Region zu tun hat. “Wie die Fans langfristig darauf reagieren, kann man derzeit kaum abschätzen”, betont Basel. Neuerdings gelangen auch Vereine mit kleinen Stadien an vordere Tabellenränge. “Das verdeutlicht, dass die Eintrittspreise nicht mehr das Gros der Einnahmen ausmachen. Sponsoren und Fernsehzuschauer werden wichtiger und die Beziehung zwischen Vereinen und ihren Fans anonymer.”

Sponsoren brauchen die Ultras

Protest kommt am ehesten aus der Reihe der eingefleischten Fans. Bei Manchester United drücken dies etwa die grün-goldenen Schals aus, die immer noch den Aufstand gegen die Übernahme durch US-Investor Glazer im Jahr 2005 signalisieren. Auch die Neugründung des Traditionsvereins SV Austria Salzburg sieht Basel in diesem Licht. “Kreise, die die Kommerzialisierung nicht mitmachten, gründeten ihn neu und starteten neu von unten.” Der Verein führt derzeit die 1. Landesliga, die vierthöchste Liga im österreichischen Fußball.

Ganz ignorieren dürfen jedoch nicht einmal die Sponsoren den Protest. “Die Vereine brauchen die Choreografien und Hymnen der Ultras. Einerseits feuern sie die Spieler an, andererseits binden sie die Zuschauer am Bildschirm. So bedienen sie den Trend der Kommerzialisierung, obwohl sie gegen ihn auftreten. Eine interessante Entwicklung”, so der Historiker. Manche Vereine gehen mit Fanprojekten bewusst andere Wege, wie etwa St. Pauli die Fans über die Benennung des neuen Stadions abstimmen ließ. “Die Globalisierung im Fußball ist unaufhaltbar. Die Frage, die sich stellt, ist die ihrer Gestaltung”, so Basel.

Details zur Vorlesungsreihe unter http://www.ku-eichstaett.de/Events/ZZjwzKGrZ8JeUf
Eichstätt (pte/26.05.2010/12:10)

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