Oct
15
Wer laut über Korruption und unlautere Absprachen über Spielergebnisse spricht, gilt als Spielverderber und Nestbeschmutzer. Auch im russischen Fußball. Wladimir Kosogow, Trainer des am unteren Ende der zweiten Liga rangierenden Clubs „Wolotschanin-Ratmir“ in der Provinzstadt Wyschnij Wolotschjok, wird dies ebenfalls gewusst haben. Dennoch hatte er am 8. Oktober nach dem 1:0 Sieg seiner Mannschaft über den Petersburger Club „Dynamo“ in einem Interview ausführlich über unsportliche Praktiken in der russischen Fußballlandschaft berichtet.
Nach Angaben des Trainers sollen insbesondere die Vereine „Terek“ aus dem tschetschenischen Grozny, „Spartak“ aus dem davon unweit entfernt gelegenen Naltschik, „Baltika“ aus Kaliningrad, „Arsenal“ aus Tula und der Tomsker Club „Tom“ wiederholt Spielmanipulationen betrieben haben. Letzterer habe sich den Sieg in insgesamt 16 Spielen erkauft, um im Jahr 2004 in die Premierliga aufzusteigen. Der russische Fußballverband verlangt nun von Kosogow die Vorlage von aussagekräftigen Beweisen und ließ eine Untersuchungskommission einrichten, die zur Klärung der Vorwürfe beitragen soll.
Tschetscheniens Sportminister Chajdar Alchanow bezeichnete die Behauptungen des Trainers als „völliger Blödsinn“. Dieser Einschätzung schloss sich der Generaldirektor von „Tom“, Jurij Stepanow, an und fügte hinzu, er könne Kosogows Aussagen nicht ernst nehmen. Von einer Klage sehe er ab. Kosogow sah sich dennoch bereits am Folgetag gezwungen, seine Anschuldigungen zurückzunehmen. Über die Gründe dafür lassen sich allerdings nur Vermutungen anstellen.
Das russischsprachige Original-Interview:
Stattdessen darf man sich aber sicher sein, dass sein Vorpreschen kaum dazu führen wird, eine offene Debatte über gängige Spielmanipulationen im russischen Fußball in Gang zu bringen. Weniger weil Russland auf der internationalen Ebene mit zunehmenden Ambitionen aufwartet und am Image eines sauberen Fußball interessiert ist. Öffentliche Eingeständnisse, wonach die in Russland blühende Korruption auch am Sport nicht vorbeigeht, würden zwar sicherlich Öl ins Feuer gießen. Vielmehr aber ist der Grund zu suchen in der Selbstverständlichkeit, mit der im russischen Fußball die Käuflichkeit von Schiedsrichtern und Spielern vorausgesetzt wird. Kosogow, der zwei Jahre lang als Trainer in Belgien gearbeitet hat, echauffierte sich vor allem über diese jenseits öffentlicher Eingeständnisse allseits präsente selbstverständliche Grundeinstellung und prognostiziert dem russischen Fußball eine wenig rosige Zukunft. Es fehle die Spannung, der richtige Kick. So mache es keinen Sinn ins Stadion zu gehen.
Es drängt sich die Frage auf, für wen dann eigentlich gespielt wird. Offenbar jedenfalls nicht für die Fans.
Kommentare
3 Kommentare zu “Fußball für Funktionäre”
Hat sich eigentlich niemand gefunden, der Kosogow unterstützt hat?
Öffentlich hat ihn niemand unterstützt, in Internetforen finden sich allerdings positive Kommentare.
Gestern hat Kosogow sich das erste Mal mit dem Untersuchungsausschuss getroffen. Die Zeitung “Sovetskij Sport” veröffentlichte ein Interview mit ihm. Darin heisst es u.a.:
„Ich wurde gebeten konkrete Angaben zu machen, die bei der Aufklärung der benannten Spielmanipulationen behilflich sein könnten. Aber womit kann ich denn behilflich sein? Dafür braucht es handfeste Fakten, aber die gibt es ja nicht!“
Warum er dann überhaupt dieses Thema angesprochen habe.
„Das habe ich doch nicht für die Presse getan. Das war ein einfaches „Küchengespräch“. Wir haben uns wie gewöhnliche Leute auf der Strasse unterhalten. Ich wusste doch gar nicht, dass das aufgezeichnet wird. Und jetzt muss ich wohl für das Gesagte die Verantwortung tragen.“
In dem Video ist allerdings ganz klar ein Mikrophon zu erkennen. Kosogow sollte also zumindest gewußt haben, dass das Gespräch zumindest theoretisch aufgezeichnet werden kann. Aber über die Hintergründe gibt es mehr Anlass zur Spekulation als gesicherte Angaben.
Werden überhaupt russische Spiele bei den internationalen Wettbüros angeboten? Deren Frühwarnsysteme wären ja aussagekräftig, wenn es um auffällige Wetten geht