für otto

von Martin Krauss

Die Euro hat es mit sich gebracht, dass sich nur die Älteren unter uns daran erinnern können, wie es aussieht, wenn sich Otto Rehhagel freut.

Der Nochnationaltrainer Griechenlands trinkt zwar weder Bier noch Ouzo noch Raki, aber er wirkt im Freudentaumel stets naturbesoffen: Mit staksigem Schritt eilt er von Umarmungsopfer zu Umarmungsopfer. Unkonventioneller Jubel, so muss es nach der gelungenen Revolution zugehen.

So wurde Otto Rehhagel 2004 Europameister. So wurde er 1992 Europapokalsieger. So feierte er 1988 den deutschen Meistertitel. Und 1993. Und 1998. Von drei DFB-Pokalsiegen und dem Erstligaaufstieg mit Kaiserslautern mal ganz abgesehen.

Bei der Euro in Österreich und Griechenland konnte man das eher nicht beobachten. Warum sich einer, der doch so erfolgreich war, wenige Wochen vor seinem 70. Geburtstag immer noch im Trainingsanzug in die Coachingzone stellt, mit den Fingern pfeift und mit den Armen wedelt, obwohl Ohrensessel, Opernpremiere und Opa-Dasein auf ihn warten, hängt mit einigem zusammen: Mit Rehhagels Herkunft aus Essen-Altenessen, die ihm als Ort des sozialen Aufstiegs nur das zeigte, woran er in den letzten Jahren baute, ein Haus am Kemnader See; mit seiner abgeschlossenen Lehre als Anstreicher, der er sein Diplom als Fußballlehrer hinzufügen durfte; mit seinem Image als allzeit zum Verletzen des Gegenspielers bereiten Verteidiger bei Rot-Weiß Essen und Hertha BSC Berlin; mit seinem Ruf aus der Traineranfangszeit als „Otto Torhagel“, den er erst durch 14 Jahre Werder Bremen ablegen konnte.

Wer sich, wie Otto Rehhagel, alles erarbeitet hat, weiß, wie kurz der Weg zurück ist: Aus dem „Griechen des Jahres 2004“ kann jederzeit wieder der werden, den man nach einer hohen Niederlage feuert. Der Weg von Altenessen zum Kemnader See ist lang, der Weg zurück sehr kurz.

Dieses Wissens über die Härte des Lebens steckt auch in der Art, wie Rehhagel Fußball spielen lässt (und erklärt, warum er als damals bester deutscher Trainer 1995/96 beim sozial sehr anders gestrickten FC Bayern scheiterte). Rehhagels Mannschaften, das konnte man während der völlig misslungenen EM-Spiele gegen Schweden und Russland beobachten, stehen erst mal hinten drin. Sie sichern, wie es ein ordentlicher  Sozialdemokrat nicht anders machen könnte,  vor allem den Besitzstand. In Rehhagels stets um auch kulturelle Anerkennung bemühten Worten, heißt das die „kontrollierte Offensive“.

Dass dieses Konzept aufgeht, daran glaubt Rehhagel so wenig, wie ein Gewerkschafter vor einer Tarifverhandlung an seinen Erfolg. Das Konservative ist Otto Rehhagel ins Fleisch und in den Trainingsanzug gefahren. Aus dem Anstreicher aus Altenessen ist der bekennende CDU-Unterstützer und Dagmar-Schipanski-Wähler geworden, der sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass man auch in der Offensive ein Spiel gewinnen, dass man auch durch Aktion einen politischen und sozialen Fortschritt erreichen kann.

Was man damit erreicht? Vielleicht einen gefühlte fünf Jahrzehnte zurückliegenden Europameistertitel. Gewiss aber eine schnelle Heimreise. Also Otto,nun freue dich.

Martin Krauß

 

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