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Was passiert, wenn man 16 professionelle Free Fighter für 12 Wochen in eine Big-Brother-Luxusvilla sperrt, ihnen das Fernsehen und den Kontakt zu ihren Freunden, Familien und Liebesbeziehungen verbietet?
Was passiert, wenn man die WG-Bewohner dann noch in direkte Konkurrenz zueinander setzt und sie Woche für Woche in einem Käfig gegeneinander kämpfen lässt? � Richtig! Man hat die besten Vorrausetzungen für die erfolgreichste Sport-Reality Show der Fernsehe Geschichte: “The Ultimate Fighter”.
Von Kampfsport-Freaks und Gender-Studenten innig geliebt läuft die Testosteron-Show nun schon in der achte Staffel. Der US-TV-Sender “Spike TV: the first network for men” freute sich wieder über hervorragende Einschaltquoten in der Zielgruppe: “männlich, 18-34 Jahre”.
Während sich die Bewerber bei “Deutschland sucht den Superstar” nur durch ein Castings quälen müssen, muss man sich bei The Ultimate Fighter, kurz TUF, seinen Platz in
der Show erkämpfen. Und kämpfen, heißt bei TUF auch wirklich kämpfen.
Gesponsert von Burger King treffen sich jeweils zwei Kandidaten im Oktagon – einer mit Maschendraht umzäunten achteckigen Kampffläche.
Im Free Fight bzw. Mixed Martial Arts (MMA) darf wie beim Thai-Kick-Boxen geschlagen, getreten und mit Knien und Ellbogen angegriffen werden. Darüber hinaus darf auch am Boden weiter gekämpft werden.
Der Gegner wird durch dort kunstvolle Hebeltechniken oder Würgegriff zur Aufgabe gezwungen oder wie beim Boxen K.O. geschlagen. Wenn es weder mit dem KO noch mit dem Aufgabetechniken klappt, müssen die Punktrichter entscheiden.
Die körperlichen, technischen und mentalen Anforderungen an die Sportler sind dabei größer als in irgendeinem anderen Kampfsport. Um im Oktagon-Käfig zu bestehen muss man top-fit, hoch flexibel und vielseitig sein – und um bei The Ultimate Fighter mitmachen zu können, zudem noch Kameratauglich.
Die Kandidaten, die es schaffen den Entscheidungskampf zu gewinnen, dürfen ins Haus.
Dort beginnt die dann die eigentliche Show. Die 16 Kämpfer werden in zwei Teams eingeteilt und 12 Wochen lang von zwei prominenten Käfigveteranen und ihrem Stab mehr oder minder fürsorglich umsorgt.
Einmal pro Woche müssen zwei ein Kandidaten gegeneinander kämpfen. Der Gewinner ist eine Runde weiter und kämpft sich so schrittweise ins Finale.
Wer schließlich den Finalkampf für sich entscheidet wird zum Ultimate Fighter – und mit einem Knebelvertrag über mehrere Kämpfe bei der weltweit bedeutendsten MMA-Promotion, dem Ultimate Fighting Championship (UFC) belohnt.
Die amerikanische UFC ist eine wahre Geldmaschine, ihren Erfolg verdankt sie ihrer aggressiven Markt- und Werbepolitik. Die TV-Show ist ein bedeutender Teil davon, mit ihr baut die UFC zukünftige Talente auf und stellt sie einen Millionen-Publikum vor.
Tatsächlich ist die Show die größte Karrierechance, die sich einem aufstrebenden MMA-Profi bietet.
Entsprechend groß ist der Erfolgsdruck während der Show. Jede Niederlage wird zur Katastrophe, jede schlechte Leistung ein möglicher Grund, nicht von den konkurrierende großen Kampfsport-Labels gebucht zu werden.
Die faktische Isolation der Athleten, das Bewusstsein, dass man ständig von einer Kamera beobachtet wird und dass man mit seinen potentiellen Gegnern zusammen wohnt, trainiert, isst und vor allem sich gemeinsam langweilt sorgt für zusätzlichen Stress.
Die Tatsache, dass die meisten Elite-Kampfsportler nicht zur geistigen Elite gehören, aber dafür oft ein ernstes Egoproblem haben, erschwert ein angenehmes Zusammenleben im Haus erheblich. Zudem gibt sich die Regie offenbar alle Mühe, einen möglichst explosiven Kandidaten-Mix zu casten.
Schon die ersten Episoden boten ein unterhaltsames Panoptikum oft bizzarer Verhaltensweisen, die die kühnsten Erwartungen der Regie und des Publikums übertrafen.
So entpuppt der Ausnahmeathlet Chris Leben mit dem bezeichnenden Kampfnamen The Cribbler als ein arrogantes, unsympathisches Großmaul mit schwerer Kindheit und Aggressionsproblem.
Innerhalb weniger Stunden legt er ein beeindruckendes Arsenal von abgrundtief antisozialen Verhaltensweisen an den Tag. Zuerst betrinkt er sich und pöbelt seine neuen Mitbewohner an. Anschließend klaut er seinem Zimmernachtbarn das Kopfkissen und pisst ihm dafür ins Bett.
Als er nach einem weiteren Streit und unschönen Worten im Garten des Hauses seinen Rausch ausschläft wird er von zwei Cribbler-hassenden Mitbewohnern entdecken. Sie spritzen ihn mit dem Gartenschlauch nass. Der Cribbler dreht daraufhin durch und zerschlägt in einem Tobsuchtsanfall Scheiben und Türen des Hauses.
Einige Mitbewohner versuchen ihn zu einer Schlägerei zu provozieren, denn sich außerhalb des Käfigs zu prügeln, ist das große Tabu der Show.
Wer trotzdem gegen den zivilisatorischen Minimalstandart verstößt, fliegt raus. Wenn der randalierende Crippler sich also dazu hinreißen ließe, seine Mitbewohner anzugreifen, wären die den nervigen Konkurrenten los…
Es folgen für die Zuschauer unterhaltsame Wochen des kalten Krieges, allerdings ohne den erwarteten Amoklauf, dafür mit echten Männerfreundschaften und einigen sportlich sehr beeindruckenden Kämpfen.
Erst in der fünften Staffel eskaliert ein Streit im Haus zum “most technical Street Fight ever” gefolgt vom Rausschmiss aller Beteiligten.
Zum Herumschlage mit dem Mitbewohnern gibt es noch die üblichen WG Probleme. So wird in der achten Staffel andauernd das leckere Sushi vom Leichtgewichtler Phillip Nover von den Mitbewohnern aus dem konkurrierenden anderem Team geplündert. Da es schließlich sein Sushi ist und er damit machen kann was er will, bittet er seinen Trainingspartner um einen besonderen Gefallen. Der ist ein echter Kumpel und onaniert für Phillip Nover auf die Fischhäppchen und stellt sie dann zurück in den Kühlschrank. Dort wird das Sushi dann von den anderen gefunden und – wie von Nover und Co erhofft – prompt wieder weggegessen…
Wenn nicht gerade Psychopathen mit Kleinermannkomplex und Alkoholproblem den WG-Frieden stören oder irgendwer es mal wieder lustig findet, in den Wasserkasten der gemeinsamen Toilette zu kacken, die dann macht der Profisport und seine Begleiterscheinungen den Kämpfen das Leben schwer.
Während sich viele Kandidaten mit mehr oder minder schweren Trainings- oder Kampfverletzungen wie Knochenbrüchen, Bänderabrissen und frisch genähten Platzwunden herumplagen – kämpft Gabe “Godzilla” Ruediger in der fünften Staffel schwer mit seinem Gewicht.
Trotz Diät nascht er immer wieder Eis und Kekse und versucht vergeblich mit der Hilfe von Darmspülung und Fasten auf sein angesetztes Kampfgewicht zu kommen. Der völlig dehydrierten Godzilla strampelt mit dickem Pullover in der Sauna auf einem TrimmDich-Fahrrad, während er dicke Krokodilstränen heult. Er kollabiert mehrfach und kommt anstatt in den Käfig ins Krankenhaus.
Der angesetzte Kampf platzt und Gabe “Fat Boy” Ruediger wird schließlich wegen seines unprofessionellen Gewichtsmanagements unter Tränen aus der Show geworfen.
Während Kampfsportfreaks TUF gucken, weil sie eben Kampfsportfreaks sind und sich erhoffen ein paar Tricks aus dem Profilager abzugucken, begeistert die restliche Zielgruppe “männlich, 18-34 Jahre” vor allem die zur Schau gestellten post-pubertären Machismen. Entsprechend der Richtlinien der UFC-Firmenleitung versucht die Show eine Gradwanderung zwischen spektakulärer, aber dennoch seriöser Inszenesetzung des Sports und einer möglichst unterhaltsamen Realty-Show.
Das Erfolgskonzept von “The Ultimate Fighter” wurde inzwischen oft kopiert. So konterte das durch den enormen Erfolg der UFC unter Druck geratene Box-Geschäft mit den TUF-Clone “The Contender”. Doch obwohl es auch in der Boxer-WG wie im Jugendknast zuging, erreichte die Show nicht den Erfolg des Originals.
Ähnlich erging es auch einem multinationalen Thaibox-Container aus Singapur oder dem Frauenhaus der Kickboxenden “Fight Girls�”aus Las Vegas.
Kein Cloneversuch war jedoch so erbärmlich wie das deutsche Format: “MAX- Sucht den Topfighter”. Die Sendung führte einige Wochen im Herbst 2006 auf dem deutschen Sportfernsehen (DSF) ein verdientes Schattendasein und selbst ehemalige Kandidaten – wie der Autor – würden heute abstreiten jemals im DSF-Container gewesen zu sein.
Was bei Big-Brother undenkbar und bei “MAX- Sucht den Topfighter” erste Kandidatenpflicht gewesen wäre, hat bei TUF immerhin Tradition: gegen Ende einiger Staffeln lassen die Insassen ihrer Wut freien Lauf und demolieren einmal gründlich die Inneneinrichtung des Hauses. Ein unterhaltsamer, infantiler Akt der Revolte gegen die Zumutungen der Sendung.
Kommentare
1 Kommentar zu “Fight-TV: Zivilisatorische Minimalstandards und Kacke in der Wasserspülung”
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