fernsehtipp: lötsch

von Martin Krauss

Am Montag, den 6. Oktober, zeigt Arte den Dokumentarfilm „Sportsfreund Lötsch“ von Sandra Prechtel und Sascha Hilpert. Ein Filmtipp.

Der erste Eindruck ist: Wo sind die großartigen Bilder her? Man sieht in schwarz-weiß oder schlechter Farbe Amateurradrennen aus einer fremden Welt: den DDR-Radsport. Und zwar seine kleinen, aber für das kleine Land wichtigen Rennen: „Rund um die Hainleite“ oder das Radrennen in Falkenberg-Elster. Da feuern die Leute einen „Lötzsch“ an. Wo kommt der her? Und man sieht diesen Lötzsch heute, groß gewachsen, sportlich, wie er auf dem Rennrad durch Deutschlands Osten fährt.

Der Dokumentarfilm „Sportsfreund Lötzsch“ stellt in ruhigen Bildern, die immer wieder die Schönheit des Radsports offenbaren, jemand vor, der kaum bekannt ist, von dem aber bald klar wird, dass er berühmt sein müsste: Wolfgang Lötzsch, 1952 in Karl-Marx-Stadt geboren, eines der größten Radsporttalente der DDR, der vielleicht, wahrscheinlich sogar, mit den ganz großen, mit Eddy Merckx, mit Miguel Indurain, mit Lance Armstrong oder Fausto Coppi und, ja, auch, Jan Ullrich hätte aufschließen können. Hätte. Denn Lötzsch weigerte sich 1971, in die SED einzutreten, woraufhin er 1972 nicht bei den Olympischen Spielen antreten durfte. Lötzsch wurde aus dem DDR-Sportfördersystem rausdelegiert und war so genannter BSG-Fahrer, trainierte also in einer Betriebssportgemeinschaft. 50 Spitzel wurden auf Lötsch angesetzt, er kam auch zehn Monate lang sogar in den Stasiknast. Doch das Erstaunliche ist: Lötzsch zerbrach nicht, nie. Lötzsch, das Genie auf dem Rad, gewann alle Rennen, radelte mit seinem schlechten Material, mit seinem von sich selbst zusammengestellten Training und ohne jede sportmedizinische Betreuung alle in Grund und Boden, die gesamte nicht gerade schlechte Radsportelite der DDR. „Ich habe mit meinen Leistungen gegen das Sportsystem gekämpft“, sagt Lötzsch im Film. Die Stasi ließ irgendwann von der Bespitzelung ab, ein MfS-Offizier im Film: „Uns hat Lötzsch Achtung abgerungen.“

Dem Film „Sportsfreund Lötzsch“ geht, ähnlich wie seinem Protagonisten, alles Aufgeregte ab. Ruhige Bilder, lange Gespräche mit sympathischen Pausen. Man erfährt, dass und warum dieser Wolfgang Lötzsch ein sperriger Typ war und ist. Auch, dass gerade das für sein sportliches Talent so wichtig war, vermittelt sich beinah beiläufig. Lötzsch fuhr nach der Wende noch ein paar Rennen, wurde mit fast 40 Jahren sogar noch Deutscher Meister in der 100-Kilometer-Mannschaftsverfolgung, und heute arbeitet er im Profiradsport als Mechaniker.

Doch was das für einer war, der heute die Ketten der Profis fettet, erzählt dieser Film.

Diese Rezension erschien zuerst im Monatsmagazin Konkret.

 

Ein Nachtrag: Bei den Vollidioten erschien statt einer Rezension eine Verteidigung der Repressalien gegen Lötsch: Schließlich sei „sein Cousin nicht irgendwann ‚in den Westen gegangen’, sondern am Morgen der Olympia-Ausscheidung zwischen dem BRD- und dem DDR-Aufgebot 1964 in Gießen aus dem Hotel“ verschwunden, „was ihm viel Beifall und wohl auch Bares eintrug.“ Ja, wenn Lötsch einen Cousin hatte, dann ist ja wohl jede Maßnahme gegen ihn gerechtfertigt.

 

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