Die Erklärung, warum sein Verein eine Ausstellung über Fußball, Migration und Rassismus nicht unterstützt, wollte Sachsen-Geschäftsführer Schauer plötzlich nicht mehr verbreitet wissen.
Und drohte dem Provider des linken Radio-Sportmagazins Kopfstoß.fm mit rechtlichen Schritten, wenn der das PodCast mit dem Interview nicht entferne.
SportsWire sprach mit Jörg Gepta von Kopfstoß.fm über eine Sendung, die plötzlich weg war, das seltsame Politikverständnis eines Fußballvereins und übers Radiomachen allgemein.

Ihr hattet gerade Ärger mit Eurem Provider und plötzlich war der PodCast mit Eurer neuesten Sendung von Eurer Webseite verschwunden. Wie kam es dazu?

Wir haben den PodCast selber nicht entfernt, waren einigermaßen überrascht, als wir von unserem Provider informiert wurden, dass die Datei mit der vollständigen Sendung entfernt wurde.
Die Begründung unseres Providers bezog sich auf eine Androhung rechtlicher Schritte seitens des FC Sachsen gegenüber dem Anbieter.

Was genau wurde vom Verein gegen die Ausstrahlung des Kurzinterviews vorgebracht? Ihr habt die Äußerungen doch wohl kaum sinnentstellend zusammengeschnitten, oder?

Herr Schauer, seines Zeichens Geschäftsführer des FC Sachsen gab an, das Interview nicht autorisiert zu haben.
Der Grund dafür war, dass unser interviewender Redakteur das Gespräch bei Radio Mephisto in Leipzig geführt hatte und sich auch als Mitarbeiter dieses Radios vorstellte, der Beitrag jedoch letztlich bei Kopfstoss.fm und Radio Corax, dem freien Radio aus Halle, lief.
Für Herrn Schauer, bzw. seine Rechtsberater und die Pressestelle des FCS war dies Grund genug, das Interview im Nachhinein für nicht-autorisiert zu erklären.
Natürlich haben wir keinerlei Äußerung sinnentstellend zusammengeschnitten und Herr Schauer hatte zugestimmt, uns Fragen bezüglich der FARE-Woche zu beantworten.
Dabei wurde er sehr emotional und erklärte uns gegenüber, nur vom DFB autorisierte, bzw. initiierte Veranstaltungen oder Kampagnen zu unterstützen und niemanden im Stadion eine Plattform insbesondere für politische Veranstaltungen zu bieten.
Die „Bunte Kurve“, eine Faninitiative von FC Sachsen/BSG Chemie Leipzig-Anhängern hatte eine Anfrage an den Verein gestellt, ob Flyer für die Aktionen im Rahmen der FARE-Woche, sowie für die Ausstellung „Ballarbeit“ verteilen zu dürfen und die Veranstaltungen zu unterstützen, was vom Verein mit oben genannter Begründung abgelehnt wurde.
Der FC Sachsen hatte im Übrigen seit 2000 mit der Bunten Kurve kooperiert, in der letzten Saison trat die Bunte Kurve u.a. als „Trikotsponsor“ der zweiten Mannschaft des FCS in Erscheinung…
Interessanterweise hat die Bunte Kurve am Montag, den 20. Oktober den Julius-Hirsch-Preis des DFB für ihr Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie im Fussball erhalten, eine hochdotierten und renommierte Auszeichnung.

Was genau wird in der Ausstellung gezeigt?

Die Ausstellung „Ballarbeit“ beschäftigt sich mit Fussball und Migration, im Rahmenprogramm finden Lesungen und Diskussionen mit Vertretern von Vereinen, Polizei, Autoren, welche zum Thema geschrieben haben, und verschiedenen Faninitiativen statt.
Die Ausstellung wurde zuvor in den Räumen des geisteswissenschaftlichen Zentrums der Uni Leipzig gezeigt und ist seit gestern im Stadtmuseum Halle zu sehen.

Habt Ihr mittlerweile herausgefunden, was daran zu politisch für den Verein ist?

Unsere Vermutung ist, dass es darum geht zu kritische und alles-hinterfragende Fans mundtot zu machen.
Es scheint Ressentiments und/oder persönliche Befindlichkeiten seitens des FC Sachsen gegen Mitglieder der Bunten Kurve zu geben. Ein häufig bemühtes Argument ist dabei, dass die Bunte Kurve eine linkspolitische Gruppierung sei, der man im Stadion keine Bühne liefern wolle, um sich nicht instrumentalisieren zu lassen.
Auf unsere Nachfrage, ob der FC Sachsen antirassistisches Engagement für „zu politisch“ halte, verneinten sie dies zwar, wiesen aber trotzdem darauf hin, dass man sich auf nichts einlassen wolle, was nicht explizit „von oben“, also vom DFB organisiert, bzw. angeordnet worden sei.
Bitter scheint es dem FCS aufzustossen, dass es seitens einiger Mitglieder der Bunten Kurve durchaus dezidierte Kritik an der Vereinspolitik bezüglich des Umgangs mit den eigenen Fans gab und gibt.

Wie haben die Fans das Hickhack um Interview und Ausstellung aufgenommen?

Im Forum des FCS wurde die Thematik kontrovers diskutiert, ein Großteil der Fanklienten des Vereins stößt sich jedoch wie seine Vereinsführung an der vermeintlichen „politischen Attitüde“ der FARE-Woche, sowie der angesprochenen Ausstellung.
Es lässt sich sagen, dass es nach dem Weggang der Ultra-Gruppierung „Diablos“, welche das Erscheinungsbild der Sachsen Leipzig über Jahre hinweg geprägt hatte, einen Bruch in der Fanszene gab und kritische Fans den Verein verließen.
So gab es beispielsweise beim Regionalliga-Relegationsspiel in Greifswald nach Jahren erstmals wieder rassistische Schmährufe und schwarz-weiss-rote Fahnen zu sehen.
Auf dem Zaun der Gästekurve wurde zudem eine farbige Gummipuppe im Trikot des Lokalrivalen Lok Leipzig gezeigt.
Die Zensur des Interviews hat unserer Auffassung nach eher dazu geführt, dass sich noch intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt wurde.

Kopfstoß ist mittlerweile eine sehr bekannte linke Sportsendung auf Radio Corax, dem freien Radio aus Halle. Wie kamt Ihr auf die Idee, eine solche Sendung zu machen?

Kopfstoss.fm ist ein Magazin von Fans für Fans, das authentisch bleiben soll, weil hier politische, kulturelle, sportliche, wirtschaftliche und soziale Aspekte des Fußballs verhandelt werden von denen, die Fußball leben: von den Fans.
Ausgeschlossen bleiben sollen allerdings: Diskriminierungen, rassistisch bzw. nationalistisch geprägte Ressentiments.

Was sind für Euch die wichtigsten Prinzipien bei Kopfstoß? Welche Themen liegen Euch besonders am Herzen?

Themen sind: Erlebnisse und Hintergründe, Fankulturen, Fußball und Politik, Rassismus und Gewalt, Fußball-Ökonomie und Kommerz, Profis und Amateure oder auch ganz einfach: unsere Vereine.
Ergebnisse — Siege und Niederlagen — spielen ganz am Rande auch eine Rolle.

Wieviele Hörer erreicht eine Sendung durchschnittlich? Gibt es Lieblingsthemen der Hörer?

Leider verfügen wir über keine konkrete Erhebung, haben nur die Downloadzahlen unseres Podcast , welche sich im vierstelligen Bereich bewegen, vorliegen.
Da die Sendung jedoch auch bei verschiedenen anderen freien Radios im deutschsprachigen Raum (u.a. „Radio Blau“ Leipzig, „Radio T“ Chemnitz, „Coloradio“ Dresden, „Radio Unerhört“ Marburg) läuft, lässt sich eine genaue Hörerzahl schwer sagen. Wir versuchen unsere Themenschwerpunkte so vielfältig wie möglich zu setzen.

Ihr könnt Euren Autoren vermutlich kein Geld zahlen – trotzdem möchte vielleicht der eine oder andere Leser Kopfstoß einen Beitrag anbieten. Wie geht der dann am besten vor?

JedeR, der es sich vorstellen könnte, bei Kopfstoss mitzumachen, ist herzlich willkommen. Wer einen Beitrag für die Sendung hat, soll sich einfach bei uns melden. Unsere Kontaktdaten findet man auf der Homepage www.kopfstoss.fm. Leider gibt’s beim freien Radio kein Geld zu verdienen…

Wisst Ihr schon, was die Themen der nächsten Sendung sein werden?

Die Ausstellung Ballarbeit in Halle wird noch einmal im Fokus stehen, zudem wird es einen Rückblick auf das Länderspiel Deutschland-UdSSR von 1955 geben.

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