Unsere Innenstädte sind in erster Linie Konsumzonen. Das prägt unser Verständnis von Urbanität, aber auch die wird in private Einkaufszentren verlegt. Wie könnten Innenstädte noch genutzt werden?

Firmenpleiten sind immer schlimm, natürlich für die Angestellten. Ein Slogan der auf Demonstrationen der Beschäftigten von Karstadt und Hertie immer wieder gebraucht wurde war trotzdem falsch. Innenstädte wird es auch ohne Kaufhäuser noch geben.
Da die Gründe, Innenstädte zu besuchen, recht einseitig sind und mit dem teilweisen Verschwinden der Kaufhäuser das Angebot kleiner wird, werden sie weniger frequentiert werden, einen grundsätzlichen Strukturwandel werden sie nicht erfahren. Dabei hätten die sie gerade den nötig.
Die Kaufhäuser lagen und liegen in den Innenstaädten wie die Kreuzfahrtschiffe im Hamburger Hafen, schön anzusehen, mit verlockendem Angebot und alles Schöne im Inneren versprechend, der Zugang erfolgt trotzdem über unscheinbare Luken in der Bordwand, zwei vorne zwei hinten.
Wenn man erst einmal drin ist, dann soll man so schnell nicht wieder herausfinden, sich wohl fühlen und ordentlich kaufen. Das ist wenig dienlich für die Stadt.

In den ganzen Jahrzehnten ist die Verknüpfung mit der Stadt eigentlich nicht gelungen. Nicht einmal die übliche Gastronomie öffnet sich zum Straßenraum, sie liegt gewöhnlich unter dem Dach und ausgesprochen introvertiert, um den Kunden nicht vom Angebot abzulenken.

Gestaltung des Strukturwandels

Können wir es uns angesichts des Strukturwandels bei Handel und Shoppen eigentlich leisten, große Potentiale für die Lebendigkeit der Innenstädte zu ignorieren bzw. die Urbanität weiter traditionell konsumfixiert zu interpretieren und zu privatisieren.
Erst heute habe ich gelesen, die Kunden wollten sich “inspirieren” lassen, auf “Einkaufsreise” gehen, sie suchten nach “sinnlichen Erlebniswelten”. Am Ende bleibt es doch der Wunsch jeden Verkäufers, die Menschen mögen kaufen was das Zeug hält.
Das wird neu und hübsch zu verpacken versucht, auch architektonisch.

Selbst, oder gerade dann, wenn man versuchte, die Innenstädte weiter in der monokulturellen Kontinuität zu entwickeln, sollte man beginnen neue Käuferschichten zu erschliessen. In dem Fall ginge es schliesslich um nichts anderes.
Zu den besten und begehrtesten Konsumenten gehören bekanntlich die jungen technikaffinen häufig sogar gutverdienenden Menschen, die das Geld nicht zu sparen, anzulegen oder investieren, sondern es schlicht auszugeben planen für das ganze schöne Spielzeug für Erwachsene.
Gleichzeitg macht man von soziologischer Seite sich Gedanken, wie man die jungen Menschen aus der Virtualität und aus ihrer Isolation herausholen kann und was die da eigentlich machen. Warum schenkt man ihnen nicht mehr Aufmerksamkeit und erlaubt ihnen Öffentlichkeit.

Konzepte von gestern für morgen?

Wir haben also die aberwitzige Situation, daß Konzepte der Vergangenheit in der Stadtplanung auf ganz neue bisher noch gar nicht richtig einzuschätzenden Entwicklungen von Gegenwart und Zukunft treffen.
Die Gestaltung dieses Zusammenstosses überlässt man der Privatwirtschaft, die den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden und zu bauen versucht. Das ist dann gewöhnlich ein Einkaufszentrum mit Schlossfassade und Eventbereich. Im Einkaufszentrum gibt es natürlich auch einen Elektronikmarkt und überhaupt alles das, was es in jeder Stadt gibt und was die Menschen doch überall mögen und wollen.

Sieht man in manche Städte, dann bekommt man den Eindruck das phantasielose Restauration in der Architektur und Vereinheitlichung des Angebotes bis zur räumlichen Desorientierung des Reisenden die zentralen Gestaltungsthemen sind.
Die Entwicklung der Stadt ist rückwärtsgewandt, hauptsächlich ökonomisch betrieben und auf Rückzug in Innen- und private Räume bedacht.

Events und Trends

Häufig werden die Innenstädte mit “Events” zu beleben versucht, beliebt ist zum Beispiel Beachvolleyball. Das ist insofern schon lustig als sich der “Beach”, eigentlich schon im Namen zentrales Element, als mehrere ausgekippte Lasterladungen Sand auf dem Pflaster darstellt.
Es mag kleinlich sein, aber nein, Beachvolleyball wirkt in den Fußgängerzonen immer irgendwie deplatziert, zumal bei trübem Nieselwetter, wenn man den Sand aber doch schon mal herangekarrt hat…
Inzwischen werden sogar mancherorts Anlagen für Skater in grösserem Stil innerhalb oder an den Rändern der Innenstädte realisiert, wohl wenn sich ECE für das Gelände nicht interessierte oder die bereits an prominenterer Stelle vertreten sind.
Da hat man aber zügig reagiert, nachdem sich Jugendliche auf Skateboards jahrzentelang auf selbst zusammengenagelten Halfpipes unter Autobahnbrücken, Geländern oder auf multifunktional nutzbaren Skulpturen die Knochen gebrochen haben, dabei von Passanten beschimpft und meist rüde zur Annahme eine bezahlten Beschäftigung aufgefordert wurden.

Dem anarchischen Charakter von Parkoursportlern widerspricht es natürlich diametral, sich dergestalt an die Leine legen zu lassen und trotzdem wären ähnliche Einrichtungen auch für die ebenso überlegens- wie wünschenswert. Auch Skater waren wohl ursprünglich ähnlicher Gesinnung und doch freut man sich wahrscheinlich, nicht mehr aufs eigene handwerkliche Geschick beim Bau des Sportplatzes angewiesen zu sein.
eSportler aber neigen erstens zur Organisation und sind zweitens Drinnensportler, die gerne ein trockenes Plätzchen für sich und ihre teure Elektronik haben.

Warum also keine eSport-Arenen?

Warum ihnen also nicht endlich eSports-Arenen bauen? Wo die Zwischennutzung sowieso gerade hip ist, könnte man das doch durchaus mal in einem geschlossenen Kaufhaus versuchen, dann aber bitte bald zu einer Spielstätte originären Charakters kommen, die viel Transparenz und Verschneidung mit dem öffentlichen Raum vertrüge.

Wie müsste eine eSport-Arena beschaffen sein?
Wie müsste sie in der Stadt platziert sein, welche Öffentlichkeit würde sie anziehen, was bedeutet sie für die städtische Öffentlichkeit?
Warum gibt es so wenig Ideen dazu?
Und praktisch gesehen?
Seien wir mal ehrlich: Hier würde die Konsumentenzielgruppe schlechthin sich zusammenballen und das Geld vor Ort lassen, wie es keine andere Sportstätte schafft.
Aber jetzt sind wir noch vor der Verwirklichung der Idee bereits bei ihrer Pervertierung!

Bleiben wir doch noch ein bißchen bei der schönen Idee.

Die eSports-Arena wäre nicht auf ein einzelnes Event in langen Intervallen angewiesen. Sie könnte permanent bespielt werden, hier könnte auch eine unmittelbare Verschneidung von Profi- und Amateurbereich stattfinden, nirgendwo wäre der Normalspieler so dicht an seinen Idolen oder einfach an denen, die es perfektioniert haben.

Noch immer hat beispielsweise niemand jenseits von Reklame sinnvolle Funktionen von Medienfassaden erdacht, die doch jeder so gerne plant, ohne zu wissen für was eigentlich.
An welchem Ort, wenn nicht an den neu zu errichtenden eSport-Arenen, wären sie passend?
Jeder Sport braucht seine spezielle Spielstätte, der eSport muß sich der Jugendzentren, Mehrzweckhallen oder Kinos bedienen.

Eine ganz neue Form von Öffentlichkeit ist möglich, ein neue Form der Architektur angezeigt.
Städte, speziell die dezidiert urbanen Räume der Innenstädte müssten sich doch eigentlich fortschrittlich entwickeln.
In Berlin wird ein Schloss wiedererrichtet als Begegnungsstätte der Kulturen dieser Welt. Das Schloss stammte aber aus einer Zeit, in der sich die Kulturen nationalistisch chauvinistisch feindlich gegenüberstanden. Selbst der Neubauteil bricht nicht mit dieser Tradition oder versucht den Gegensatz zum Thema zu machen, sondern versteckt sich und biedert sich so sehr an, daß er zu einem blossen Teil wird.

Teil unserer Kultur ist aber die Entwicklung, der Fortschritt. Sinnfällig wird das wenn man den eSport mal betrachtete. Die Spieler/Sportler nutzen Geräte, die es erst seit wenigen Jahren gibt, gerade in ihrer platzsparenden und mobilen Form, sie nutzen das Netz, das auch erst seit einigen Jahren seine Schnittstellen mit dem öffentlichen Raum versucht.

Anstatt, daß in irgendeiner Stadt einmal versucht wird in dieser Bewegung zur Avantgarde zu gehören ignoriert man die Entwicklung weitgehend, steht ihr evtl. noch feindlich gegenüber und versucht sich für eine gute oder nur knallige Schlagzeile als Gegener zu gerieren.
Gleichzeitig möchte man die jungen Menschen natürlich nicht verprellen, drängt sie aber in genau jene Nischen und verfemte Subkultur, aus der man sie eigentlich herausholen möchte.

eSports-Arenen könnten neue Zentren in den Städten werden mit einem gänzlich neuen Publikum, die Möglichkeiten zur Überschneidung und Verschränkung verschiedener Nutzungsebenen- Arten und Zielgruppen sind vielfältig.
Wo könnten neue Formensprache, neue Materialen oder neue Zonierungen besser versucht werden als hier.

eSports finden gegenwärtig nur in Notunterkünften statt, es ist keine traditionelle Sportstätte wirklich geeignet, Kinos sind nur für wenige Events der richtige Rahmen.
Die Spieler werden also weiterhin in anonyme Hallen an den Ausfallstrassen und in Jugendzentren verbannt.

Es gibt schon spektakuläre Architektur, nur ist dort die Revolution eher erstarte Pose, wie ein Che Guevara T-Shirt oder Frank Zappa auf dem Klo.
Warum wird eine solche Planungsaufgabe nicht häufiger Thema in Studienarbeiten oder Ideensammlungen für die Innenstädten, warum nicht vielleicht sogar Realität?

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