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Die Speerwurf-Goldmedaille für den norwegischen Speerwerfer Andreas Thorkildsen wurde im kleinen skandinavischen Land heftig herbeigesehnt.
Dabei vergaß man, dass Thorkildsen einen ungleich begabteren Vorgänger hatte: Pål Arne Fagernes brachte sich im Jahr 2003 um – eine ähnlich von tumben Funktionären versaute Sportlerkarriere zu finden wie die seine scheint kaum möglich.
Pål Arne Fagernes war schon als Kind ein ausgesprochenes Multitalent war: Im Skilanglauf war er Altersklassenbester, mal gewann er ein Abfahrtsrennen, siegte bei Tennisturnieren und startete bei 30 Radrennen. Zudem ist er mit 81,64 Metern bis heute inoffizieller Rekordhalter im Schneeballweitwurf.
International war Fagernes jedoch als Speerwerfer bekannt geworden, bei der WM in Sevilla 1999 belegte er einen beachtlichen vierten Platz, zwei Jahre später gewann er das Golden League Meeting in Monte Carlo.
Im September 2000 aber war dann plötzlich Schluss. Fagernes hatte eigentlich nur feiern wollen, dass die Phase besonders intensiven Trainings vor den Olympischen Spielen in Sydney endlich vorbei war. Dummerweise setzte er sich nach dem Kneipenbummel hinters Steuer und wurde von der Polizei verhaftet.
Anstatt gemeinsam mit seinem Athleten ein offenes Gespräch über etwaige Alkoholprobleme zu führen, reagierte der norwegische Leichtathletikverband knallhart. Fagernes wurde aus dem Kader geworfen – und sich selbst überlassen. Der eher schlichte Mann, der von sich sagte, dass er ohne Sport nicht leben könne, geriet regelmäßig mit dem Gesetz in Konflikt. Denn Fagernes begann in seiner Zwangspause erst recht zu trinken, und besoffen wurde er aggressiv.
»Er ist eben nicht wie die meisten anderen Sportler«, konstatierten die Sportfunktionäre regelmäßig, wenn der Speerwerfer wieder einmal in den Schlagzeilen landete. Und warfen ihn ebenso regelmäßig aus dem Kader. Der Sportjournalist Tom A. Schanke kommentierte im Sommer 2001: »Der Fall Fagernes ist tragisch. Sein Talent ist eben so unbestreitbar wie sein Trainingseifer. Aber er braucht wohl Hilfe, seinen persönlichen Lebensplan zu entwickeln. Der Verband verspricht zwar immer wieder, ihm jede mögliche Unterstützung zuteil werden zu lassen, aber ich bin sehr skeptisch, dass es wirklich hilfreich ist, wenn die Funktionäre Fagernes die Sporthilfe streichen. Wenn zu den persönlichen auch noch ökonomische Probleme kommen, wird sich die Situation des Mannes wohl kaum verbessern.«
Schanke sollte Recht behalten. Fagernes versuchte, sich mit anderen Sportarten über Wasser zu halten. Am 6. April 2003 bestritt er im spanischen Benidorm seinen ersten ersten Profi-Boxkampf. Bereits in der ersten Runde landete er einen Sieg durch technischen K.o. über das »slowakische Schwergewichtswrack« (Dagbladet) Peter Simko. Kurze Zeit später sah es so aus, als ob auch die Speerwerfer-Karriere wieder in Gang kommen könnte. Fagernes hätte mit nur einem gelungenen Wurf bei den norwegischen Meisterschaften aller Wahrscheinlichkeit nach bei den Leichtathletik-WM, die zurzeit in Paris stattfinden, starten dürfen.
Doch wenige Tage vorher steuerte der 29jährige sein Auto mit hoher Geschwindigkeit in einen entgegenkommenden Lkw, der Speerwerfer war auf der Stelle tot. Eine bei der Obduktion entnommene Blutprobe ergab, dass Pål Arne Fagernes zum Unfallzeitpunkt vollkommen nüchtern war.
Dieser Text erschien zuerst in der Wochenzeitung Jungle World