Horacio Elizondo ist weit mehr als nur der Mann, der Zinedine Zidane im WM-Finale 2006 vom Platz stellte. Er ist auch Gerechtigkeitsfanatiker, Literaturliebhaber, Gründer einer Schiedsrichterschule – mit anderen Worten: Insgesamt ziemlich cool.

Wenn im Juli 2009 die Fußball-Wettbewerbe der 19. Makkabiade angepfiffen werden, wird unter den Schiedsrichtern ein Mann sein, der es zu weltweiter Prominenz gebracht hat: Horacio Elizondo, der Referee, der dem französischen Superstar Zidane beim WM-Endspiel 2006 die Rote Karte gezeigt hatte.

Die spektakuläre Verpflichtung ist umso bemerkenswerter, weil Elizondo extra für das jüdische Sportereignis seine Pfeife wieder hervorholt, denn eigentlich hatte der Argentinier im Dezember 2006 seinen Rücktritt von der Schiedsrichterei erklärt.

Der 45-Jährige konnte kürzlich bei einem Treffen mit Maccabiah-Chef Asaf Stolarz in Buenos Aires für die Teilnahme an der fünfgrößten Sportveranstaltung der Welt begeistert werden. Und wird vom 12. bis 26. Juli 2009 gemeinsam mit seinen Kollegen über die Einhaltung der Fußball-Regeln wachen, wenn 70 Mannschaften in fünf Altersklassen gegeneinander kicken werden.
Vielleicht wird der Schiedsrichter des Jahres 2006 dann auch davon erzählen, wie man sich so fühlt, wenn man einem der ganz großen Stars einen Platzverweis erteilt.

Die Chancen sind allerdings, realistisch betrachtet, nicht besonders groß. Denn obwohl Elizondo einem wirklich äußerst exklusivem Club angehört – nur 18 Männer durften und dürfen jemals von sich behaupten, ein WM-Endspiel geleitet zu haben – gehört er definitiv nicht zu den Selbstdarstellern seiner Zunft. Oder, wie der heutige Sportlehrer, Ausbilder und TV-Kommentator in Interviews gern sagte: “Ein Schiedsrichter darf nicht abheben”.

Begonnen hatte Elizondo seine Karriere nicht bei den Kickern, sondern eher zufällig als Handball-Referee. Als Sportstudent war er von Kommilitonen gebeten worden, aushilfsweise ein Spiel zu pfeifen, und er stimmte zu, “mehr aus Spaß”, wie er sich später erinnerte.
Schon während des Matches zeigte sich jedoch, dass Elizondo wohl seine Berufung gefunden hatte, “es war, als wäre ich dazu geboren, denn die Schiedsrichterei vereinigt die Dinge, die mir in meinem Leben ganz wichtig sind: Sport, Lehre und Gerechtigkeit.”

Der spätere Zidane-Platzverweiser meldete sich umgehend zu einem Kurs für Unparteiische an, 1992 hatte er es als Fußball-Schiedsrichter bis an die Spitze in Argentinien geschafft. Bereits zwei Jahre später durfte er zum ersten Mal eine internationale Begegnung pfeifen, wahrscheinlich auch, weil er sich zuvor in brisanten argentinischen Spielen wie dem Duell der beiden Erzrivalen River Plate – Boca Juniors bewährt hatte.

2001 zählte Elizondo zu den fünf besten Referees der Welt, die Berufung zur Weltmeisterschaft in Deutschland war logische Folge konstant guter Leistungen.
Auch dass er dort als einziger Schiedsrichter jemals sowohl das Eröffnungs- wie auch das Finalspiel leiten durfte, kam nicht besonders überraschend. Der Hobby-Golfer ist bekannt für seine akribische Vorbereitung, außerdem nutzt er gern modernste Technik, um beispielsweise Training und Bewegungsabläufe zu optimieren.

Dass Schiedsrichter Elizondo zudem keine Angst vor großen Namen hat, hätte auch Zidane ahnen können. Auf der Liste der Stars, die er in wichtigen Spielen mit einer Roten Karte bedachte, stehen unter anderem David Beckham (2000 im World Club Championship-Match Manchester United – Necaxa vom Platz gestellt) und Wayne Rooney, im Viertelfinale der WM 2006 hatte er den englischen Hoffnungsträger Wayne Rooney des Spielfeldes verwiesen.

Und so fackelte Elizondo auch im Finale nicht lange, obwohl er den Zidane´schen Kopfstoß nicht selber gesehen hatte. Sein spanischer Linienrichter Luis Medina Cantalej hatte den Vorfall allerdings sehr wohl beobachtet: Mit den Worten: “Horacio, Zinedane hat Materazzi eben einen wirklich harten Kopfstoß verpasst. Du wirst es nicht glauben, wenn Du es später siehst” benachrichtigte er den Schiedsrichter, und der zückte Rot.

In dem Moment habe er die beteiligten Spieler nicht als die Stars Zidane und Materazzi gesehen, sondern “als Nummer 19 vom weißen und Nummer 23 vom blauen Team”, sagte Elizondo später.
Im Dezember 2006 war dann Schluß mit der Pfeiferei. Elizondo nannte fehlende Motivation, nachdem er alles erreicht hatte, als Grund für seinen Rückzug. ” Viele mögen denken, dass meine größte Leistung die Leitung des WM-Finales war. Ich sehe das nicht so. Die wichtigste und für mich größte Leistung war es, meinen Rücktritt zu erklären”, sagte der Referee, “es ist gar nicht so leicht zu begreifen, dass, wenn man die erträumten Ziele erreicht hat, nichts mehr zu holen ist.”

Der Rücktritt gestaltete sich dann bemerkenswert unspektakulär, der vierfache Vater, der nach der WM von begeisterten Mitbürgern am Flughafen in Buenos Aires empfangen worden war, verabschiedete sich nicht etwa mit einem speziell arrangierten Promi-Spiel, sein letztes Match war eine ganz normale Liga-Begegnung. Zuvor hatte der Literatur-Fan Elizondo eine Anerkennung, die ihn ganz besonders freute: Nach dem WM-Endspiel erhielt er ein Buch mit ganz spezieller Widmung von Eduardo Galeano, seinem uruguayaischen Liebingsautor, der ganz besonders für seine sozialkritischen Satiren bekannt ist. Elizando revanchierte sich mit einem der Trikots, das er bei der WM getragen hatte.
Nun wird der Schiedsrichter des Jahres 2006 also in Israel noch einmal aktiv werden. Der Mann, der mittlerweile in Argentinien eine eigene Schule für die Aus- und Fortbildung von Unparteiischen gegründet hat, wird es aber nicht dabei belassen, nur ein paar Spiele zu pfeifen. Während seines Aufenthalts im Land wird Elizondo auch Fortbildungslehrgänge für israelische Schiedsrichter abhalten.

Dieser Text erschien zuerst in der “Jüdischen Allgemeinen”.

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