Der Journalist Olaf Sundermeyer berichtet in TV-Reportage “Kalter Krieg auf dem Eis” über die Hintergründe der Eishockeyliga KHL. SportsWire sprach mit Sundermeyer, der auch gelegentlich für uns als Autor schreibt, über seine Recherche-Ergebnisse, den Sportenthusiasmus der neuen russischen Eliten, Sponsoren wie Gazprom, mögliche Auswirkungen der Finanzkrise, und, natürlich, über Eishockey.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, Dich mit der Kontinentalen Hockeyliga KHL zu beschäftigen?

Durch die Aussage von Ligachef Alexander Medwedew, der gleichzeitig stellvertretender Gazprom-Chef ist, dass die KHL sich für die Eisbären Berlin und andere Klubs in Mitteleuropa interessiert. Gepaart mit den finanziellen Avancen für Spieler aus der DEL – und dem Umstand, dass bislang keine Redaktion aus Deutschland sich unmittelbar mit der KHL beschäftigt hat.
Ich wollte einfach erfahren, was tatsächlich hinter dieser Liga steckt.
Und so bin ich sehr froh darüber, dass mir die Redaktion von WDR Sport Inside die Möglichkeit gegeben hat, nach Russland zu reisen, um einen längeren Beitrag über die KHL zu machen.


Was genau ist eigentlich das Konzept der KHL?

Die KHL sieht sich als Gegenentwurf zur allmächtigen NHL.
Jahrzehntelang mussten die Sowjets, mussten die Russen, mit ansehen, wie die NHL die besten Eishockeyspieler der besten Eishockeynation, und das war nun einmal die Sowjetunion, mit Geld nach Nordamerika lockten.
Darüber habe ich sehr lange mit der Trainerlegende Wiktor Tichonow in Moskau gesprochen. Er gilt als erfolgreichster Eishockeytrainer aller Zeiten, und fungiert heute noch als Berater von ZSKA Moskau, das auch in der KHL spielt.
Die besten Russen sollen in der russisch dominierten KHL spielen. Neben Russland nehmen noch Kasachstan, Lettland und Belarus an der Liga mit aktuell 24 Mannschaften teil. Und nach dem Wunsch der KHL soll sich das ganze noch weiter auf insgesamt 32 Klubs ausdehnen – auf Tschechien, Schweden, Finnland, die Ukraine, vielleicht auf Österreich, die Schweiz und die Slowakei – und auf Deutschland.

Eishockey war ja bereits während des Kalten Krieges eine Sportart, in der neben den Spielern immer auch die Weltpolitik auf dem Eis zu finden war – ist die Gründung der KHL daher Deiner Meinung nach folgerichtig?

Ja, natürlich. Russland hat nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Jahre gebraucht, um zu alter Stärke zu kommen. Und die will man der restlichen Welt jetzt wieder zeigen. Deshalb ist Sport, wie früher eben auch, wieder Außenpolitik. Und die neuen Eliten, allen voran Wladimir Putin, gerieren sich als absolute Sportenthusiasten.
Der Sport bekommt alle erdenkliche Unterstützung aus Politik und Wirtschaft – und in dem Erdgasmonopolisten Gazprom kommen diese beiden Bereiche eben zusammen.
Das ist auch der Grund, weshalb Gazprom sich als Sponsor, nicht nur der KHL, betätigt – sondern auch beim Fußball. Der Uefa-Cup Sieg von Zenit St.Petersburg im vergangenen Jahr war ein Sieg für Russland.
Zusätzlich will Gazprom an die Endverbraucher ihrer Energie – auch bei uns in Deutschland. Daher das Sponsoring auf Schalke, worüber es sich Geschäfte mit kommunalen Versorgern erhofft, oder auch bei den Eisbären Berlin. Deren Hauptsponsor, die Gasag – also die Berliner Stadtwerke – stehen schon lange auf dem Einkaufszettel von Gazprom.
Daneben hat die KHL aber noch andere potente Geldgeber aus der russischen Rohstoffindustrie.


Andererseits: Eishockey ist in Russland und der Ukraine eine der beliebtesten Sportarten, was ist so verwerflich daran, dass es dort nun eben auch eine große, starke Liga mit ausländischer Beteiligung gibt? Ist das für die Zuschauer und auch die Spieler nicht eine gute Chance, Spitzeneishockey zu sehen und zu spielen?

Warum sollte es verwerflich sein? Am Ende geht es immer ums Geld.
In der KHL verdient ein durchschnittlicher Spieler mindestens das zweieinhalbfache wie in der DEL – und das netto. Und die Zuschauer bis nach Sibirien kriegen Spitzensport geboten, weil dort, in Omsk, beispielsweise der Tscheche Jaromoir Jagr spielt, für 5 Millionen Dollar Jahresgage. Dafür hat er die NHL verlassen.
Ich finde das nicht verwerflicher als das, was die NHL seit Jahrzehnten treibt.
Allerdings finde ich es wichtig darzustellen, was hinter diesem sportlichen Ansinnen steckt. Denn die Arenen in Russland sind längst nicht voll. Bei den Ambitionen in Richtung Eisbären Berlin werden sich viele auch die Frage stellen, ob die Zuschauer lieber ein Spiel gegen die Kölner Haie sehen wollen, oder eine Mannschaft aus Nowosibirsk. Das sportliche Niveau in der KHL ist der DEL jedenfalls überlegen.


Wie und wo hast Du recherchiert, war es einfach, Gesprächspartner zu finden? Wer sind allgemein die Haupt-Protagonisten des Kalten Eis-Kriegs? Und inwieweit ist die Politik wirklich involviert?

Ich war in Berlin bei den Eisbären, bei der DEL in Köln, in Moskau bei der KHL, bei einer Jugendmannschaft, die von der KHL unterstützt wird, und bei zwei großen Klubs, wo ich mit Spielern sowohl aus der NHL als auch aus der DEL gesprochen habe. Und wir haben bei der NHL in New York City angefragt.
In Russland ist es immer schwierig, Ansprechpartner zu finden. Aber mit dem KHL-Geschäftsführer Wladimir Schalujew, und mit Wiktor Tichonow, der inzwischen 78 Jahre alt ist, und offen reden kann, habe ich zwei sehr wichtige Interviews für den Beitrag geführt.
Die Politik steht zu hundert Prozent hinter der KHL. Daran gibt es keine Zweifel. Ligapräsident Alexander Medwedew gehört zu den Vertrauten von Putin und von Staatspräsident Dimitri Medwedew, die ein eindeutiges Interesse daran haben, Russland auf der Weltbühne spielen zu sehen. Bereits 2008 wurde das Land nach langen Jahren wieder Weltmeister. Das war ein Erweckungserlebnis. Mit diesem Ziel fährt man im April zur WM in die Schweiz – und in Vancouver will man Gold. In Russland zählt nur der Superlativ.

Werden die Pläne für die KHL nicht unter der globalen Wirtschaftskrise leiden? Selbst russische Ol-Magnaten haben derzeit Schwierigkeiten…

Ja, die ganze Entwicklung in Russland wurde stark gebremst – auch die der KHL. Sämtliche Pläne haben nur zeitverzögert eine Chance. Das kann man klar sagen. Aber deshalb sind die Pläne noch längst nicht gestorben.
Die Kritiker der KHL argumentieren gerne mit der Finanzkrise, sei es hier in Deutschland – oder in den USA. Dahinter steckt eine gewisse Schadenfreude, die sich aus der Ohnmacht speist, die man zuvor vesrpürte, als die KHL ihre finanziellen Möglichkeiten angedeutet hat.
Ich hoffe, dass die Finanzkrise die gesamte Welt des Sports zur Vernunft bringt.

Was hat Dich während Deiner Recherchen am meisten verblüfft, und was fandest Du am wenigsten überaschend?

Solche Spielereien wie die KHL -oder selbst das Gazprom-Engagement auf Schalke – treiben am Ende die Gaspreise nach oben – für den Verbraucher. Darüber würde sich in Russland allerdings niemand aufregen.
Auch Doping ist kein Thema in der Öffentlichkeit, obwohl gerade erst ein junger KHL-Spieler daran gestorben ist. Die Leute sind dagegen mit Stolz erfüllt, wenn sie ihre Hymne vor den Ligaspielen hören, und wissen, dass auf dem Eis ihre Weltmeister stehen, die vor einem Jahr noch in Kanada oder den USA gespielt haben. Der Pokal heißt ja nicht umsonst Jurij-Gagarin-Cup. Es ist ein bisschen so wie damals beim Wettrennen um das Weltall. Für den ersten Platz gibt Russland alles.
Das ist bei uns hier in Deutschland sicherlich anders. Wir freuen uns auch über deutsche Siege, würden dafür aber nicht auf irgendetwas verzichten wollen.
Ärgerlich, aber wenig überraschend war, dass die NHL uns jegliche Stellungnahme verweigert hat.

Hast Du Dir schon überlegt, welches sportliche Thema Du als nächstes recherchieren möchtest?

Ich stecke bereits in einer Recherche, über die ich aber nicht reden möchte. Zunächst muss ich eine Redaktion davon überzeugen, dass sie den Aufwand mitträgt. Darüber spreche ich in den kommenden Tagen mit der Sport Inside Redaktion.

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