An diesem Samstag treten Werder Bremen und Bayern München im Finale des DFB-Pokals gegeneinander an. Wilhelm Nagel wird den Jubel der Sieger mit einer Mischung aus Stolz und Sorge betrachten – der heute 83-Jährige aus Wesseling hat die Trophäe 1964 geschaffen. Im Interview spricht der Goldschmied über sein Handwerk, verrät, wie er an den Pokal-Auftrag gekommen ist – und warum er ein bisschen böse mit Schalke war…


Herr Nagel, am Samstag ist DFB-Pokalfinale. Können Sie sich das Spiel noch entspannt anschauen oder ist die Nervenbelastung zu stark, wenn Ihr Pokal Jubelstürme über sich ergehen lassen muss?

Nein, so schlimm ist es nicht. Natürlich werde ich mir das Spiel am Fernseher anschauen. Dass die Gewinnermannschaft in ihrer Ausgelassenheit und Freude vielleicht nicht immer sachgemäß mit dem Pokal umgeht, kann ich dabei verschmerzen.

Aber ein bisschen aufgeatmet haben Sie schon, als feststand, dass Schalke nicht das Endspiel erreichen würde.

Ach, diese Geschichte ist doch längst vergessen. Aber natürlich war ich ein wenig aufgebracht, als das Stück während der Feierlichkeiten nach dem Pokalsieg der Schalker 2002 arg ramponiert wurde.
Vier Monate – rund 700 Arbeitsstunden – habe ich gebraucht, um den krummen Sockel wieder herzurichten und andere Schäden zu beheben.
Jetzt glaube ich nicht, dass so etwas noch einmal passieren wird.

Werder gegen Bayern – welchem Team würden Sie wünschen, Ihren Pokal in den Händen zu halten?

Einen Favoriten habe ich nicht, es möge einfach der Bessere gewinnen. Wichtig wäre mir vielmehr, dass es ein spannendes Spiel wird. Wenn nicht, schalte ich einfach ab.

Sie haben den Pokal 1964 geschaffen – wie kommt man an einen solchen Auftrag?

Das ist schnell erzählt: Ich hatte schon 1949 an der Gestaltung der Meisterschale mitgearbeitet, als ich Student an den Kölner Werkschulen war. Eine meiner Professorinnen – Elisabeth Treskow – hatte vom damaligen DFB-Präsidenten Dr. Peco Bauwens den Auftrag bekommen, einen Nachfolgepokal für die Victoria zu entwerfen, die in den Wirren der Nachkriegszeit verschwunden war. Aus dieser Zeit stammt mein gutes Verhältnis zum DFB, für den ich bis vor fünf Jahren regelmäßig tätig war.

Mussten Sie bei der Gestaltung des DFB-Pokals Vorgaben beachten?

Nein, ich hatte weitgehend freie Hand. Bis 1964 wurde dem jeweiligen Pokalsieger noch der sogenannte Tschammer-Pokal überreicht. DFB-Präsident Bauwens wollte diese Trophäe abschaffen, weil sie noch aus der Zeit der Nationalsozialisten stammte. Mich erinnerte dieses Gefäß an eine profane Vase, es fehlten nur die Blumen.
Als ich über meinen ersten Skizzen für den neuen Pokal saß, war mir klar: Die neue Trophäe sollte sich deutlich vom alten Pokal abheben. Ich wollte etwas Kostbares schaffen, etwas, das man respektiert und bewundert. So bin ich auf das sakrale Thema gekommen, das mich bei der Herstellung des DFB-Pokals sehr inspiriert hat.

Wenn Sie heute den Auftrag zur Gestaltung des DFB-Pokals bekommen würden – sähe er genauso aus wie der von 1964?

Natürlich ist auch ein Goldschmied ein Kind seiner Zeit. Das heißt aber nicht, dass man ständig mit der Zeit gehen sollte. Arbeiten, welche die Jahre überdauern sollen, brauchen vor allem Substanz – das ist nicht anders als in der Kunst. Ich stehe jedenfalls hinter meinem Pokal – auch wenn vielleicht das eine oder andere Detail heute anders ausfallen würde.

Wie kam es dazu, dass Sie den Beruf des Goldschmieds ergriffen haben?
Das habe ich in erster Linie meinem Vater zu verdanken, der Kunstschmied war. Er schickte mich zu einem befreundeten Gold- und Silberschmied in die Lehre. Dieser Meister gehörte in Köln zu den führenden seiner Zunft. Damals war ich 13 Jahre alt – das ist jetzt 70 Jahre her.

Und Sie sind immer noch tätig.

Ja, solange mir meine Arbeit Freude bereitet – warum nicht? Zwar habe ich inzwischen ein Alter erreicht, in dem ich etwas kürzer treten muss. Aber ich bin immer noch fast jeden Tag in meiner Werkstatt.

Woher nehmen Sie Ihre Motivation?

Der Berufsalltag eines Gold- und Silberschmieds ist nie langweilig: Ständig geht es darum, sich neue Ideen auszudenken und diese dann in die Tat umzusetzen. Wenn es mir dann gelungen ist, einen Wohlklang zwischen einem Schmuckstück und seinem Träger zu erzeugen, erfüllt mich das mit großer Zufriedenheit.

Mit welcher Begründung würden Sie jungen Menschen heute raten, das Goldschmiedehandwerk zu erlernen?

Ich kenne nur wenige andere Berufe, in denen der persönliche Gestaltungsspielraum so groß ist. Gold- und Silberschmiede leben von ihrer Inspiration, von ihrem Ideenreichtum. Natürlich ist ein gewisses Maß an Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit ebenso notwendig, aber das lässt sich weitgehend erlernen. Insofern ist kreative Begabung das A und O in meinem Beruf.

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