Möglich, dass so etwas nur in Deutschland passieren kann. Das letzte Vorrundenspiel der DFB-Mannschaft findet statt. Da ich auf Reisen war, entschied ich, das Spiel in der Bahn-Lounge im Frankfurter Hauptbahnhof zu schauen. Warum auch nicht. Dort ist es ruhig, es gibt keine Vuvuzelas, aber dafür Getränke und Eis für die Bahncard100-Kunden. Eine Stunde vor Anpfiff sitze ich auf einem Sessel und höre mir an, was Günter Netzer so in die Kamera zu floskeln hat. Hin und wieder zickt er dabei seinen deutlich jüngeren Ehemann an, was in Ordnung ist, denn genau dafür hat er ja den Grimme-Preis bekommen.

Die Spannung steigt und als das Spiel beginnt, haben sich einige weitere DB-Kunden vor dem Fernseher versammelt. Alles spricht dafür, dass es ein angenehmer Fußball-Abend wird. Halbzeit eins hat Torchancen, Tempo und zwei gleichstarke Teams zu bieten. Die Halbzeitparteitagsanalyse (ZDFsprech) hat dann mit viel gutem Willen einen subtilen Nazivergleich von Delling zu bieten („Nichtschusspakt“) und Netzer erinnert an einen in Vergessenheit geratenen Beruf, nämlich den des „Torwächters“, der „da gut den Raum eng gemacht hat“.

Und weiter geht es. 0:0. Alles auf Anfang, noch einmal 45 Minuten.

In der zweiten Hälfte erarbeitet sich Ghana immer mehr Vorteile, ohne dass jedoch zwingende Torchancen daraus resultieren. Außerdem steht es dann eh auf einmal 1:0 für das Ex-Sommermärchen-Team. Damit scheint Deutschland relativ sicher im Achtelfinale. Man spürt, wie die Zuschauer in der Bahn-Lounge etwas durchatmen und dann folgt der irrste Angriff des Abends. Nicht auf dem Fußballplatz, sondern von der Deutschen Bahn. Es ist 21.57 Uhr und es wird durchgesagt, dass die Lounge um 22.00 Uhr schließt. Also eine Viertelstunde vor Abpfiff der Partie. Und sie schließt auch tatsächlich um 22.00 Uhr. Zwei DB-Sicherheitsmitarbeiter wachen darüber. Die verstörten Leute verschwinden und hoffen vergeblich, die letzten Minuten in den überfüllten Bars und Sommergärten der Umgebung verfolgen zu können. Sie haben nichts mehr verpasst, das Spiel endete 1:0.

Was davon vor allem bleibt, ist das Service-Foul der Deutschen Bahn, die das Kunststück fertig bringt, lautstark mit der Fußball-WM zu werben und dennoch beim entscheidenden Spiel der deutschen Mannschaft pünktlich um 22.00 Uhr den Laden dicht macht. WM ist WM, aber Öffnungszeit ist Öffnungszeit. Ordnung muss eben sein, Özil hin, Boateng her.

Kommentare

Comments are closed.

blogoscoop