Die 1948 als Rennen von Warschau nach Prag erstmals ausgerichtete Internationale Friedensfahrt entwickelte sich rasch zu einer äußerst beliebten Art Tour de France der Radsportamateure.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks war das Event den BRD-Sportfunktionären dann als zu DDR-spezifisch erschienen – mit der Deutschlandtour wurde bewusst eine Konkurrenz geschaffen.

1990 fand wie in jedem Jahr, in dem die DDR existierte, die Friedensfahrt der Radsportler statt, und wie in jedem DDR-Jahr saß politische Prominenz auf der Bühne. Statt Egon Krenz und Manfred Ewald hockten diesmal allerdings Wolfgang Schäuble, damals wie heute wieder BRD-Innenminister, und Cornelia Schubert, damals DDR-Sportministerin der de-Maizière-Regierung, auf der Tribüne. Die ausgewechselte politische Prominenz symbolisierte unter anderem, daß es für die Friedensfahrt erstmals in ihrer Geschichte schwierig geworden war, die Finanzierung sicherzustellen.

Sie hatte zwar den Ruf, das härteste und anspruchsvollste Amateurrennen der Welt zu sein, aber Geld war trotzdem nicht da, zumal schon der Name Friedensfahrt sich eher DDR-nostalgisch denn sponsorenfreundlich anhörte. Deswegen wurde damals ernsthaft überlegt, den Begriff “Friedensfahrt” durch den Begriff “Deutschlandfahrt” zu ersetzen – das klinge zudem wiedervereinigungsfreundlicher.

Daraus wurde dann doch nichts, schon weil die Friedensfahrt kein deutsches, sondern ein internationales Rennen war, das auch durch Polen und die damalige Tschechoslowakei führte. Hauptsponsor wurde im Jahr 1990 schließlich das „Neue Deutschland“, zur Rettung der Friedensfahrt wurden ein Verein und ein Kuratorium gegründet, in denen unter anderem der zweifache Friedensfahrtgewinner und zweifache Straßenweltmeister Gustav-Adolf “Täve” Schur saß. Verein und Kuratorium gelang es zunächst, alljährlich die Friedensfahrt auch in Deutschland stattfinden zu lassen, zuletzt als Rennen für Profis und Amateure.

1999 aber mussten manche Macher der Friedensfahrt ihre ursprüngliche Hoffnung, das Rennen werde vielleicht einmal eine ähnliche Bedeutung wie die Spanienrundfahrt oder die Tour de Suisse – an Giro D’Italia oder Tour de France wurde sinnvollerweise erst gar nicht gedacht – erlangen, aufgeben. Die Friedensfahrt erhielt nämlich westdeutsche Konkurrenz. Die “Deutschland-Tour” ist eine Wiederauflage der zuletzt 1982 eingestellten “Deutschland-Rundfahrt” für Profis und hat zwar ihre eigene, bis ins Jahr 1911 zurückreichende Geschichte, gleichwohl bewerteten die Friedensfahrt-Funktionäre die Neuauflage als “Versuch, uns tot zu machen”, wie Täve Schur sagte.

Dabei hat die Entstehungsgeschichte der Deutschland-Tour mit der Friedensfahrt nur insoweit zu tun, daß sie in Westdeutschland bis heute kaum bekannt ist. Entstanden ist sie, so geht die Mär, die der damalige Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), Manfred Böhmer, gerne erzählte, im Sommer 1997. Da begleiteten er und der damalige Kanzleramtsminister Friedrich Bohl die Schlußetappe der Tour de France, und Bohl sprach wie alle deutschen Staatsmänner, die auf die Champs Elysées einbiegen: “So etwas sollte es bei uns auch geben.”

Experte Böhmer assistierte Bohl, erklärte ihm, so etwas habe es tatsächlich mal gegeben, zuletzt von 1979 bis 1982. Mit dem damals abflauenden Thurau-Fieber sei die Deutschland-Rundfahrt dann jedoch wieder eingestellt worden, aber vielleicht sei es eine gute Idee, sie wieder zu beleben. Das Remake war geboren, und die Organisatoren der Friedensfahrt reagierten entsprechend aufgeschreckt, denn eigentlich, so hatte es bis dahin immer geheißen, unterstütze der BDR ja ihre Rundfahrt.

1997 kam es zu einem Treffen zwischen Friedensfahrt-Organisatoren und dem BDR-Präsidium, man einigte sich auf ein Kommuniqué, in dem u.a. steht, daß der BDR beide Veranstaltungen unterstütze und daß sich beide Veranstaltungen, die vom Weltverband UCI mit dem recht hohen Qualitätsfaktor 2,4 versehen wurden, terminlich nicht überschneiden sollten. Damit waren Verein und Kuratorium Friedensfahrt zufrieden, gingen sie doch nicht davon aus, daß die Deutschland-Tour als Vorbereitungsrennen auf eine der großen Rundfahrten, im konkreten Fall: die Tour de France, konzipiert werden würde.

Dem war dann doch anfangs nicht so.

Und die Friedensfahrt schnitt im Vergleich zur Deutschland-Tour schlechter ab: Der Etat der Friedensfahrt betrug 1,2 Millionen D-Mark, der der Deutschland-Tour 6,5 Millionen D-Mark. Die mediale Verwertung übernahmen bei der Friedensfahrt MDR und ORB, die in ihren Dritten Programmen Tageszusammenfassungen boten. Bei der Deutschland-Tour hingegen war anfangs Sat.1 täglich von 16 bis 18 Uhr auf Sendung.

Als Ergänzung zum sportlichen Hauptrennen wurde auch eine “Touristische Friedensfahrt” angeboten, aber auch da legte die Deutschland-Tour noch eins drauf. Erstmals, so verkünden die Veranstalter stolz 1999, böten sie eine “Jedermann-Tour” an. “Logistisch quasi eine zweite Rundfahrt”, wie einer der Organisatoren stöhnte: 500 Hobby-Radler erhielten gegen 1980 Mark Gebühr die Chance, das Rennen auf verkürzten Etappen mitzufahren. Und auch bei der Besetzung des eigentlichen Rennens konnte die Friedensfahrt nicht mit der Deutschland-Tour mithalten. Bei der Friedensfahrt waren keine sogenanntes GS-1-Teams am Start sein, also ein Rennstall der Spitzenklasse, im Gegensatz zur Deutschland-Tour.

Wie man in BDR-Kreisen über die Friedensfahrt dachte, hatte einer, der in keiner Verbandsverantwortung steht, offen ausgesprocheen. Ex-Weltmeister Rudi Altig sagte der Berliner Boulvevard-Zeitung B.Z.: “Die Friedensfahrt ist doch schon lange nicht mehr, was sie mal war. Die wird doch nur noch krampfhaft hochgehalten.”

2004 übernahm der tschechische Radsportverband die Rechte an der Friedensfahrt. Nachdem es nicht gelang, das Rennen in die höchste höchste Radsportklasse UCI Pro Tour aufnehmen zu lassen, wurde die veranstaltung zunehmend unbedeutend. Nachdem Hauptsponsor Skoda seinen Rückzug bekannt gegeben hatte, fiel die Friedensfahrt im Jahr 2007 aus. 2008 wird das Rennen ebenfalls nicht stattfinden.

Die Deutschland-Tour, die in diesen Tagen startet, hat zwar überlebt, konnte sich sportlich aber auch nicht durchsetzen. Sie ist schon lange kein Vorbereitungsrennen mehr für die großen Rundfahren, vor allem die Tour de France. In diesem Jahr überschneidet sie sich mit der Vuelta, Damit ist die Deutschland-Tour eine von vielen nicht allzu wichtigen Rundfahrten.

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