Mit dem Ausscheiden der deutschen Natioalmannschaft hat auch die “Autonome WM-Gruppe” (awmg) ihre Arbeit eingestellt. SportsWire dokumentiert die Auflösungserklärung der awmg, wie sie auf der Webseite der Gruppe veröffentlicht wurde.

Ein Teil von uns hat sich immer gefragt, wie es wohl gewesen war, als „Franco ist tot!“ durch den Äther das Herbstes 75 gejagt wurde.
Gestern konnten wir zumindest ein klein wenig davon nachvollziehen. „1:0“ schallte es durch unsere Wohnküchen mit den röhrenden Hasskappen an den Wänden. Und für einen kleinen Moment konnten wir daran glauben, dass es jetzt endlich vorbei ist. Die Illusion, dass mit dem Ausscheiden der WM, all die Deutschtümelei ein Ende finden würde; der Eintopf, die so schal nach Patriotismus und Nationalismus schmeckte, endlich ausgelöffelt sei.
Mag sein, dass die Deutschlandwindeln des Sommers 2010 endlich eingemottet werden, was bleibt ist der tägliche rassistische Terror auf den Straßen und den Institutionen. Mit der kosmetischen Aufbesserung der Straßen und seiner Bewohner, fernab von Schwarz-Rot-Gold, tritt wieder die verstecktere Maschinerie der alltäglichen Ausgrenzung an den Tag. An den Stammtischen wird weiter gehetzt, in den JobCentern und den bürgerlichen Medien eh und was bleibt von uns, der awmg, am Ende der WM übrig?

Wir genossen unsere 5 Sekunden der Aufmerksamkeit, hatten Spaß daran, dass von taz bis FAZ Journalisten im Szenesumpf herum trampelten, um unserer landesweiten Verschwörung gegen den „unverkrampften Patriotismus“ auf die Schliche zu kommen.
Wir waren die „bundesweiten Organisatoren“(ARD) des Fahnenklaus, wir waren es, die unseren Kumpel Bassal massiv bedrohten (Tagesspitzel) und schon zweimal die Fahne geklaut, bzw. angezündet hatten (SpOn).
Und während wir uns das Koks unserer Medienprominenz von den behasskappten Nasen abwischen und uns lässig in den Stühlen zurück lehnen, bleibt dennoch die Frage: „Wer zur Hölle waren wir?“. Und was haben wir eigentlich getan, um zum Hassobjekt der unverkrampften Deutschtümmler zu werden?
Wenn wir all die Mythen, die Gerüchte und das Halbwissen über unsere Gruppe aufdröseln und all den schwarz-roten Hass beiseite wischen, bleibt die stumpfe Erkenntnis, dass wir nichts weiter als eine Informationsplattform waren, die vielleicht hier und da Impulse geliefert haben.
„Geistige Brandstifter“, im besten Falle betreute Animateure für all die Fahnensportler da draußen und im schlechtesten Fall, Rassisten.
Wenn man abseits des gesellschaftlichen Konsenses agiert, prasseln immer wieder die dämlichsten Vorurteile auf einen ein, aber der konstruierte Rassismus-Vorwurf, versaute manchen von uns den Tag. Und so bleibt eine der Konsequenzen, die wir aus all dem Quatsch ziehen können, die Frage, wie wir mit Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen, die eben nicht in das Bild des weißen Deutschen passen, gerade in antinationaler Praxis umgehen können.
Vielleicht hätten wir im Blitzgewitter der Medien mehr Wert darauf legen sollen, unsere Positionen zu vermitteln, tiefer in die Sache einsteigen können und überhaupt auch dem letzten Wald-und-Wiesen-Journalisten klarmachen sollen, was wir im Grunde mit dem, übrigens nicht nur deutschen, Fahnenklau bezwecken wollen. Aber wo wären dann die Schlagzeilen geblieben, die wir uns so gerne gegenseitig um die Ohren geklatscht haben und wen hätte eigentlich die Problematik um Volk, Nation und Staat interessiert?

Zu beliebig sind die Patronen, die man mit dem Wörtchen „antideutsch“ laden kann und zu einfach die Formel Deutschlandhasser = Antideutsche, auch wenn es in unserer Gruppe auch Menschen gibt, die antideutsche Positionen vertreten, ist und bleibt die Ablehnung einer Welt, die sich in der Logik von Nationalstaaten organisiert, bis in die letzte Konsequenz der Gruppenkonsens.
Wir haben Wasser auf die Mühlen „linker“ Paranoiker (parteibuch-blog) getragen, die gerne mit dem Vorwurf hausieren gehen, dass unsere Aktionen nicht nur der Ausdruck postpubertärer Hartz IV-Empfänger ohne theoretisches Grundgerüst seien, sondern auch eine gezielte Aktion, die Linke in Deutschland zu diskreditieren.
Und so konnte sich selbst Günther Grünwähler und Lilly Linke, in die Betroffenheitskaraoke wider den Deutschlandhass einreihen. Ganze Scharaden an Abwehrkämpfen und Distanzierungsbemühungen wurden in den Foren der großen (und winzigen) deutschen und internationalen Presseerzeugnisse aufgetragen, so dass wir schon am Horizont die ersten Lichterketten gegen das Fahnenbarbecue erkennen konnten. Und als dann Szenekenner uns analysierten, von einem Mob „diffus anarcho-kommunistischer Gewalttäter“, deren Ziel die Zersetzung des deutschen Staates ist, schwadronierten, lachten wir das erste Mal seit langem wieder.

Nicht nur weil „staatszersetzend“ so eine schicke Vokabel ist, die wir im Grunde auch alle unterschreiben können, sondern auch, weil Ihr, liebe bürgerliche Linke, Euch endgültig selbst demaskiert habt. Und wenn Ihr Euch dann am Ende des Tages in das Schwarz-rotz-güldene Fahnenmeer eingereiht habt, die Nationalhymne erklang, ging Euch da nicht vielleicht die „Internationale“ durch den Kopf, vielleicht sogar der alte Spruch, dass der Proletarier kein Vaterland kenne?

Von den unverkrampften Patrioten zu den verkrampften Nationalisten, die ja angeblich und im Grunde, die deutsche Nationalmannschaft wegen dem MultiKulti-Krebs ganz schön scheiße finden. Quasi das Zewa-Wisch & Weg, das den Weg für einen gesunden Patriotismus freimacht, denn wenn auch die Nazis den Zirkus doof finden, dann kann man ganz unverkrampft in den süßen Apfel des nationalen Taumels beißen. Dafür, dass der „nationale Widerstand“ in seiner Gänze, mit ähnlichem Magengrimmen vor den Fernsehern ihrer national-befreiten Zone saßen, wie wir, gab es erstaunlich viel unverkrampft wirkende Menschen, die fröhlich Reichskriegsflaggen und Hitler-Grüße in die Digitalkameras der Welt zeigten. Gestört hat es scheinbar die wenigsten der Partydioten und wenn auch die Staatsmacht unverkrampft unbeeindruckt danebensteht, kann sich fast jeder denken, was in diesen Events gärte und die unzähligen Attacken gegen vermeintlich Nicht-Deutsche und andere, die nicht in die heteronormative und kapitalistische Verwertungsrealität, werden ganz schnell vom Siegeswahn weg gespült.

Als autonome Bewegungsnomaden bleibt uns nichts anderes als zu der nächsten politischen Wasserquelle inmitten des deutschen Ödlands zu ziehen und unsere Energie auf andere, vielleicht auch dringlichere Probleme des Schweinesystems zu lenken.
Letzten Samstag ging der Prozess gegen die Mörder von Dennis J. fast folgenlos für die Angeklagten zu Ende und der darauf folgende Protest wurde fachgerecht von der Knüppelgarde aufgelöst.
Die berliner „Bar 25“ hat ganz kleinkustgerecht ein brennendes Interesse an ihrer originalgetreuen „Township“-Bar in unseren Herzen entzündet und wir sind uns auch sicher, dass die Nazis sich bald wieder in Berlin blicken lassen.
Und weil alles ein Ende finden muss, erklären wir, die awmg, uns um 23:59 am achten Tage eines sonnigen Julis für aufgelöst. Nicht, weil wir glauben den Nationalismus überwunden zu haben und auch sicherlich nicht, weil wir davon ausgehen, dass die nationale Erektion, die sich gerade durch die Bevölkerung zieht, in absehbarer Zeit abschlaffen würde.
Wir haben uns nie mehr als ein eventgebundener Dorn im Zeh der schwarz-rot-geilen Bevölkerung verstanden und ob und wie wir diese Rolle erfüllen konnten, wird noch lange Gegenstand der Diskussion in unseren Zusammenhängen bleiben. Und so bleibt uns als Gruppe kaum mehr übrig, als solidarische Grüße an all jene zu schicken, die sich beim Klau präparierter Fahnen verletzt haben oder von tollwütigen Streifenhörnchen gefasst wurden.

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