Der rote Faden dieser Serie, ja es gibt ihn, nur erinnern muß man daran hin und wieder, ist die kürzliche faktische Anerkennung des Computerspiels als Kulturgut und die gleichzeitige beharrliche Nichtbehandlung als solches. Nun ist es endlich anerkannt und dabei ist es doch gerade dabei seinen Charme und seinen Kunstaspekt zu verlieren.

Die Analogie zwischen “Game” und “Movie”, oder wie wir vor über dreissig Jahren Geborenen sagen, Spiel und Film, klang in dieser Serie bereits an. Vertiefen wir diese noch ein bißchen: Vielmehr als einem kleinen Kunstwerk bzw. Kulturgut gleicht das, selten passte der Begriff so gut wie hier, handelsübliche[!] Computerspiel heute einem stromlinienförmigen Hollywoodprodukt, das mit Kunst normalerweise ungefähr ebenso viel zu tun hat.

When I left you, I was but the learner. Now I am the master!

Nehmen wir einen typischen Nerd-Film, einen wundervollen… Also zum Beispiel “Krieg der Sterne”. Unter dem Titel lernten wir den Film noch kennen, wurde zunächst zur Kinolegende, dann auch in Deutschland zu “Star Wars” und trug sich schliesslich mittels der neuen Trilogie unter gigantomanischen Special-Effects-Theaterdonner selbst zu Grabe. Das Märchenhafte blieb auf der Strecke, die Leidenschaft erstarb. Die Episode One genannte Zumutung war voller Special Hochglanzspiegeleffects, spiegelnde Raumstationen, spiegelnde Androiden, spiegelnde Raumschiffe, ärgerlich alberne Einfalt widerspiegelnde Dialoge. Lucas schien sich völlig verliebt und verloren zu haben in den Möglichkeiten des Computers, in den Untiefen des Machbaren.

Only a master of evil, Darth

Dabei waren wir doch schon in seinem Bann, als sich am Anfang des allerersten Teiles ein riesiger Sternenzerstörer langsam über die Leinwand schob. Und dieser Sternenzerstörer war schmutzig. Er hatte Beulen, er war klobig, er war nicht gerade durch die Raumschiffwäsche geflogen, er kam aus keinem trendigen Designbüro auf Coruscant, er war nicht im Kino, er war im Krieg, er kam aus einer imperialen Raumschiffwerft und er kam nicht aus dem Computer, sondern von der Werkbank, er war nicht aus Daten gemacht, sondern aus Sperholz. Wie inspirierend und inspiriert waren Optik und Darth Vader damals, wie schrecklich und enttäuschend das Ding I-III, das viel später aus dem Rechner kam.

Your powers are weak old man

Ebenso wie die Computerspiele der Anfangsjahre, deren Epigonen sich heute durch ein viel ausgefeilteres Design immer möglichst dicht an der Perfektion auszeichnen, begeistert der erste Krieg der Sterne Film auch heute noch durch etwas schwer fass- und beschreibbares: durch Charme. Nur muß man das eben Erleben. “Erleben” beinhaltet sicherlich auch immer alle Umstände und Begleiterscheinungen des Lebens an sich, die heute vergangen sind und nicht wiederkehren. Wie soll man heute noch einmal nachempfinden, was ein revolutionärer Film in einem auslöste, wo man doch inzwischen soviele Nachfolger gesehen hat, in denen das einst revolutionäre in gewisser Weise Normalfall oder wenigstens billiger Abklatsch geworden ist? Wie soll man heute beispielsweise die Wirkung eines Apocalypse Now ermessen, der nur vier Jahre nach Ende des Vietnamkriegs in die Kinos kam, wo heute selbst das theoretische Wissen um jenen Konflikt kollektiv weitgehend verschüttet ist?

This day will be long remembered, it seen the end of Kenobi it will soon be the end of the Rebellion.

Wie soll man das heutige Computerspiel am alten messen bzw. die Begeisterung an Pitfall Harry oder H.E.R.O. ermessen, wo man doch inzwischen schon gelangweilt ist von der ewig neuaufgelegten Lara Croft? Leider lassen sich die Computerspiele heute nicht einmal mehr flächendeckend retrospektiv erleben, ausser durch die Leidenschaft der Betreiber von Abandonwareseiten. Dazu bedarf es dann noch des eigenen Willens, einen Emulator zu laden, zu begreifen und zu nutzen, Dosbox mit heute als kryptisch empfundenen Befehlen zu füttern oder einen alte Konsole vor der Flohmarktverrottung zu retten. Kurz: ein altes Spiel zu spielen ist kein Kinderspiel.

You can’t win, Darth. If you strike me down, I shall become more powerful than you can possibly imagine

Was macht denn nun den besonderen Zauber der Spiele, der Computersteinzeit aus. Sicherlich gehört dazu die Unmittelbarkeit. Eine Idee wurde unter Umständen ohne lange Entscheidungs- und Produktionsprozesse umgesetzt. Verantwortlich dafür war ein einzelner Programmierer, gelegentlich ein Duo, Braben und Bell bei Elite, Richard Garriott bei den Anfängen von Ultima, David Crane bei den Little Computer People oder es war höchstens ein überschaubares Team beteiligt. Heute zerfällt die Produktion eines Spieles, wie die eines Filmes, in unzählige spezialisierte Abteilungen, das macht Optik und das gesamte Erscheinungsbild professioneller, perfekter. Nur, wie es auch mit Filmen so ist, beeindruckend ist zwar die Perfektion, in Erinnerung bleibt dagegen die Produktion mit der überraschenden Idee, den kauzigen Charakteren und der holprigen Inszenierung.

The Force is strong with this one

Die Budgets der Computerspiele waren früher kleiner, die Branche an sich vielleicht sogar noch verspielter, etwas was sie heute definitv nicht mehr ist, sondern von ernsthaftem Ehrgeiz und ökonomischen Sachverstand durchsetzt, mancher wird “zersetzt” vorziehen. Das mag heute nicht für den einzelnen Programmierer oder Designer zutreffen, der noch immer viel Herzblut investiert und das wird damals nicht für alle Developer und Publisher gegolten haben, die auch schon Geld mit ihrer Arbeit verdienen wollten. Atari, der vielleicht erste ausgestorbene Gigant auf tönernen Füssen in der Computerspielbranche, legte seinerzeit Wert auf die Anonymität des Designteams, man wollte keine Stars, alles sollte Teil der Corporate Identity Ataris sein. Die Folge waren die Gründung von Activision und Imagic, zu denen viele der besten Spieledesigner Ataris abwanderten, die schnell die besseren Spiele entwickelten und die Programmierer als die verantwortlichen Kreativen ins Rampenlicht schoben. Auch Electronic Arts ging ursprünglich mit einem solchen Ansatz ins Rennen.

Use the Force, Luke. Let go, Luke. Luke, trust me

Dabei schafften die Umstände zunächst günstige Vorausetzungen für innovative lustvolle Spieleentwicklung, es waren noch keine Gründe für zauberhafte Spiele an sich. Ein Aspekt dafür war sicherlich die Besonderheit und die Unverwechselbarkeit als Computerspiel, die wundervoll pixeligen Grafiken, die Beschränktheit schuf eine ganz eigene spezielle Optik eine eigene bisher nicht dagewesenen Bildsprache. Moderne Spiele sind nah am Animationsfilm, der schliesslich auch den Zeichentrickfilm abgelöst hat, der noch den einzelnen Strich, die scheinbareUnvollkommenheit beinhaltete. Das Computerspiel hat seine Unverwechselbarkeit aufgegeben, seine Eigenständigkeit als Kunstform. Die Ideen sind entweder traditioneller Art oder entstehen durch wechselseitigen ökonomisch fruchtbaren Austausch mit der Filmwirtschaft.

You’re all clear, kid! Now let’s blow this thing and go home!

Das Computerspiel selbst war ein ungeheuerliche Neuartigkeit, die Bedienung etwas noch nicht dagewesenes, der Reiz, den es ausübte das Geschehen auf einem Bildschirm zu steuern ist als weiteres heute nicht nachzuvollziehen. Selbst Computer hatten damals oft keine Bildschirme, sondern wurden über Schalter, Lochkarten o.ä. programmiert, heute gibt es kein elektronisches Gerät mehr ohne detailreich gestaltete optische Benutzeroberfläche, selbst Touchscreens sind gewöhnlich geworden bis zum Automaten, der einem U-Bahnkarten an der Haltestelle verkauft oder den eigenen und nicht selten besserwisserischen Küchengeräten.

Evacuate? In our moment of triumph? I think you overestimate their chances

Dabei ist es immer schwerer geworden für das einzelne Spiel heruszustechen aus der Masse, deren schiere Grösse einmal undenkbar war. Hier kommen über die Penetranzgrenze hinaus dimensionierte Werbebudgets und Kampagnen aufs Feld.

Sind vielleicht sogar die Emotionen weniger ausgeprägt, spielen wir weniger empathisch, weniger leidenschaftlich? Vielleicht lassen wir uns auf alles nicht mehr so richtig ein, lassen uns einfach zuwenig Zeit. Wir erinnern uns doch immer noch deutlich an unsere Erlebnisse bei “Tau Ceti”, die Nerven immer zum Zerreissen gespannt beim Feindflug über die düstere Oberfläche der fremden Welt und in Skara Brae, wo wir bei “The Bard`s Tale” tief in den Dungeons unter der Stadt bei jedem Schritt um unser Leben bangten. Es war bereits alles da, es war nur gewöhnlich etwas sperrig. Ist es diese Sperrigkeit, die es uns eingeprägt hat?

I find your lack of faith disturbing

Ich werde hier nicht die Erklärung finden können, nur öffentlich rätseln kann ich und vielleicht auf die Erfahrungen der Leser hoffen. Ist es am Ende so, daß das Geheimnis das Dabeigewesen ist? Das Dabeigewesensein bei der ganzen Geschichte, die Verbundenheit, die man entwickelt hat beim Begleiten des Computerspiels von der Wiege bis heute, wo es erwachsen geworden ist und sich uns ein wenig entfremdet hat, oder wir uns ihm? Kommen wir zu unserem Website-Kernthema, nehmen wir die Sportspiele, was ist denn passiert in all den Jahren? Das Publikum wurde immer detaillierter. In Fußballspielen der Computersteinzeit bestand ein Zuschauer noch aus zwei Bildpunkten, einem Kopf und einem Körper, bei Torerfolg begannen diese zu blinken, was uns völlig reichte, denn jubeln taten ja wir, aus dem Lautsprecher kam rauschen, klar, das Publikum. Inzwischen regieren Motion Capturing und eine verwirrende Vielzahl von verschiedenen Contollercommandos und Tastenkombinationen, nur haben wir heute beim Spielen von EA NHL Hockey 2009 mehr Spaß als beim Spielen von EA NHL Hockey 95? Bei “International Football” von 1983 auf einem Modul für den C64 konnte man ca. drei Aktionen durchführen: Tackle, den Ball führen und Schiessen. War es weniger großartig, den Kumpel damit zu schlagen als heute?

Remember, the Force will be with you. Always

Das nächste Mal kommen wir zur Vollendung der Verweigerung zum Gipfel des Minimalismus zum Zauber nach der reinen Lehre: Das Computerspiel ohne Bild, ohne Ton, das Textadventure.

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