Computerpiele der Anfangsjahre des Homecomputers konnten optisch nicht mit den eigenen Covern mithalten und so standen in den Reklameseiten der Spielemagazine die Screenshots noch völlig im Schatten des Artworks.
Liest man eine Computerspielezeitung des Jahres 1986, dann enthalten viele Tests nicht einmal einen Screenshot, da er schlicht nichts aussagte, nichts aussagen konnte.


Heute wäre das undenkbar, “Games” wuchern mit ihrer Optik, ihrem technischen Leistungsprektrum, jeder Artikel darüber verkommt zum erläuternden Begleittext der Bildschirmfotos.
Damals lockte ein Spiel mit einer Idee, einer Idee vom Spielgefühl, vom Ort, an den es uns entführen wollte, denn

es war doch schon alles da, was es brauchte uns zu verzaubern.

Was ist jedes Spiel anderes als der Versuch, diese Welt, oder zumindest diese Realität für seine Dauer zu verlassen. Kinder brauchen dafür nicht mehr als ein paar Legosteine und sind schon mit oder als Piraten und Astronauten unterwegs zu fernen Welten und aufregenden Abenteuern.
Der Kindheit erst einmal entwachsen tut man sich schon schwerer und doch mutiert man unter Freunden am Spieltisch bei Monopoly zum knallharten Tycoon, bei Risiko zum gnadenlosen Feldherren oder bei Cluedo zum Detektiv unterwegs bei Nacht und Unwetter im englischen Landsitz, dem Mörder auf der Spur.

Ein gutes Spiel zeichnet immer noch die gelungene Gefangennahme der Spieler aus.

Viel braucht es nicht. Zwar führt aktuell beispielsweise die “World of Warcraft” vor, wie man Menschen mit einer auch optisch beeindruckenden Parallelwelt konfrontieren und sie so an dem gegebenen Gleichgewicht zwischen Realität und Virtualität ver- und ihrem Lebensmittelpunkt allgemein zweifeln lassen kann, aber wir konnten diesse Welt problemlos schon vor 22 Jahren gen Cyberspace verlassen.

Elite

Wir sassen nächtelang im Dunkel vor den flimmernden Schirmen und durchstreiften mit “Elite”, ein Spiel optisch so schmucklos wie sein Titel, das Weltall immer wach, immer konzentriert, das Universum schien wirklich unendlich gross und wir darin unendlich allein, auf uns gestellt.
Man wurde mittels der beiliegenden Novelle “The Dark Wheel” in die Welt eingeführt, vielleicht ungewollt der Urahn, der heute erhältlichen end- und häufig völlig belanglosen begleitenden Romanreihen zu Computer- und Rollenspielen.
Was heute eine gewinnbringende Merchandisesparte ist, war damals, wie schon das Coverartwork, ein integraler Bestandteil des Spielerlebnisses.

“I’ve seen things you people wouldn’t believe.

Wir fühlten die Weite, die wir mit unserem kleinen, vom mühsam Ersparten erworbenen Raumschiff lautlos durchstreiften. Wir fürchteten die Thargoiden, widerliche schleimig erbarmungslose Aliens, denen man erst im sehr viel späteren Spielverlauf einen Kampf zu liefern bereit sein konnte.
Niemals sahen wir im Spiel ein Exemplar dieser Spezies, aber ihre ekelhafte Fremdartigkeit stand uns geradezu vor Augen und so flüchteten wir bei ihrem Auftauchen in Panik mit gefühlt brennendem Schiff, ausfallenden Triebwerken, versagender Elektronik, wie ein Weltraumkrieger heldenhaft kämpfend in den Hyperraum, noch einmal überlebt, noch einmal geschafft.

Attack ships on fire off the shoulder of Orion.

Unterwegs waren wir zu den gigantischen sich langsam im Raum drehenden Handelsstützpunkten, jeder mit einem rudimentären gesellschaftlich wirtschaftlich politischem Hintergrund versehen, wir wußten, ob wir uns auf einer versifften Station unter Piraten, Sklavenhändlern und Halunken bewegten oder in einer Basis mit klinischen Charme unter den wachsamen Augen der allgegenwärtigen Militärs.
Vom Andocken an diese Stationen hat jeder, der es vor Jahren spielte heute noch eine vage traumatische Erinnerung.

Ein Ziel hatte das Spiel übrigens nicht, ausser den Aufstieg im Rang von “Harmlos” bis “Elite” nach dem Spieler unbekannten Kriterien.
Unter den Elite-Spielern kuriserten ausserdem Gerüchte um Ereignisse und Planeten, mystische Wesen und Schicksale, die einen im Weltraum ereilen konnten…urban Legends in Space.

I watched c-beams glitter in the dark near Tanhauser Gate.

Auf dem Bildschirm sah das Ganze erschreckend minimal aus, ein paar weisse Linien auf schwarzem Grund, Vektorgrafik, ein Raumschiff bestand aus ca. acht bis zwölf Linien, wir Spieler konnten trotzdem aus grosser Entfernung eine Cobra MK I von einer Cobra MK III unterscheiden, die Schiffstabelle hing für den zusätzlichen lebenswichtigen Durchblick an der Kinderzimmerwand.

Der Spielablauf war, aber nur wenn wir heute ganz unangemessen brutal ehrlich sind, und nur dann, etwas meditativ repetitiv, will sagen, eigentlich aber will ich das nicht,…etwas langweilig.

Erlebt haben wir es als etwas unglaublich aufregendes, unglaublich schönes.

Beruhigend kann ich nach dem Selbstversuch versichern,  wenn man das Spiel erst gestartet hat ist auch heute noch alles sofort wieder da und so wie wir es damals verlassen haben.
Heute fasziniert zusätzlich, wie das mit den einfachsten Mitteln umgesetzt, geschaffen werden konnte.

All of those moments will be lost in time like tears in rain. Time to die.”

Fragen Sie doch mal im Media Markt nach “Elite”, ein Verkäufer wird Ihnen, vielleicht sogar mit plötzlich glänzenden Augen aber doch irritiert ungläubig antworten, daß es das natürlich nicht mehr zu kaufen gibt.
Auf welchem Computer sollte es auch laufen?

Computerspiele sind jetzt Kulturgut, unvergessen unverkäuflich.

Bei “Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band” undenkbar.

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